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Prozess Nachbarn trafen sich vor Gericht

Ein Nachbarschaftsstreit in Osterburg beschäftigte das Amtsgericht in Stendal. Das Verfahren wurde letztlich eingestellt.

Von Wolfgang Biermann 10.12.2018, 23:01

Stendal l Mit einer Einstellung endete am Stendaler Amtsgericht ein Prozess um gefährliche Körperverletzung. Eine 24-jährige Osterburgerin war angeklagt, am 2. April 2018 gegen 15 Uhr ihre Nachbarin im Treppenflur eines Mehrfamilienhauses nach einer verbalen Auseinandersetzung mit einem Schlüsselbund ins Gesicht geschlagen zu haben. Stärkstes Indiz, neben der Aussage des mutmaßlichen Opfers, waren Fotos, die die Polizei kurze Zeit nach der angeblichen Tat gemacht hatte. Und dazu ein Protokollvermerk eines Beamten, wonach „der Abdruck eines Schlüssels zu erkennen“ war.

Was sich zunächst recht eindeutig nach Täterschaft der Angeklagten anhörte, verlor sich im Laufe des Prozesses, so dass die Staatsanwältin die Verfahrenseinstellung ohne Auflagen beantragte. Der Verteidiger war erst dagegen, er wollte einen Freispruch. Dem stünden aber die Fotos und der Polizeivermerk entgegen, sagte Richter Thomas Schulz.

Die Angeklagte und das angebliche Opfer lieferten erwartungsgemäß unterschiedliche Versionen vom Geschehen ab. Die Angeklagte gab an, dass sie selbst an jenem Tag unvermittelt vom angeblichen Opfer geschlagen worden sei. Sie hätte aber nicht zurückgeschlagen. „Ich hatte keinen Grund dazu,“, gab sie weiter an.

Seit etwa zwei Jahren gebe es „häufiger Ärger“ mit der 28-jährigen Nachbarin und deren Lebenspartner. Auslöser sei wohl ihr Hund und dessen angeblich zu lautes Gebell, so die Angeklagte. Im Zeugenstand bezichtigte das vermeintliche Opfer im Beisein ihrer Anwältin den Freund der Angeklagten, sie am Tattag geschubst zu haben. Und sie blieb auch dabei, dass die Angeklagte sie geschlagen hätte und nicht umgekehrt.

Interessant wurde es, als Richter Schulz aus einer anderen Gerichtsakte zitierte. Demnach ist das angebliche Opfer erst im Mai dieses Jahres vom Amtsgericht wegen Missbrauch von Notrufen und Vortäuschen einer Straftat zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Die Sache sei aber als Berufung am Landgericht anhängig. Die 28-Jährige räumte daraufhin ein, dass sie im August vorigen Jahres wegen des Hundegebells den Notruf gewählt hätte, von der Polizei aber zuständigkeitshalber ans Ordnungsamt verwiesen wurde. Daraufhin habe sie nochmals die 110 gewählt und wahrheitswidrig angegeben, die Angeklagte hätte sie geschlagen. „Ich wollte doch nur, dass die Polizei kommt“, zeigte sie sich uneinsichtig.

Angesichts der Parallelen zum aktuellen Prozess beantragte die Staatsanwältin die Einstellung Strafverfahrens. Es handele sich eindeutig um einen Nachbarschaftsstreit. Das Strafregister der 24-Jährigen bleibt damit sauber. Zivilrechtlich ist die Sache aber wohl noch nicht ausgestanden.