1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. "Vor Corona gab es so etwas nicht"

Recyclinghof "Vor Corona gab es so etwas nicht"

Warum der Recyclinghof Bismark erstmals Kunden abweisen muss.

Von Axel Junker 29.01.2021, 08:00

Bismark l „Vor Corona gab es so etwas nicht“, steht ein verwunderter Hans-Dieter Voigtländer am vergangenen Wochenende auf dem von ihm betriebenen Recyclinghof in Bismark. Am ersten Tag nach coronabedingter, sechswöchiger Schließung der Annahmestelle für Abfall kamen 69 Kunden. „Sonst sind es maximal 30, die an einem Freitag in den vier Stunden bei uns etwas abgeben wollen“, so Voigtländer.

„Heute musste keiner weggeschickt werden“, verweist Hans-Dieter Voigtländer am Sonnabend (27 Kunden) auf ein weiteres Phänomen. Am ersten Tag der Wiedereröffnung war das anders. Voigtländer war gezwungen, die Annahme von Abfall von einigen Kunden zu verweigern. Das hatte er so noch nie erlebt. Aber die Container waren voll und die Kapazitäten ausgeschöpft. Corona sorgte auf dem Bismarker Recyclinghof für einen Abfall-Boom.

Hans-Dieter Voigtländer (67) betreibt den Recyclinghof unweit des Bismarker Kolks seit dem Jahr 2005. Unterstützt wird er bei der Arbeit von seiner „mithelfenden Ehefrau“ Babette (62). „Wir wollen das noch so lange machen, wie wir können“, erklärt Babette Voigtländer.

Wenn ein Kunde auf den Bismarker Recyclinghof fährt, ist Hans-Dieter Voigtländer der erste Ansprechpartner. Das Gros der Entsorger kommt mit Hänger und einem Abfall-Mix zur Annahmestelle. Voigtländers Erklärungen ähneln sich: „Das Möbelteil dahinten in den Container, das Elektrogerät hier vorne hin und die Dachpappe dürfen wir nicht annehmen.“

Was in welcher Größe und Menge und zu welchem Preis angenommen werden darf, gibt die im Landkreis Stendal zuständige ALS-Dienstleistungsgesellschaft vor. Elektrogeräte dürfen zum Beispiel nur zum Teil angenommen werden: Kühlschrank und Waschmaschine nicht, ein Toaster oder eine Bohrmaschine ja. Den Preis teilt Hans-Dieter Voigtländer dem Kunden nach einem Blick auf die Annahmegebühren für Abfallkleinmengen auf Recyclinghöfen mit.

Der Bismarker Recyclinghof ist nicht nur Anlaufstelle für die Region der Einheitsgemeinde Bismark. Die nächsten Recyclinghöfe befinden sich in Osterburg und Tangermünde. Das große Einzugsgebiet sorgt für eine entsprechend zahlreiche Kundschaft.

Und die große Zahl an Kunden scheint im Corona-Jahr vermehrt aufzuräumen. Zumindest wird das immer wieder bestätigt. Die zum Teil gezwungenermaßen zu Hause zu verbringende Zeit wird mit Aufräumen verbracht. Zunächst die Wohnung, dann der Keller und danach der Boden. Dabei werden Sachen gefunden, die man längst vermisste beziehungsweise die man gar nicht mehr vermutete. Von vielem wird sich getrennt, das meiste landet auf dem Müll und wird zum Recyclinghof gebracht.

Neben dem coronabedingt erhöhten Abfallaufkommen haben Babette und Hans-Dieter Voigtländer im neuen Jahr ein weiteres Kuriosum beobachtet. „Jetzt wird im Winter sogar der Grünschnitt vorbeigebracht“, berichtet Babette Voigtländer. „Und die ausgedienten Weihnachtsbäume landen in diesem Jahr auch bei uns.“ Da das gemeinschaftliche Verbrennen der Tannenbäume in den Ortschaften aufgrund der aktuellen Einschränkungen nicht möglich ist, werden die Nadelbäume zum Recyclinghof gebracht.

Viel darf der Recyclinghof in Bismark annehmen, einiges aber nicht (siehe auch Infokasten). „Eines Tages stand hier auf dem Hof eine Frau mit gefüllten Farbbehältern“, erzählt Hans-Dieter Voigtländer. Farbbehälter dürfen nicht angenommen werden. Die Kundin wurde abgewiesen. Daraufhin erklärte die Frau, sie hätte sich in Stendal erkundigt und der Recyclinghof hat die Farbbehälter anzunehmen. „Sie gab sich als Rechtsanwältin aus und drohte mir mit Folgen“, erinnert sich Voigtländer. Die Frau musste das Gelände natürlich samt der gefüllten Farbbehälter wieder verlassen.

Wer heute Nachmittag etwas auf dem Bismarker Recyclinghof abgeben möchte, muss zunächst nicht befürchten, dass er abgewiesen wird. „Die Container werden wöchentlich von der ALS-Dienstleistungsgesellschaft geleert“, erklärt Hans-Dieter Voigtländer. Wenn das Abfall-Aufkommen jedoch wieder so groß wie am vergangenen Freitag ist, kann für nichts garantiert werden. Der Recyclinghof ist nur für eine bestimmte Annahmemenge ausgelegt. Und die wurde vor der Corona-Pandemie ermittelt.