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Sommerserie „Man muss würdevoll mit dem Tod umgehen“

Die Volksstimme stellt mit ihrer Sommerserie „Zeig mir Deinen Job“ unterschiedlichste Berufe vor. Hier: Der Bestatter.

Von Donald Lyko 14.07.2018, 14:00

Stendal l Es war nicht der direkte Weg, der Roberto Peterling zum Beruf des Bestatters geführt hat. „Das kam sogar eher durch einen Zufall“, erzählt der 46-Jährige. Auf der Suche nach einer neuen Arbeit war er durch Mundpropaganda zum Bestattungshaus Wolf gekommen. „Das war komplettes Neuland für mich“, sagt der Stendaler, der zuvor als Schlosser gearbeitet hatte.

Als Mini-Jobber fing er 2007 im Betrieb an, vier Jahre später folgte dann eine feste Anstellung. Jetzt ist er angestellter Geschäftsführer der Bestattungshaus Wolf GmbH mit Sitz an der Stendaler Nicolaistraße. Und heute, elf Jahre später, sagt Roberto Peterling: „Ich möchte nichts anderes mehr machen. Der Umgang mit den Leuten macht mir Spaß.“

Sein Handwerk als Bestatter hat er auf mehreren Lehrgängen, hauptsächlich innerbetrieblich, gelernt, in denen Theorie und Praxis vermittelt wurden. Um den Umgang mit Angehörigen ging es dabei, um Warenkunde und Verkaufsgespräche, um Buchhaltung.

Im Bestattungshaus Wolf kümmert sich um Letzteres hauptsächlich Heike Gottlieb, Bestatterin und kaufmännische Angestellte. Auch sie war vor Jahren auf eine Empfehlung hin zum Unternehmen gekommen. Seit 2000 ist sie dort beschäftigt. Und auch für sie war der Beruf komplettes Neuland. „Aber es gibt ja immer eine Probezeit um zu sehen, ob der Beruf des Bestatters einem liegt“, sagt die 52-Jährige. Obwohl, fügt sie dann hinzu, Bestatter zu sein sei eher Berufung als Beruf.

Dass es Freunde und Bekannte gibt, Menschen in ihrem Umfeld überhaupt, die damit Berührungsängste haben, hat auch Roberto Peterling erfahren: „Der Tod ist für viele eben doch noch ein Tabuthema. Viele verstehen nicht, wie man unseren Beruf machen kann.“ Einen Beruf, zu dem auch Bereitschaftsdienste am Wochenende, an Feiertagen und in den Nachtstunden gehören.

„Man muss damit umgehen können“, sagt Heike Gottlieb – und meint den Tod und die Trauer der Angehörigen, meint den Umgang mit Toten. „In unserem Beruf darf man den Respekt vor den Verstorbenen und den Angehörigen nie verlieren. Man muss würdevoll mit dem Tod umgehen“, sagt die Bestatterin.

So sind sie und Roberto Peterling von Anfang an an den Beruf herangegangen. Alles andere, da sind sie sich einig, kann man lernen. „Zum Beispiel den Umgang mit den Hinterbliebenen, da wächst man mit der Zeit rein“, sagt Roberto Peterling. Ihr ehemaliger Chef, Jürgen Wolf, habe sie gut eingeführt, habe sie peu a peu einbezogen.

Stichwort Zeit: Die nehmen sich die Mitarbeiter für die Angehörigen, ihrem Firmenmotto folgend: „... denn Trauer braucht Vertrauen“. „Auch, wenn die Beratung mal drei Stunden dauert. Manchmal brauchen Angehörige eben eine Pause zwischendurch, müssen kurz frische Luft schnappen“, beschreibt Heike Gottlieb eine Situation aus ihrem Arbeitsalltag. Und wenn die Trauernden einfach mal erzählen möchten, dann nehmen sich die Bestatter auch dafür die Zeit. Für sie gehört das dazu, wenn Roberto Peterling sagt: „Qualität ist uns sehr wichtig.“

Wichtig sei auch, in den Gesprächen nicht mit Floskeln zu arbeiten. Heike Gottlieb: „Wir können uns in die Trauer nicht reinversetzen, dann müssen wir das auch nicht sagen.“ Ihr Ziel ist es, „den Angehörigen so viel wie möglich abzunehmen, damit sie Zeit zum Trauern haben. Es bleibt noch genug für sie zu tun“, erklärt Roberto Peterling.

Die Arbeit beginnt mit dem Abholen des oder der Verstorbenen. Bis zur Erdbestattung oder zur Einäscherung bleibt der Sarg im Kühlraum des Bestattungsunternehmens. Die Mitarbeiter besprechen dann mit den Angehörigen – im Büro oder bei ihnen daheim –, wo und wie der Verstorbene bestattet werden und wie die Trauerfeier ablaufen soll.

