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Stadtgeschichte Als die Uchte zur Schwimmstrecke wurde

Wer auf die Uchte in Stendal schaut, mag es kaum glauben. Im Fluss gab es mal so viel Wasser, dass eine Schwimmveranstaltung stattfand.

Von Donald Lyko 03.08.2020, 03:00

Stendal l Dass es in der Uchte viel Wasser gab, richtig viel, liegt schon einige Zeit zurück. „Ich kann mich nicht erinnern, es erlebt zu haben, dass die Uchte ein solches Hochwasser hatte, dass sie über die Ufer getreten ist. Und ich habe schon etliche Jahrzehnte hinter mir“, sagt der 63-jährige Jörg Hosang. Bei seinen Recherchen zur Stadt- und Sportgeschichte Stendals stieß er auch auf Berichte über den Juli 1927 – als es so heftig regnete, dass die Uchte anschwoll und schließlich über die Ufer trat.

Was einige vermutlich mit etwas Sorge beobachtet haben, war für andere Auslöser einer sportlichen Idee: Als das Wasser etwas zurückgegangen war, rief der Schwimmverein „Wasserfreunde“ zu einem „Schwimmen quer durch Stendal“ auf – auf der Uchte, denn Wasser war ja jetzt genügend da.

„Start war an der Badeanstalt. Über Grabenstraße, Fabrikstraße und das sogenannte Storchennest ging es bis zum Ziel, der Stärkefabrik“, erklärt Jörg Hosang. Für seine Unterlagen hat er in einen Stadtplan von 1925 die Schwimmstrecke eingezeichnet. „Während der Veranstaltung verkauften junge weibliche Vereinsmitglieder kleine Blumen und Abzeichen, um Geld für das Projekt Hallenschwimmbad zu sammeln. Solche Sammelaktionen für ein Hallenschwimmbad gab es davor und danach noch einige, bekannterweise ist daraus nichts geworden. Das liebe Geld, wir kennen das auch heute“, schreibt Jörg Hosang in seinem sporthistorischen Aufsatz.

Obwohl, 1938/39 gab es in Stendal ernsthaft den Ansatz, eine neue Schwimmanstalt zu bauen. Die Planungen und erste Arbeiten waren schon im Gange, der Zweite Weltkrieg bedeutete aber das endgültige Aus. Erst im Jahr 1983 bekam Stendal dann ein Hallenschwimmbad an der Erich-Weinert-Straße. Das beliebte Bad existiert aber nicht mehr.

Aber zurück zum Uchte-Schwimmen von 1927. Liest man Zeitungsberichte von damals, war es kein Wettschwimmen, sondern ein „Propagandaschwimmen“ über insgesamt zirka 3,3 Kilometer. Laut Zeitung herrschte „Propagandawetter“, und die beiden Schwimmvereine „Wasserfreunde“ und „Neptun“ sahen ihren Werbezweck erfüllt. Über den zweiten beteiligten Verein, „Neptun“, hat Jörg Hosang bisher nur wenige Informationen gefunden. „Eigentlich nur, dass er einige Jahre existierte.“

Die Zeitung berichtete damals: „Alles, was nicht gerade eine instinktive Abneigung gegen Wasser hegt, stand schon eine halbe Stunde vor dem Beginn des Schwimmens dicht gedrängt an den Ufern der Uchte. Vom Startort der städtischen Badeanstalt, bis zum Ziel der Stärkefabrik stand ein dichter Wall besorgter Mütter, skeptischer Väter, nörgelnder Sportsleute und teilnahmsvoller Zuschauer. Als dann endlich die hundert prustenden und fauchenden pudelnassen Köpfe auftauchten, da waren sich alle darüber einig, daß es doch etwas sehr Schönes um diesen Sport im Wasser und Sonne sei, der da heute in der Uchte seinen Paradetag abhielt.

Und es war wirklich eine schmucke Parade: Voran drei breitschultrige, braungebrannte Sportschwimmer als Führer des Zuges und dahinter die lange Reihe der Junioren und Senioren der beiden Vereine. ‚Wasserfreunde‘ und ‚Neptun‘ hatten sich noch in letzter Minute zum gemeinsamen Schwimmen geeinigt (Anm.: ‚Neptun‘ wollte erst hinterher ein Wettschwimmen veranstalten). Am stärksten waren die Wasserfreunde vertreten. Alle hielten die lange Strecke, zu der man eine gute Stunde braucht, wacker durch. Wohlbehalten kamen alle am Ziel und bei den wärmenden Bademänteln an, die das Weidlingsche Lastauto vorsorglich dorthin transportiert hatte. Am Abend waren dann die Schwimmer noch ein Stündchen gemütlich beisammen, sicherlich recht zufrieden mit dem Verlauf.“

Danach beschrieb das Blatt die Notwendigkeit eines Hallenbades für Stendal, das auch touristisch von großer Bedeutung für Stendal wäre, und verwies dabei auf Magdeburg und die sportlichen Erfolge der Magdeburger Schwimmer. Die Stendaler könnten ja nur in der warmen Jahreszeit trainieren und wären dadurch bei Wettkämpfen benachteiligt, so der Tenor der Argumentation. Und weiter heißt es bei den Lokaljournalisten:

„Aber auch vom rein sportlichen Standpunkt aus geht es auf Dauer nicht an, daß ein Sportzweig, der so reich an Anhängern ist, wie das Schwimmen in Stendal, regelmäßig für die Hälfte des Jahres vollkommen brachgelegt wird. … Und daß das Schwimmen wirklich Zulauf aus allen Stendaler Kreisen hat, das ging ja am deutlichsten aus dem gestrigen großen Aufmarsch seiner Anhänger hervor. Es kann also gar kein Zweifel darüber bestehen, daß die Frage eines Hallenbades eines Tages akut werden muß.“

Im Jahr 1937 gab es noch einmal ein Schwimmen „Quer durch Stendal“ in der Uchte. „Das wurde aber als Wettschwimmen ausgetragen“, berichtet Jörg Hosang.