1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Das Vermächtnis der Tante Julie

Stiftung Das Vermächtnis der Tante Julie

Die Tangermünder erhalten seit vielen Jahren finanzielle Unterstützung durch die Hugo-Meyer-Nachfahren-Stiftung.

Von Anke Hoffmeister 16.07.2016, 01:01

Tangermünde l Vor 190 Jahren gründete Friedrich Theodor Meyer inmitten der Altstadt von Tangermünde seine kleine Zuckersiederei. Noch heute existiert dieses Familienunternehmen. In Hamburg firmiert es unter dem Namen „Zertus GmbH“. Doch die Familie Meyer hat in der kleinen Kaiserstadt an der Elbe viele Spuren hinterlassen, die noch heute oder heute wieder das Bild prägen.

Zu Hochzeiten, um 1900, in denen mehr als 1500 Menschen in dem Unternehmen beschäftigt waren, baute die Familie ein eigenes Kraftwerk, das den Strom für Fabrik und Stadt lieferte. Wohnhäuser für Angestellte und Arbeiter entstanden in der Tannen- und Ulrichsstraße. Auch ein eigenes Krankenhaus und Kinderheim wurden errichtet. Viele dieser Gebäude existieren noch heute.

Der Blick in die Geschichtsbücher zeigt, dass die Führungskräfte der Zuckerraffinerie bereits Ende des 19. und auch im 20. Jahrhundert finanzielles Engagement in der Stadt vorlebten. In Notzeiten und Notlagen unterstützten sie mit damals großen Summen Hilfsbedürftige und zugleich auch Projekte in Tangermünde.

Julie Meyer, eine Enkelin des Firmengründers, stiftete ihren Nachlass per Testament im Jahre 1952 „jungen Leuten..., die mit der Heimatstadt der Erblasserin, Tangermünde, besonders verbunden sind“. 1952 wurde daraufhin die Julien-Stiftung gegründet. Seit 1996 hat sie ihren Sitz mit dem Namen Hugo Meyer-Nachfahren-Stiftung (seit 2007) in Tangermünde.

Allerdings konnte die Stiftung erst nach der Wiedervereinigung ihre Aufgabe in Angriff nehmen. Seit Anfang der 90er Jahre haben junge Menschen Stipendien aus der Stiftung erhalten, wurden Jahr für Jahr auf dem gemeinnützigen Gebiet Projekte unterstützt. Schulpartnerschaften konnten und können mit Hilfe der finanziellen Unterstützung auf- und ausgebaut werden. Die DLRG, junge Sportler, Angler, Christen, Jugendfeuerwehr und nicht zuletzt die jungen Stadtführer wenden sich mit ihren Vorhaben Jahr für Jahr an die Stiftung. Auch stellt sie in großem Umfang Personalkosten zur Verfügung, um die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in der Kaiserstadt zu ermöglichen.

Ebenso im investiven Bereich zählen die Elbestädter seit vielen Jahren mit großer Dankbarkeit auf die Zucker-Meyer-Nachfahren. Sind es in diesem Jahr 1,2 Million Euro für den Bau der fast 2,6 Millionen Euro kostenden Sporthalle „Waldschlösschen“, so waren es im vergangenen Jahr beispielsweise 250 000 Euro für die Sanierung der Tartanbahn im Stadion am Wäldchen oder im Jahr davor 1,5 Million Euro für den Neubau der Johanniter-Kindertagesstätte „Farbenspiel“. Auch der Hort, Schüler- und Jugendklub sowie das Familienzentrum wurden in den vergangenen Jahren mit Hilfe von Stiftungsgeldern umfangreich saniert.

Und nicht nur auf diesem Gebiet ist und bleibt die Familie Meyer mit der Stadt Tangermünde verbunden. Seit 1992 unterstützt auch die „Zuckerraffinerie Tangermünde Fr. Meyers Sohn GmbH“, heute „Zertus GmbH“, das Kleinod an der Elbe. Dabei steht der Erhalt historischer Bausubstanz im Vordergrund. Deshalb war es in den vergangenen 20 Jahren unter anderem möglich, das historische Rathaus umfassend zu sanieren, die Scherer-Orgel in der St. Stephanskirche zu restaurieren oder St. Stephan selbst eine neue Turmspitze aufzusetzen.

In Dankbarkeit für diese jahrlange großzügige Unterstützung hatte Hanna Kahrstedt von der Stadtverwaltung Tangermünde in diesem Jahr in Zusammenarbeit mit Carsten Birkholz ein Fotobuch für den Vorstand der Gesellschafterversammlung der „Zertus GmbH“ erarbeitet.

Rudolf Opitz, 25 Jahre Bürgermeister der Stadt Tangermünde, schreibt in seinem Vorwort: „Dass die Zuckerraffinerie und die Stiftung von Familienmitgliedern der Stadt trotz Enteignung und Vertreibung treu geblieben sind, hat mich tief berührt. Ein Dankeschön ist viel zu wenig. Die Stiftung und die Firma des Gründers Friedrich Theodor Meyer und seiner Nachfahren sind Bestandteil der Geschichte unserer Kaiser- und Hansestadt.“

Jürgen Pyrdok, seit einem Jahr Bürgermeister Tangermündes, erklärt: „Wenn man im Leben über einen besonderen Glücksfall berichten kann, dann ist es wirklich etwas Besonderes, etwas von Bedeutung. Für die Begünstigten und für die Stadt Tangermünde ist das Wirken der Hugo Meyer-Nachfahren-Stiftung ein solch besonderer Glücksfall.“

Viele Begünstigte hatten für das Fotobuch Bild- und Textmaterial geliefert. Ein beeindruckendes Andenken und Dankeschön ist damit entstanden. Wie Volksstimme am 24. Juni berichtete, überreichte Jürgen Pyrdok dieses A3-große Werk an Hans Peter Müller, den Vorstandsvorsitzenden der Stiftung. Die Gesellschafterversammlung weilte Mitte Juni in der Region.