1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Simple Atemtechnik schützt das Herz

Strahlentherapie Simple Atemtechnik schützt das Herz

Die Stendaler Klinik für Radioonkolgie des Johanniter-Krankenhauses setzt auf eine einfache, aber wirksame Methode.

Von Volker Langner 05.04.2017, 01:01

Stendal l „Bitte tief einatmen! Luft anhalten!“ Diese Aufforderung der medizinisch-technischen Assistentin ertönt im Therapieraum der Klinik für Radioonkologie im Stendaler Johanniter-Krankenhaus. Sie gilt einer Patientin, bei der nach einer Brustoperation mikroskopisch kleine Tumorreste mit einer Strahlenbehandlung entfernt werden sollen. Damit die Strahlen nur ihre heilende Wirkung entfalten und keine Schädigungen hervorrufen, wird in der Stendaler Klinik schon seit längerem das Luft-Anhalten praktiziert.

„Das klingt simpel, ist aber gar nicht von so geringer Bedeutung“, merkt Dr. Evelyn Weinstrauch an. Die Oberärztin der Radioonkologie begründet, bei Behandlungen der linken Brust könne das Herz von den Strahlen erfasst und geschädigt werden. Herzinfarkte, Rhythmusstörungen, Herzmuskelerkrankungen können die Folge sein, wenn der Abstand zwischen den zu bestrahlenden Flächen und dem Herz zu gering ist.

Und da kommt die Atmung ins Spiel. „Durch das Einatmen wird die Lunge aufgebläht, das Zwerchfall tritt nach unten, und das Herz bekommt durch den Zug eine schlauchartige Form“, erläutert Evelyn Weinstrauch vereinfacht. Damit, erklärt sie weiter, vergrößere sich der Abstand zwischen den behandelten Brustpartien und dem Herz. „Das sind keine Welten, aber es reicht.“

Die Klinik für Radioonkologie Stendal, die jährlich durchschnittlich 150 Brustkrebspatientinnen behandelt, wendet die Methode schon seit dem Jahr 2012 an. Die technische Umsetzung der Atemüberwachung erfolgt analog dem Vorgehen einer Klinik in Flensburg, die viele Patientinnen aus Dänemark behandelt. In Dänemark ist es Pflicht die Patientinnen mit linkseitigem Brustkrebs mit tiefer Einatmung zu behandeln. Für deutsche Frauen gibt es keine Vorschrift.

Das Thema ist nun aktuell, weil zum einen wissenschaftliche Untersuchungen – Weinstrauch verweist auf eine Studie der Universität Oxford – möglichen Herzschädigungen durch Strahlentherapie in den Blickpunkt gerückt haben. Zum anderen ist der Anteil von Krebsoperationen, bei denen die Brust erhalten bleibt, deutlich gestiegen.

„Bis Mitte der 90er Jahre wurde bei Brustkrebs häufig die gesamte Brust entfernt, was natürlich für eine Frau eine psychische Belastung ist. Zudem haben sich damals viele Frauen gesagt: Wir opfern die Brust, um zu überleben“, blickt die Ärztin zurück. Inzwischen ist die brusterhaltende Operation Standard, auch wenn nicht in jedem Einzelfall möglich. Eine Nachbestrahlung sei dann notwendig. Und dabei solle eine Schädigung des Herzens vermieden werden.

Dabei setzt die Stendaler Radio-onkologie auf das Prinzip von Einatmen und Luft anhalten. In der Regel kein Problem. „Das ist ja kein Tiefseetauchen“, macht Evelyn Weinstrauch klar. Etwa 20 Sekunden müssten die Patientinnen die Luft anhalten. Es gebe nur wenige, die das nicht schaffen. Als Beispiel nennt Weinstrauch Patientinnen mit chronischer Bronchitis. In solchen Fällen werde versucht, mit verkürzten Bestrahlungssequenzen zu reagieren.