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Stasi-Überprüfung Mehr als Karteikarten nötig

Nach drei Jahren ist die Stasi-Überprüfung der Stendaler Stadträte abgeschlossen.

30.08.2017, 23:01

Stendal l Die Überprüfung der Stadträte auf eine Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit ist nach drei Jahren abgeschlossen. Vor der Sommerpause gingen die letzten Ergebnisse der Berliner Stasi-Unterlagenbehörde beim Vorsitzenden des Sonderausschusses zur Überprüfung der Stadtratsmitglieder, Reiner Instenberg (SPD), ein. Instenberg auf Volksstimme-Nachfrage: „Es gibt keine nachgewiesenen Befunde einer Zusammenarbeit.“

Was der Sozialdemokrat mit Rücksicht auf die Vertraulichkeit des Vierergremiums – dem neben Instenberg Henning Richter-Mendau (CDU), Joachim Röxe (Linke) und Rechts­amtsleiter Rüdiger Hell angehören – vorsichtig formuliert, umschifft die Aufregung, die hinter den Kulissen bis weit in die politische Sommerpause hinein herrschte.

Die letzte Lieferung aus Berlin enthielt nämlich einen brisanten Fall: Für ein Ratsmitglied aus den Reihen der Fraktion CDU/Landgemeinden, die den Ausschuss 2014 übrigens beantragt hatte, lagen zwei Personalkarteikarten und eine Vorgangskarteikarte vor.

In der ursprünglich geplanten öffentlichen Mitteilungsvorlage hieß es daher zunächst: „Daraus ergibt sich, dass am 2. Dezember 1985 ein IM-Vorlauf (Anm. der Red.: IM steht für Inoffizieller Mitarbeiter) der Kategorie IME (Anm.: Inoffizieller Mitarbeiter im besonderen Einsatz) mit dem Decknamen ,Emma Winter‘ angelegt wurde, der am 29. Oktober 1986 in einen IM-Vorgang umregistriert wurde.“

Gemäß der vom Stadtrat vorgegebenen Geschäftsordnung kam der Sonderausschuss Mitte Juni zunächst zu der Feststellung: „Danach ist von einer inoffiziellen Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst unter anderem in der Regel auszugehen, wenn Eintragungen in den Karteien nachgewiesen sind, insbesondere falls unterschiedliche Registriernachweise miteinander korrelieren“, heißt es in dem der Volksstimme vorliegenden Entwurf.

Das CDU-Ratsmitglied hatte zuvor jedoch bereits bestritten, „für den Staatssicherheitsdienst tätig geworden zu sein und wies darauf hin, dass eine Verpflichtungserklärung nicht vorliege“, so die Vorlage.

Wie es heißt, schaltete der Kommunalpolitiker danach einen Stendaler Anwalt ein. Der Sonderausschuss konsultierte unabhängig davon nochmals die Stasi-Landesbeauftragte – und entschied sich um.

Instenberg wollte diese Recherchen nicht kommentieren, bestätigte auf Nachfrage aber: „In einem Fall kann eine Zusammenarbeit aufgrund der derzeitigen Aktenlage nicht nachgewiesen werden.“

Bei der CDU herrscht jedenfalls Erleichterung. Der Volksstimme liegt ein Mailwechsel zwischen CDU/Landgemeinden-Fraktionschef Hardy Peter Güssau und dem CDU-Kreisvorsitzenden Chris Schulenburg vor. Güssau schreibt: „Hallo Chris, unser Weg der Besonnenheit war der richtige. Mit Aktionismus wäre es gegen den Baum gegangen.“ Schulenburgs Antwort: „Ein Problem weniger!“

Abgeschlossen sind die Überprüfungen indes noch nicht. Viele Ergebnisse bei Ortsbürgermeistern und Mitgliedern der Ortschaftsräte stehen noch aus. Anders als bei den Stadträten hatten sich einige geweigert, dem Auskunftsersuchen zuzustimmen. Wie Instenberg betonte, nutzte der Sonderausschuss jetzt sein Recht und beantragte für alle Ortspolitiker in Berlin die Überprüfung.