1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Ein Kunstwerk wird 50 Jahre alt

Stendaler Dom Ein Kunstwerk wird 50 Jahre alt

Vor 50 Jahren wurde der Wandteppich im Stendaler Dom eingeweiht.Tobias Eichenberg erzählt die Geschichte des Schmuckstücks.

14.09.2016, 23:01

Stendal l Ein großes Ereignis liegt am kommenden Sonntag, 18. September, 50 Jahre zurück: An diesem Sonntag wurde 1966 der Wandteppich im Cordatussaal am Dom eingeweiht. Das weist das damalige Sakristeibuch der Domgemeinde aus, welches ich mit Hilfe von Beate Kamlah (Gemeindebüro) und Marlis Haun (Kreiskirchenamt) einsehen konnte.

Dort steht für den 18. September 1966 als Prediger Pfarrer Joachim vermerkt, die Zahl der Gottesdienstteilnehmer ist mit 120 angegeben, und dazu die Notiz „Einweihung des Wandteppichs“. Dazu sang die Kurrende der Domkantorei das Lied Martin Luthers „Jesaja, dem Propheten, das geschah, daß er im Geist den Herren sitzen sah auf einem hohen Thron in hellem Glanz...“. Worum geht es?

Der Prophet Jesaja, von dem in der Bibel oft die Rede ist, erlebt im Jerusalemer Tempel im Jahr 736 vor Christus eine Vision : Er sieht Jahwe, den Gott Israels, aber eigentlich nur dessen Gewandsaum. Um ihn herum sind zwei flammende Engelwesen mit je sechs Flügeln. Indessen rufen sie einander ständig zu. „Heilig, Heilig, Heilig ist Jahwe der Heerscharen! Voll sind Himmel und Erde von Seiner Ehre!“ Das Rufen ist so laut, dass der Tempel davon erbebt.

Angesichts dieses heiligen Gottes bekommt Jesaja einen Riesenschreck: „Weh mir, ich vergehe“, ruft er, „denn ich habe verunreingte Lippen und wohne unter einem ebenso verunreinigten Volk!“

Einer der Engel nimmt daraufhin eine glühende Kohle vom Altarfeuer und berührt damit Jesajas Lippen, um sie - symbolisch - zu reinigen. Dann bekommt Jesaja den Auftrag, seinem Volk eine höchst unbequeme Botschaft zu überbringen, an deren Ende ein kleiner hoffnungsvoller Ausblick steht:

Die Künstlerin Dora Kleemann hat damals diesen Wandteppich entworfen. In der Mitte Gott der Herr in leuchtendem Gold, auf beiden Seiten die flammenden Engel mit den sechs Flügeln und weitere Engel, am Rand andere Gestalten aus der Bibel bis hin zur heutigen Gemeinde.

Kürzlich erzählte Frau Kleemann mir, wie sie mit mehreren Frauen im Pfarrhaus am Dom bei Pfarrer Caesar ein Jahr lang einen Abend die Woche an dem großen Wandteppich gearbeitet hat, der einen großen Teil der damaligen Altarwand des Cordatussaales einnahm. Die Stoffe wurden von den Frauen mitgebracht, weil es ja zu DDR-Zeiten wenig zu kaufen gab. So ist das Ganze eine moderne Patchwork-Arbeit aus dem Jahr 1966. Durch den Wechsel des Gottesdienstraumes in den renovierten Kapitelsaal ist der Teppich, der ja für den Gottesdienstraum gedacht war, aus dem Blickfeld geraten.

Der damalige Domkantor Manfred Schlenker, wie Dora Kleemann 1926 geboren, sagte: „Es gibt eine Menge Gebrauchsgut, dazu zähle ich auch die meisten meiner Werke, und es gibt bleibende Kunstwerke, und dazu gehört dieser Teppich“. Auf Fotos sieht man die Details nicht gut. Eine Reinigung würde ihm gut tun. Um das Kunstwerk wirklich wahrnehmen zu können, sollte man es sich vor Ort ansehen.