1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Kundin erpresst ihre Friseurin

Schwarzarbeit Kundin erpresst ihre Friseurin

Fehlende Corona-Hilfen treiben Friseure scheinbar in die Schwarzarbeit. Anzeigen gehen im Landkreis Stendal bisher ins Leere.

Von Mike Kahnert 06.02.2021, 06:00

Stendal l Das Geld wird knapp bei Friseuren. Weil bis Mitte Dezember noch Haare geschnitten wurden, erhalten die Handwerker für diesen Monat keine Hilfen. Ebenso dürfen sie noch kein Geld für Januar beantragen (Stand 5. Februar). Das treibt viele Friseure in die Schwarzarbeit, weiß Kathleen Eggert aus Stendal. Eine Kundin hat sogar versucht, sie für einen Haarschnitt zu erpressen.

„Ich kann Friseure verstehen, die sagen, sie machen Schwarz“, sagt Kathleen Eggert, obwohl sie selbst gegen Schwarzarbeit ist. Seit fast zwei Monate verdienen die 48-Jährige und ihre Kollegen kein Geld mehr. Geld für Teilzeit bekommen zwar ihre Mitarbeiter, die Inhaber der Salons sind als Arbeitgeber davon aber ausgeschlossen. Viele der Reserven wurden schon im ersten Lockdown im März 2020 aufgebraucht. Und selbst die damaligen Hilfen musste Kathleen Eggert zurückzahlen, weil sie in den Monaten Mai, Juni und Juli zu viel verdient habe. Schließlich gab es einen hohen Andrang nach den Lockdown-Monaten März und April.

Die Versuchung zur Schwarzarbeit ist groß. Auch, weil sich plötzlich „alte Freunde“ bei Kathleen Eggert melden und nach einem Haarschnitt fragen. Zusätzlich hat eine langjährige Kundin versucht, die Friseur-Meisterin zu erpressen. Die Frau habe Kathleen Eggert gedroht, nie mehr bei ihr Kundin zu sein, sollte die Friseurin ihr nicht privat die Haare schneiden. „Das ist Wahnsinn“, sagt die Stendalerin schockiert.

Auf der anderen Seite gibt es Kunden, die Kathleen Eggert Mut geben. „Ich halte zu euch, ich zeige meinen Ansatz“, zitiert sie aus ihrem Gedächtnis. Die 48-Jährige bekommt auch Fotos von Kunden mit Frisuren, die sich nach einem Haarschnitt sehnen.

Das Problem der Schwarzarbeit kennt auch Kerstin Prause, Obermeisterin der Friseur-Innung Stendal. „Man braucht nur einmal einkaufen zu gehen“, sagt sie. Die Friseurin könne den Haarschnitt eines Profis von dem eines Laien unterscheiden. Und viele Menschen gehen ihren Beobachtungen zufolge „ordentlich frisiert“ einkaufen. Das wundert Kerstin Prause nicht. Das Weihnachtsgeschäft ist weggebrochen, was normalerweise für einen Puffer für die klammen Monate Januar und Februar sorgt.

Wie häufig Haare unerlaubt geschnitten werden, ist unklar. Anzeigen gehen sowohl bei der Stadt Stendal, als auch beim Landkreis ein, können Stadtsprecher Armin Fischbach und Kreissprecherin Angela Vogel bestätigen. Doch ein Fall von Schwarzarbeit im Friseurhandwerk konnte Angela Vogel zufolge noch nicht festgestellt werden.

Damit die Schwarzarbeit bald ein Ende hat, müssten Bund und Länder bei ihrem nächsten Treffen am Mittwoch, 10. Februar, dem Handwerk eine Perspektive geben, die bisher noch fehlt. Mit einer Schaufenster-Aktion am 5. Februar hat die Handwerkskammer Magdeburg gemeinsam mit Friseuren und Kosmetikern im Land auf die Perspektivlosigkeit der Branche aufmerksam machen wollen. Dabei wurden Schaufenster zugeklebt, um den Mitmenschen zu zeigen, wie die Innenstädte zukünftig aussehen könnten.

Kathleen Eggert hat ihr Geschäft nicht zugeklebt. Es würde das Zeichen setzen, dass Läden schließen müssten. Im Gegenteil: „Ich will ja wieder Arbeiten", sagt sie und ist überzeugt von dem Hygienekonzept in ihrem und anderen Salons. „Macht auf, hier ist es sicherer", statt beim privaten und illegalen Haare schneiden mit einem Glas Wein, appelliert sie an die Politik.