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Petrikirche Stendaler Armenkasten ohne Münzen ein Schatz

Der Armenkasten in der Stendaler Petrikirche soll restauriert werden. Einst wurde darin die Kollekte aufbewahrt.

Von Nora Knappe 24.10.2018, 01:01

Stendal l In der Stendaler Petrikirche wurde erst jüngst ein vollendetes Restaurierungsprojekt der Öffentlichkeit vorgestellt: das Triumphkreuz samt neu entdeckter Malereien. Im Gegensatz zu diesem sehr sichtbaren Zeitzeugen gibt es hier aber auch noch dem Besucher eher verborgen bleibende Preziosen. Eine solche ist rein kirchen- und glaubensgeschichtlich der Armenkasten. Diese wuchtige Eichenholztruhe fristete bislang in einem Nebenraum ein Schattendasein – bis Bettina Seyderhelm von der Kirchlichen Stiftung Kunst- und Kulturgut sie beim 1. Europäischen Tag der Restaurierung am 14. Oktober als „eine wunderbare Handwerksarbeit“ hervorhob – und als ein weiteres Objekt, das einer Restaurierung bedarf.

Die sei sogar schon geplant, „aber verzögert sich leider gerade“, sagt Pfarrer Matthias Schröder. Wenn sie vollbracht ist, wolle man auch über einen geeigneteren Standort reden. Rund 2500 Euro würde die Aufarbeitung kosten, Spenden sind willkommen (siehe Infokasten).

Spende ist just das richtige Stichwort. Denn der Armenkasten (auch „Gemeiner Kasten“ genannt) diente vor allem der Armenfürsorge. Die Kollekte landete einstmals zunächst in der großen Truhe. „Es gab früher ja noch mehrmals täglich Gottesdienst, vormittags wurde für die Gemeindearmen gesammelt, nachmittags zum Beispiel für die Ausbildung von Mädchen oder die Witwenversorgung“, erklärte Bettina Seyderhelm in St. Petri.

Die Armenkästen, so hat es der ehemalige Petri-Pfarrer Reinhard Creutzburg in einem Aufsatz dargelegt, gab es seit der Reformation. Neben der Armenfürsorge hatten sie noch eine weitere Funktion: nämlich die Bezahlung der kirchlichen Mitarbeiter, also auch der Pfarrer, sowie die Instandhaltung der Kirchen- und Schulgebäude. So erklärt sich auch die bauliche Besonderheit dieser Kästen – sie waren zumeist im Inneren zweigeteilt, weshalb es auch zwei Einwurfschlitze oder -trichter gab. Ihrem Zweck gemäß sollten sie möglichst an einer frequentierten Stelle in der Kirche stehen. Die Pfarrer hatten Anweisung und sollten, zitiert Creutzburg, „das Volk in den Predigten fleißig vermahnen, dass sie um Gottes Willen zur Erhaltung obgemeldeter, christlicher Ämter der Pfarrer und Schulen, auch zum Behuf der Armen wollten darein geben“.

Auch wenn Kircheneinbrüche damals „mit drakonischen Strafen belegt“ waren, wie Seyderhelm schilderte, waren die Armenkästen gleichwohl gut gesichert – mit gleich drei Schlössern. Jeweils einen Schlüssel hatten der Pfarrer, ein Vertreter der Gemeinde und einer des Rats. Die Schlüssel zum Armenkasten in St. Petri „gibt es leider nicht mehr“, sagt Pfarrer Schröder. Aber man wisse „sicher, dass der Kasten leer ist – also kein Schatz“.

Ein geschichtlicher Schatz ist die Petrikirche – übrigens die kleinste und älteste der Stendaler Pfarrkirchen – an sich womöglich schon. Ihre erste urkundliche Erwähnung findet sich im Jahre 1285, sie galt fortan als Kirche der „kleinen Leute“. Aus einer armen Familie stammte denn auch Johann Joachim Winckelmann, der hier am 12. Dezember 1717 getauft wurde. Und im „Wende-Herbst“ 1989 traf man sich in St. Petri zum Friedensgebet, war diese kleine Kirche also Ausgangspunkt der Montagsdemonstrationen.