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Stendaler Netzwerk Händewaschen macht Keimen den Garaus

Immer wieder sorgen sogenannte Krankenhauskeime für Schlagzeilen. Über die Situation im Landkreis sprach Volksstimme mit Raisa Rip.

Von Egmar Gebert 25.06.2016, 01:01

Volksstimme: Frau Rip, Krankenhauskeime – was habe ich mir darunter vorzustellen?

Raisa Rip: Unter dem Begriff Krankenhauskeime sind verschiedene Krankheitserreger zu verstehen, die bei den Patienten im Krankenhaus sogenannte Nosokomiale Infektionen, also Krankenhausinfektionen, verursachen.

Besonders problematisch sind aber in den letzten Jahren die Krankheitserreger, die Resistenzen und Multiresistenzen gegen Antibiotika zeigen.

Diese Bakterien verursachen nicht immer eine Infektion mit Krankenzeichen. Es sind auch Besiedlungen mit MRE ohne Krankenzeichen möglich.

Gut, und was sind nun multiresistente Erreger?

Es handelt sich hier um Keime, also Bakterien, die gegen Antibiotika unempfindlich sind und sich schwer bekämpfen lassen. Eine wichtige Rolle unter diesen multiresistenten Bakterien spielt MRSA – Staphylococcus aureus, der gegen Methicillin und viele weitere gängige Antibiotika resistent geworden ist. Er besiedelt gerne Hautoberflächen und Schleimhäute, zum Beispiel in der Nase, im Rachen, in der Leiste. Zurzeit werden vermehrt Infektionen durch multiresistenten Gramm Negativ Bakterien, die MRGN, nachgewiesen. Gelingt es einem dieser Keime, zum Beispiel über eine offene Wunde oder einen Blasenkatheter in den Körper einzudringen, kann er eine Infektion hervorrufen.

Infektionen, die von resistenten Bakterien verursacht wurden, sind schwierig oder in seltenen Fällen nicht zu behandeln. Sie führen zu erhöhter Sterblichkeit, verlängerter Behandlungsdauer und höheren Behandlungskosten.

Wie kommt es, dass diese Erreger den Antibiotika widerstehen?

Lange Zeit wurde in den Antibiotika eine Wunderwaffe gesehen. Das waren sie ja auch. Aber sie wurden viel zu oft und manchmal auch unnötig eingesetzt. Nicht nur in der Humanmedizin, sondern auch in der Veterinärmedizin.

Durch Antibiotikagabe haben überlebende Bakterien eine optimale Startposition und können sich explosionsartig vermehren, Resistenzen werden weitervererbt und manche Bakterienstämme von verschiedenen Arten können untereinander Resistenz-Gene austauschen.

Sind Bakterien also der Feind des Menschen?

Das nun auch wieder nicht. Wir brauchen sie. Billionen von Bakterien besiedeln unseren Körper. Sie sind unsere ständigen unsichtbaren Begleiter. Die meisten von ihnen schaden uns nicht. Im Gegenteil. Sie sind unser Freund und Helfer in fast jeder Lebenslage. Ohne sie würden alle Lebewesen auf die Erde schnell aussterben.

Wissen Sie, wer wohl das Aroma und die Löcher im Käse macht? Das sind die Milchsäure- bakterien.

Joghurt und Käse werden auch unter Einsatz von Bakterien hergestellt. Ohne Bakterien gäbe es keine Milch, da die Kuh allein das Gras nicht verdauen kann.

In jedem Menschen siedeln im Darm zwischen 200 bis 300 Gramm Bakterien. Fast 180 verschiedenen Arten von Bakterien schützen unsere Haut, sonst wären wir wegen jeder kleinen Verletzung gleich gestorben. Diese Bakterien gehören zu unserer normalen Flora und sind in diesem Fall nicht als Feinde anzusehen. Solche Bakterien richten in uns auch keinen Schaden an.

Kann man gegen MRE nicht neue Antibiotika einsetzen?

Man kennt zurzeit weltweit über 8000 Antibiotika. Die Antibiotika werden nicht nur zur Behandlung sondern auch prophylaktisch eingesetzt.

Immer weniger Antibiotika stehen für die Behandlung von Infektionen, die von resistenten Keimen verursacht sind, zur Verfügung.

Die Entwicklung neuer Antibiotika ist ein ganz langer Prozess. Man braucht mindestens zehn Jahre wissenschaftlicher Arbeit, um ein neues Anti- biotikum auf den Markt zu bringen.

Deshalb ist und bleibt es so wichtig, dass Antibiotika gezielt eingesetzt werden.

Was kann man in dieser Situation tun?

