1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. An Stendal die besten Erinnerungen

EIL

Schauspiel-Karriere An Stendal die besten Erinnerungen

Ab Februar ist Andrea Lüdke in der Telenovela „Rote Rosen“ zu sehen. Ihre Schauspielkarriere hat am Theater der Altmark Stendal begonnen.

Von Donald Lyko 24.01.2018, 02:00

Stendal l Hamburg, sagt Andrea Lüdke, ist ihr Zuhause. Ihre Heimat aber, das ist die Altmark. Das ist Oebisfelde, wo sie am 1. September 1963 im staatlichen Entbindungsheim „Storchennest“ geboren wurde. Das ist der Oebisfelde-Weferlinger Ortsteil Buchhorst, in dem sie aufgewachsen ist und täglich den Alltag im deutsch-deutschen Grenzsperrgebiet erlebt hat. Das ist Beetzendorf, wohin sie im Alter von 14 Jahren ins Internat zog, um sich an der Erweiterten Oberschule aufs Abitur vorzubereiten – und auf die Zeit danach. Ein Beruf, bei dem sie mit Menschen zu tun haben wird, den konnte sich die junge Frau gut vorstellen. Aber welchen?

Lehrerin vielleicht. Doch das Thema war schnell durch. Denn das Mädchen, hinter dessen Name im Klassenbuch ein „B“ für Bauernkind stand, wollte sich nicht zum Lehrerstudium in der Fächerkombination Mathematik/Russisch drängen lassen. Wollte nicht, dass andere ihr ganz genau den Lebensweg diktieren. Wollte eben nicht „von der Wiege bis zur Bahre eine Planzahl“ sein.

Tierärztin war eine weitere Idee, Jura hätte sie noch interessiert. „Aber das konnte und wollte ich in einem Unrechtsstaat nicht studieren“, sagt die heute 54-Jährige. „Etwas Soziales“, das hatte sie als 17-Jährige im Blick. Wenige Monate später stellten sich diese Fragen nicht mehr.

In einem Informationsheft für künftige Studenten stieß die junge Frau, die begeistert von Literatur war (aber keine Bibliothekarin werden wollte), auf das Studium der Theaterwissenschaft – und ihre Neugier war geweckt. „Theater gehörte zum Freiesten, was es in der DDR gab.“ Doch vor einem Studium wurde ein mindestens einjähriges Theaterpraktikum gefordert. „Darum habe ich einige Provinztheater angeschrieben“, erinnert sich Andrea Lüdke. Eine Zusage bekam sie – und wieder ein Stück altmärkische Heimat – aus Stendal.

„Von Ulrich Hammer, einem wunderbaren Intendanten. Ich bin ihm heute noch dankbar, dass er mich als ungelernte Kraft ganz unkonventionell eingestellt und mir die Chance gegeben hat, meine ersten Schritte am Theater zu gehen.“ Angestellt wurde sie für die Spielzeit 1982/83 als Bühnentechnikerin am Theater der Altmark – war dann für 375 Ost-Mark im Monat aber irgendwie Mädchen für alles, auf jeden Fall für vieles. Sie schob Kulissen, riss am Einlass Karten ab, soufflierte, half in der Garderobe, machte Regieassistenz – und musste einspringen, wenn mal eine Schauspielerin ausfiel oder bekam gleich kleinere Rollen in Ensemblestücken. „Ich habe mich wirklich nützlich gemacht“, sagt sie: „Und dabei habe ich Blut geleckt.“

An ihre allererste Rolle in Stendal erinnert sich Andrea Lüdke noch ganz genau: ein Lustknabe in der antiken Komödie „Der Maulheld“ nach Plautus. „In dem Stück durfte ich sogar mit Glatze spielen“, erzählt die 54-Jährige. Auch im Gegenwartsstück „Jutta oder die Kinder von Damutz“ von Helmut Bez bekam sie eine Rolle.

Nicht nur in Stendal stand sie auf der Bühne, auch bei Abstechern in andere Städte gehörte sie zum Ensemble. „Wir haben in Schulen gespielt und in Klubhäusern, ich fand dieses Leben schön. Das fahrende Volk, das war total meins.“

Zu den Erinnerungen an das Jahr, das den Grundstein für ihre Schauspiel-Karriere gelegt hat, gehört das möblierte Zimmer in einem Stendaler Altbau, das die Witwe eines Theaterkritikers vermietete. Auch eine alleinerziehende Schauspiel-Kollegin wohnte dort mit ihren zwei Kindern. Um die hat sich Andrea Lüdke dann manchmal gekümmert, hat die Kinder vor dem Ins-Bett-Gehen gebadet.

„An Stendal habe ich die besten Erinnerungen. Die Zeit dort war sehr inspirierend für mich“, sagt die Schauspielerin. Namen wie Horst Langpap, Edeltraud Weißbach und Martin Hein fallen ihr beim Rückblick ein. Und auch Hans Burkia, ein Regisseur und Schauspieler, der heute im thüringischen Rudolstadt lebt und dort am Landestheater spielt. Mit ihm steht sie noch immer in Kontakt. „Er hat mir sehr viel beigebracht.“ Auch von den Schauspielkollegen habe sie sehr viel gelernt. Darum war für sie sehr schnell die Entscheidung gefallen: Ich möchte Schauspielerin werden! Die Dramaturgie, ein anderer Weg am Theater, den sie ebenfalls in Stendal kennengelernt hat, „war mir zu theoretisch“.

