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Rückzug Für Zeitfracht ist die Uhr abgelaufen

Vom Stendaler Standort der Firma Zeitfracht im Hohen Weg ist nicht viel mehr als die Schilder am Eingang übriggeblieben.

Von Thomas Pusch 13.02.2019, 00:01

Stendal l Im Stendaler Standort der Zeitfracht-Firmengruppe ist Aufräumen angesagt. Schränke werden ausgeräumt, für den Transport an den neuen Stammsitz des Unternehmens fertig gemacht. Der ehemalige Hauptsitz ist geschlossen worden. Nun wird der Frachttransport mit Lastwagen von Berlin und dem brandenburgischen Brieselang aus gesteuert.

„Grund war, dass das Ergebnis nicht unseren wirtschaftlichen Erwartungen entsprach“, beantwortete Heinz-Joachim Schöttes von der Brunswickgroup im Namen der Zeitfracht eine Anfrage der Volksstimme. Mit den meisten Mitarbeitern des Standortes seien einvernehmliche Lösungen gefunden oder neue Jobs vermittelt worden. Die Frage nach der konkreten Anzahl der Mitarbeiter ließ er unbeantwortet. Nach Volksstimme-Informationen ist die Abwicklung allerdings in der Tat für die Mitarbeiter verträglich über die Bühne gegangen.

Mit der Schließung endet eine über 90-jährige Stendaler Firmengeschichte. Alles hat am 2. Mai 1927 in Stendal begonnen, als Horst Walter Schröter geboren wird. Im selben Jahr gründet sein Vater, der Fleischermeister Walter Schröter, einen Fuhrbetrieb – basierend auf der Idee, einen Futtermittelhandel für die Altmark anzubieten. Der junge Horst Walter wächst zwischen den Lastkraftwagen und Omnibussen seines Vaters auf. Sie werden seine Welt. Das Fuhrunternehmen entwickelt sich schnell.

Doch dann kommt der Zweite Weltkrieg. Lastwagen und Omnibusse werden beschlagnahmt, Schröter muss als Soldat an die Front. Nach dem Krieg beginnt der Fuhrbetrieb wieder zu rollen, zwischen Stendal und Berlin. Nachdem eine Kontrolle zu viel Diesel im Bestand der Spedition festgestellt hatte, der Betrieb enteignet wurde und Schröter eine Gefängnisstrafe abgesessen hatte, entschied er sich, Stendal den Rücken zu kehren.

Während aus dem enteigneten Betrieb der VEB Kraftverkehr Stendal wird, wagt Schröter in West-Berlin einen Neuanfang. Und er hat Erfolg. Die Spedition Schröter entwickelt sich prächtig. Bereits ab dem Beginn der 60er Jahre expandiert die Firma durch den Zukauf von anderen Fuhrunternehmen aus der Branche. Ende der 60er Jahre entsteht schließlich aus dem Netzwerk das Unternehmen Zeitfracht.

Nach dem Mauerfall. Horst Walter Schröter kehrt in seine Heimatstadt Stendal zurück. Als er 1991 die Reste des elterlichen Betriebs besucht und Menschen trifft, die schon unter dem Vater gearbeitet hatten, regt sich in ihm ein tiefes Heimatgefühl. Er entscheidet sich, den Betrieb von der Treuhand zurückzukaufen. Er verlegt in den folgenden Jahren den Sitz der Speditionssparte seiner Zeitfracht-Gruppe komplett in die Altmark, nach Stendal, dorthin, wo alles begann.

Und nun geendet hat, was auch von der Hansestadt bedauert wird. „Die jahrelangen Umstrukturierungen haben wir durchaus zur Kenntnis genommen. Bedauerlicherweise sind diese zu Ungusten des Standortes Stendal verlaufen“, beantwortete Stadtsprecher Philipp Krüger die Bitte um eine Stellungnahme. Dabei sei die Stadtverwaltung nicht in die Prozesse mit einbezogen, sondern nur im Nachhinein informiert worden. Als erstes Anzeichen sei die ÖPNV-Vergabe nachteilig für das ortsansässiges Unternehmen bereits in der Vergangenheit anzusehen.

Im Mai 2010 hatte der Landkreis Stendal der Firma RVW Regionalverkehrsbetriebe Westsachsen GmbH die Genehmigung für den Linienverkehr im Öffentlichen Personennahverkehr erteilt. Der vorherige Konzessionsinhaber, das zur Zeitfracht-Gruppe gehörende Unternehmen Altmarkbus, fungiert weiter als Subunternehmen.

Das Gelände der Zeitfracht am Hohen Weg im Industriegebiet Süd-Ost ist bereits verkauft. Nach Volksstimme-Informationen haben es die benachbarten Milchwerke „Mittelelbe“ erworben. Eine Bestätigung dieser Information seitens der Milchwerke blieb allerdings aus.

Horst Walter Schröter hat das Aus in Stendal nicht mehr miterlebt. Er ist am 6. April 2013 im Alter von 85 Jahren verstorben. Zu Lebzeiten hat er das Ziel formuliert, dass von seinem Unternehmen beförderte Fracht auch über den Luftweg ihre Empfänger erreicht. An diesem Ziel arbeitet Geschäftsführer Wolfram Simon. Aus der Insolvenzmasse von Air Berlin wurde die Frachtgesellschaft Leisure Cargo erworben. Außerdem kaufte die Gruppe 2017 auch die Fluggesellschaft WDL Aviation. Ein Jahr später steigt sie in die Opus-Marine-Gruppe mit ein und wird somit strategischer Partner der Chartergesellschaft Blue Air. Der Weg von Zeitfracht führt also weiter nach oben.