Vor allem aufklären, Fachleute schulen, Bürger sensibilisieren, damit sie wissen, wie mit diesen Keimen umzugehen ist, wie man ihre Ausbreitung verhindern kann. Dabei ist die Kommunikation ganz wichtig, also die Information der medizinischen Einrichtungen untereinander, wenn zum Beispiel Patienten mit MRE aus dem Krankenhaus entlassen werden oder aus einer anderen medizinischen Einrichtung ins Krankenhaus kommen. Genauso wichtig ist die Information für Angehörige, Mitpatienten, Besucher und Personal.

Soweit die Theorie. Und die Praxis?

Ein Krankheitserreger geht und ein neuer kommt. Wir werden also weiterhin mit solchen Erregern konfrontiert und die Strategie wird sich entsprechend ändern. Im Landkreis Stendal gibt es zum Beispiel das Netzwerk „Multiresistente Erreger“. Internetzugang zu unserem Netzwerk finden Sie unter www. Landkreis-Stendal.de > Gesunheit+ Soziales > Netzwerk Multiresistente Erreger.

Das Ziel des Netzwerkes, das in ein Netzwerk des Landes (HYSA) eingebunden ist, ist die Reduzierung der Weiterverbreitung von MRE.

Heißt das, dass alle Netzwerkmitgleider eine gemeinsame oder besser noch aufeinander abgestimmte Strategie beim Kampf gegen die Ausbreitung von multiresistenten Keimen fahren?

Das heißt es. In diesem Netzwerk und aus ihm heraus findet die Kommunikation statt, von der ich sprach. Das Netzwerk hat in den vergangenen Jahren mehrere Fortbildungen für alle regionalen Krankenhäuser durchgeführt, schult medizinisches Personal in der ambulanten Versorgung, in den Pflegeeinrichtungen, das Personal des Rettungsdienstes und der Krankentransporte.

Was wird da geschult?

Es geht wie gesagt darum, die Ausbreitung dieser Keime zu verhindern. Dazu braucht man Fachkenntnisse und ein striktes Hygiene-Regime. Man muss die Eingangssituation kennen, um konkret zu wissen, was erreicht werden muss. Es geht eigentlich um die gleiche Strategie bei der Untersuchung von Risikopatienten, um diese Patienten rechtzeitig zu isolieren und zu behandeln, damit eine Weiterverbreitung vermieden werden kann.

Es geht auch um die Desinfektionsmaßnahmen, um Schutz von Mitarbeitern, die in medizinischen Einrichtungen tätig sind und nicht zuletzt um den Schutz der Mitpatienten und Besucher in den Krankenhäusern.

Zeigt all das Erfolge?

Ja, die gibt es. Wir beobachten im Landkreis Stendal zurzeit eine leichte Senkung der Infektionen, die durch das Bakterium Staphylococcus aureus verursacht sind. Dazu muss ich sagen, dass dem Gesundheitsamt nur der Nachweis im Blut und Liquor gemeldet wird.

Was kann ich selbst tun, um der Gefahr einer Infektion durch multiresistente Keime zu begegnen beziehungsweise deren Verbreitung zu verhindern?

Auf Hygiene achten. In jedem Krankenhaus hängen schon am Eingang und auf allen Stationen Spender mit Hände- desinfektionsmittel. Benutzen Sie diese. Desinfizieren Sie ihre Hände, wenn Sie ein Krankenhaus betreten, und wenn Sie es verlassen. Das ist generell ratsam. Unsere Hände machen nur fünf Prozent der Körperfläche aus, aber über die Hände werden fast 90 Prozent aller Krankheitserreger übertragen.

Eine alleinige Besiedlung mit multiresistenten Erregern (MRE) macht keine Krankheitszeichen und ist für gesunde Personen nicht gefährlich. Gefährlich werden können MRE aber beispielsweise bei kranken, immungeschwächten Patienten. Deshalb werden im Krankenhaus andere Hygienemaßnahmen empfohlen als im privaten Bereich.

Sollten sich jedoch im Haushalt weitere Angehörige befinden, die schwer oder chronisch krank sind, zum Beispiel Kinder mit Leukämie, Tumor- erkrankte, Personen mit offenen Wunden oder entzündlichen Hauterkrankungen, dann ist eine Händedesinfektion zu empfehlen, um eine Übertragung auf kranke Angehörige zu vermeiden.

Eine gute und sorgfältige Händehygiene – das heißt Händewaschen – ist im privaten Umfeld in der Regel ausreichend. Eine Flächendesinfektion außerhalb der Klinik ist nicht angezeigt. Eine gute Reinigung reicht aus. Bei Fragen oder Unsicherheiten können Sie sich an ihren Hausarzt oder das Gesundheitsamt wenden.