Zu ihren Aufgaben gehört es, die Toten hygienisch und kosmetisch herzurichten.Sie stellen bei Wunsch den Kontakt zu Trauerrednern und Steinmetzen her, kümmern sich um ein Foto, wenn eines während der Beisetzung aufgestellt werden soll, sind bei Bedarf bei der Auswahl der Wahlgrabstätte dabei.

Im Bestattungshaus Wolf gibt es einen kleinen, würdevoll eingerichteten Trauerraum zum Abschiednehmen oder für Trauerfeiern in kleinem Rahmen. Gleich nebenan gibt es eine kleine Sargausstellung, noch einen Raum weiter hängt für die Beratung eine Kollektion an Sarggarnituren (Kissen und Oberdecke). Im Beratungsraum selbst stehen in einer Glasvitrine einige Urnen. Darunter auch zwei kleine. Darin können Angehörige etwas von der Asche des Verstorbenen daheim aufbewahren. Ein bisschen Asche kann auch in Medaillons gefüllt werden. Dieser Trend setzt sich langsam durch, auch wenn er wegen der Bestattungsgesetze in Deutschland nicht unumstritten ist. In der Vitrine steht als Beispiel, in einem Schmuckkästchen, ein Herz-Medaillon.

Ausgefallene Wünsche, auch die erfüllen die Bestatter. „Wenn jemand ein Hobby oder besondere Interessen hatte, gehen wir gern darauf ein“, sagt der Geschäftsführer und nennt zwei Beispiele: Bei der Beisetzung eines Bikers stand eine Harley mit in der Trauerhalle, für einen leidenschaftlichen Angler haben sie bei der Ausgestaltung der Trauerhalle auch Angeln einbezogen. Und wie sieht es bei Urnen aus? Wenn zum Beispiel das Logo des Lieblingsfußballvereins darauf zu finden sein soll? „Auch das lässt sich machen, dann kann auf eine eher neutrale Urne mit Folie das Logo aufgeklebt werden“, erklärt Peterling.

Bei den Bestattungen geht der Trend zu den anonymen, die Urne ist mehr gefragt als Erdbestattungen. Auch Seebestattungen sind immer mal wieder gewünscht und Baumbestattungen (in der Wurzel) sowie die im Friedwald. „Den haben wir leider noch nicht in der Altmark“, sagt Heike Gottlieb. Und noch etwas wird mehr und mehr nachgefragt: Diamantbestattung. Dabei wird in einem technischen Verfahren aus der Asche ein Diamant gemacht und bearbeitet. Das läuft derzeit hauptsächlich über die Schweiz. Auch als Bestatter, sagt Roberto Peterling, müsse man mit der Zeit gehen und „darf nicht auf der Stelle stehen bleiben.“

Zur Arbeit gehört aber noch viel mehr: Die Sterbeurkunde wird besorgt, Abmeldungen und Kündigungen werden auf den Weg gebracht, Behördengänge erledigt, manchmal müssen sogar noch nachträglich Geburtsurkunden für Verstorbene ausgestellt werden, weil sie für anderes benötigt werden. „Die Bürokratie wird immer mehr“, sagt Heike Gottlieb und zitiert den Volksmund: „Von der Wiege bis zur Bahre: Formulare, Formulare.“

Die sammeln die Bestatter für die Angehörigen dann in einer Abschlussmappe. „Darin sind dann Fotos von der Grabstätte und von der Trauerfeier, die Anzeigen aus der Zeitung und anderes mehr“, erklärt Roberto Peterling. Wenn die Bestatter sich zum Abschlussgespräch mit den Angehörigen treffen, die dann etwas Abstand zum Trauerfall haben, kommen auch die dankenden Worte. „Wenn man einen richtig guten Job macht, dann wird die Arbeit auch gewürdigt. Das macht uns stolz“, sagt Heike Gottlieb.

Aus den vielen Gesprächen weiß sie auch, wie wichtig es ist, Vorsorge zu treffen. Wie wichtig es ist, in den Familien darüber zu sprechen, wie und wo man beerdigt werden möchte. „Es sollte jeder schon zu Lebzeiten alles besprechen und nicht den Kindern überlassen“, empfiehlt die Bestatterin. Wenn zum Beispiel Verfügungen getroffen wurden, seien die wie ein letzter Wille. Wenn sie von Vorsorge spricht, dann denkt die Mitarbeiterin auch an die finanzielle. Direkt über das Bestattungshaus, das zur Verwaltung des Geldes mit einer Treuhandfirma zusammenarbeitet, könne das geregelt werden.

Bei aller Routine und Professionalität lässt die Arbeit Heike Gottlieb und Roberto Peterling nicht kalt. „Es bewegt einen schon, wir sind ja auch Menschen“, sagt die Bestatterin. Aber wenn die Tür zur Firma abends hinter einem zugemacht wird, „dann bleibt die Arbeit im Betrieb“. Einen Ausgleich zum Job finden beide in ihren Hobbys: Sie spielt bei den Stendaler Stadtmusikanten, er interessiert sich für Oldtimer, schraubt auch gern an alten Fahrzeugen herum und fährt zu Treffen.