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Schulen Kostenloses Mittagessen für alle?

Die Stadtratsfraktion Linke/Grüne will für alle Grundschüler in Stendal ein kostenloses Mittagessen einführen.

Von Donald Lyko 14.09.2020, 01:01

Stendal l Wenn für Kinder eine Schulpflicht besteht, dann müssten die Schüler auch eine kostenlose Mittagsmahlzeit bekommen – für Anette Lenkeit, Mitglied der Fraktion Linke/Grüne, ist das die logische Schlussfolgerung. Darum hat sie zusammen mit dem Fraktionsvorsitzenden Joachim Röxe einen Antrag formuliert mit der klaren Forderung: Der Stadtrat möge beschließen, allen Schülern und Schülerinnen der Grundschulen in kommunaler Trägerschaft ein kostenfreies Mittagessen während des Schulbetriebs zur Verfügung zu stellen. Punkt zwei: Der Oberbürgermeister bekommt den Auftrag, durch Standards und Richtlinien sicherzustellen, dass das Mittagessen an den Schulen den Qualitätsanforderungen für eine gesunde Ernährung der Kinder entspricht.

An den sechs Grundschulen in kommunaler Trägerschaft nehmen rund 56 Prozent der Schüler an der Schulspeisung teil. Heißt aber auch: Knapp die Hälfte der Grundschüler bekommt mittags keine warme Mahlzeit.

Dass die Stadt das Vorhaben finanziell nicht allein schultern kann, sei ihr klar, sagte Anette Lenkeit: „Wir sind aber in der Verpflichtung, es ans Land und den Bund heranzutragen.“ In einem der reichsten Länder der Welt sollte möglich sein, was in Skandinavien praktiziert wird – kostenloses Essen für alle Schüler. Als Beispiel nannte sie auch Berlin und Brandenburg, wo 2019 kostenfreies Mittagessen für jedes Schulkind eingeführt worden ist.

„Der Antrag ist sehr löblich“, um die Diskussion anzuschieben, sagte Sylvia Fried, Sachgebietsleiterin Jugend, Sport und Stadtteilmanagement, bevor sie zum Aber kam: Den Antrag nur auf Schüler der sechs städtischen Grundschule zu beschränken, gehe wegen der Gleichbehandlung nicht, so Fried. Immerhin gibt es in Stendal auch zwei Grundschulen in freier Trägerschaft. Es müssten also alle Grundschüler betrachtet werden, das wären zirka 1500. Ein Essen mit derzeit üblichen 3,20 Euro angesetzt, multipliziert mit den Schultagen pro Jahr, kommen rund 928 000 Euro zusammen.

Etwa ein Viertel der Schüler hat Anspruch auf Leistungen aus dem Bundesprogramm Bildung und Teilhabe. Auf Antrag wird das Mittagessen bezahlt. Das Problem: Diese Möglichkeit wird von den Eltern nur sehr wenig genutzt. Deshalb ging es während der Debatte über den Linke/Grüne-Antrag kurz auch darum, wie das Antragsverfahren vereinfacht werden könnte.

Und dann ist da die Qualität: Es sei schwer für die Stadtverwaltung, Qualitätsstandards festzulegen, erklärte Sylvia Fried, denn die Entscheidung über die Anbieter treffen die Eltern in der Regel nach einer Verkostung. Die Verträge werden direkt von den Eltern mit dem Essensanbieter geschlossen. Die Verwaltung plädiere dafür, dieses Prozedere bei der Caterer-Wahl beizubehalten.

Rico Goroncy (Linke) hörte sich im Sozialausschuss die Diskussion eine Zeit lang an, um dann zusammenzufassen: Es seien nur Argumente dagegen vorgetragen worden. Deshalb appellierte er: „Zeigen wir, dass uns die Kinder wichtig sind und deren Verpflegung.“ Wenn für ein gesundes Essen fünf Euro pro Portion anfallen, werde dafür eine Lösung gefunden. Er wünsche sich eine offene Debatte mit dem Grundtenor: „Wie können wir es gemeinsam anpacken?“

Dem stimmte Anette Lenkeit zu: „Wir sagen so oft von ganz vornherein: ‚So geht es nicht.‘“ Es müsste aber erst einmal angefangen werden, dabei müsse nicht alles gleichzeitig umgesetzt werden.

Dem Angebot eines kostenfreien Schulessen könne er zustimmen, sagte der AfD-Fraktionsvorsitzende Arno Bausemer. Der jetzt vorgelegte Antrag zeige aber, dass im nächsten Jahr Landtags- und Bundestagswahlen sind. „Ich halte den Antrag für unglaubwürdig“, so Bausemer, denn als vor gut zwei Jahren im Landtag die AfD-Fraktion für das gesamte Bundesland kostenfreies Kita- und Schulessen gefordert hatte, haben alle anderen Parteien den Antrag abgelehnt.

Die Finanzierung spielte in der Diskussion eine große Rolle. Bausemer: „Die Kommune allein kann es nicht leisten.“ Peter Ludwig (SPD), Vorsitzender des Sozialausschusses, sieht bei den geschätzten 928 000 Euro pro Jahr das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Denn das seien nur die Ausgaben für das Essen – es müsste aber auch in ordentliche Speiseräume investiert werden.

Der Sozialausschuss stimmte dem Antrag mit drei Ja- und zwei Nein-Stimmen bei fünf Enthaltungen zu. Im Finanzausschuss gab es vier Ja- und zwei Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen. Der Kultur-, Schul- und Sportausschuss votierte mit zwei Ja-Stimmen und sieben Enthaltungen dafür. Dort hatte Ausschussvorsitzender Rico Goroncy dafür geworben, „einen Konsens zu finden“ und den Antrag als Start zu nutzen für die Diskussion darüber, ob die kostenlose Schulspeisung für Grundschüler grundsätzlich gewollt sei.

„Wir würden den Antrag überarbeiten, wenn wir die Meinung der Fraktionen kennen“, bot Anette Lenkeit an. Es müsse nichts übers Knie gebrochen werden, „aber Vorlauf muss sein“.