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Projekt Syrer gibt Idee vom Radio-Café auf

Der DJ Muhammad Al Zain wollte in Stendal ein eigenes Radio-Café eröffnen. Doch Unterstützung für seine Idee blieb aus.

Von Anne Toss 21.07.2017, 01:01

Stendal l In den vergangenen Wochen ist Muhammad Al Zain viel gereist. Berlin, Den Haag, Amsterdam. Einfach mal den Kopf freibekommen, die Gedanken sortieren. Der 30-jährige Syrer hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, dennoch: „Ich werde Stendal verlassen, wahrscheinlich in rund einem Jahr“, sagt er. Dabei hatte der DJ und Tontechniker, der 2015 aus Syrien nach Deutschland geflohen ist, viel vor, wollte in der Stadt eine Bar mit Live-Übertragung eröffnen. Das Konzept hatte Al Zain beim Sender Radio Beirut kennengelernt, der das erste Radio-Café im Mittleren Osten betreibt.

„Und es gibt ja auch ähnliche Konzepte in Deutschland. An der Hochschule in Nürnberg zum Beispiel“, berichtet Al Zain. Dort gestalten Studenten ein Web-Radio, ohne an bestimmte Formatvorlagen gebunden zu sein. Zusammen mit einem Freund habe er seine Idee an der Hochschule und beim Offenen Kanal vorgestellt, die Resonanz sei gering ausgefallen. „Ich hatte das Gefühl, dass die nicht wirklich wussten, was ich jetzt von ihnen wollte.“

Nachdem auch der Versuch, über Privatleute einen Raum für das Café anzumieten, gescheitert war, verwarf Muhammad Al Zain die Idee endgültig. „Allerdings bleibt das mein großer Traum, den ich irgendwann verwirklichen will. Eine eigene Bar zu haben, das wäre toll.“

Die fehlende Bereitschaft, etwas zu bewegen, ist allerdings nicht der alleinige Grund, warum er Stendal verlassen will. „Hier gibt es sehr viel Positives. Ich habe schnell sehr enge Freunde gefunden, konnte einen Integrations- und Sprachkurs und am Theater einen Bundesfreiwilligendienst absolvieren.“ Allerdings habe er das Gefühl, nicht voranzukommen. „Ich bin seit zwölf Jahren im Musikgeschäft, ich liebe es, neue Menschen kennenzulernen, mich zu entwickeln“ – all das sei in Stendal aber sehr schwer. In gewisser Weise sei er eben immer ein Fremder geblieben.

Zurzeit spricht einiges dafür, dass er den nächsten Versuch, anzukommen, in Hannover wagen könnte. „Aber es kommt natürlich ganz auf den Job an. Meine Bewerbungen habe ich auch nach Berlin und Leipzig geschickt.“ Immer im Hinterkopf hat er dabei auch seine Musikkarriere als DJ. „Wenn man einmal etwas gefunden hat, das man wirklich gerne macht, dann muss man das einfach tun“, sagt Al Zain.

In Beirut (Libanon) feierte man ihn als den DJ, „der Beirut tanzen lässt“, nach seiner Flucht nach Deutschland fand er auch in Stendal über die Musik Anschluss. Als DJ Moe van Zee legte er zuerst im Welcome-Café des Theaters der Altmark auf. Bei etlichen Hochschul- und Bootspartys in Stendal und Tangermünde sorgte er außerdem für die Musik. Das Nacht- und Partyleben sei eben seins, sagt Al Zain und grinst.

Höhepunkt war allerdings ein Auftritt in einem Club in der Ukraine im vergangenen Jahr. Gemeinsam mit anderen jungen Menschen verbrachte Al Zain dort eigentlich eine Projektwoche, um sich mit Gleichaltrigen aus der Ukraine über Themen wie religiöse Vielfalt auszutauschen. Während eines Ausflugs kam er ins Gespräch mit Ukrainern, fragte sie nach den guten Clubs in der Stadt. Dabei stellte sich heraus, dass in einem Club noch ein DJ für den Abend gesucht wurde. Muhammad Al Zain sprang ein. „Das war cool. Und alles war spontan und improvisiert.“

Spontan sein, mal etwas wagen und einfach loslegen ohne vorab groß nachzudenken – das, was Muhammad Al Zain in Stendal am meisten vermisst, hat sich bereits vor einem Jahr angedeutet. Damals merkte er bereits an, dass er das Gefühl habe, der Einzige zu sein, der in Stendal etwas bewegen will. Jetzt zieht er einen Schlussstrich. Eine Rückkehr nach Syrien ist für ihn allerdings ausgeschlossen – in Deutschland will er eine neue Heimat finden.