Im Mai 1983 sprach sie in Berlin an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ vor – und wurde sofort genommen. Mit ihr freuten sich die Stendaler Kollegen. Neben einigen Fotos aus der TdA-Zeit (siehe oben) hat Andrea Lüdke ein Gedicht aufgehoben, das Schauspieler Diethard Quednau spontan unter dem Titel „Auch beim Immatrikulieren soll man freundlichst gratulieren“ für sie verfasst hatte. Ein Auszug:

Die ‚Lütte‘ aus dem Grenzgebiet dem Altmark-Staub nun bald entflieht, weil sie Berliner Kreise zieht.“

Ihr Stendaler Jahr ist in Dietmar Goergens Buch „Anfang – Ende – Anfang“ dokumentiert. Im Dezember 1995 veröffentlicht als Rückblick auf 50 Jahre TdA, listet der Autor alle Mitarbeiter von 1945 bis 1995 auf. Auf Seite 194, in Spalte zwei, ist Andrea Lüdke aufgeführt mit dem Zusatz „Schauspielerin 1982-1983“. Als Abiturientin hatte sie diesen Beruf noch so gar nicht auf dem Schirm, auch wenn sie in Beetzendorf von ihrer Kunstlehrerin gefördert worden war, aber eigentlich nur wusste, was sie nicht wollte. Doch der Lebensweg hat sie zu ihrer Berufung geführt, zur Bühne. Zufall oder Schicksal? Andrea Lüdke sagt es lieber so: „Wasser sucht sich immer seinen Weg.“

Bis 1987 studierte sie in Berlin. Es folgten ein Engagement am Maxim-Gorki-Theater in Berlin, Rollen in Defa-Filmen und im Fernsehen. Im Juli 1989 flüchtete sie in den Westen, nach dem Auffanglager zog sie nach Hamburg. Seither lebt die gebürtige Altmärkerin an der Alster. Drei Spielzeiten war sie dort am Deutschen Schauspielhaus zu sehen, dann folgten die Hamburger Kammerspiele und weitere Häuser.

Theater, das war und ist ihre Welt, die Möglichkeit, sich verwandeln zu können, nicht auf einen Rollentyp festgelegt zu werden. Dann kamen aber doch reizvolle Angebote für TV- und Filmrollen. Vier Jahre lang ging sie an der Seite von Jan Fedder im „Großstadtrevier“ auf Streife, übernahm Episodenrollen in TV-Reihen wie „Polizeiruf 110“, „Familie Dr. Kleist“, „In aller Freundschaft“, „Notruf Hafenkante“ oder „Ein Fall für zwei“, stand in Serien wie „Freunde fürs Leben“, „Die Strandclique“ oder „Die Männer vom K3“ vor der Kamera. Zu Jahresbeginn war sie im NDR in „Neues aus Büttenwarder“ zu sehen.

Und jetzt dreht sie in Lüneburg – nach dem Engagement in Stendal und dem Wohnort Hamburg eine dritte Hansestadt, die einen Meilenstein setzt in ihrer Biografie. Andrea Lüdke ist ab Februar in der beliebten ARD-Nachmittagsserie „Rote Rosen“, die in Lüneburg spielt, zu sehen. Produziert werden die Folgen aber schon jetzt. Sie übernimmt in der 15. Staffel eine der beiden neuen weiblichen Hauptrollen, steigt in ihrer Rolle als erfolgreiche Geschäftsfrau Eva Pasch in die Telenovela ein.

Gedreht wird von Montag bis Freitag in Lüneburg, am Wochenende wird der Text für die nächsten Drehtage gelernt. Ein ordentliches Arbeitspensum, denn pro Woche werden fünf jeweils 49-minütige Folgen ausgestrahlt. Andrea Lüdke freut sich dennoch auf jeden Drehtag. „Es macht einfach viel Spaß mit den tollen Kollegen, und die Bücher sind wirklich gut.“ Sie mag ihre Serienfigur: eine Frau im Berufsleben, die ihren Mann steht. Für sie, die im Osten aufgewachsen ist, etwas ganz Selbstverständliches. „Wir waren drei Kinder daheim, meine Mutter ging trotzdem arbeiten.“ Ein Vorbild, dem sie gefolgt ist. Andrea Lüdke, selbst die Jüngste von drei Schwestern, ist Mutter von drei Töchtern. Die Mittlere, die 21-jährige Milena Tscharntke, ist ebenfalls Schauspielerin.

Ihre Heimat, versichert Andrea Lüdke, ist die Altmark. Auch heute bekommt sie noch Einladungen zum Sommerfest nach Buchhorst, steht mit der Verwandtschaft in Kontakt. „Ich fahre immer wieder gern in dieses Dorf“, sagt die Schauspielerin, die im Norden Hamburgs Land gepachtet hat und dort Gemüse anbaut.

In ihren Altmark-Erinnerungen werden Stendal und das Theater der Altmark immer einen ganz besonderen Platz haben: „Ich fand dort alles toll. Die Leute haben mich so richtig nett aufgenommen.“