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Strauß des Monats Karsten Eggert will die Bundesregatta

Der Blumenstrauß des Monats geht an den Tangermünder Karsten Eggert.

Von Anke Hoffmeister 15.10.2017, 05:00

Tangermünde l Elf Jahre jung war Karsten Eggert, als er zum ersten Mal in einem Ruderboot saß. „Als Steuermann, das war nicht so toll, weil es im Oktober war und ziemlich kalt“, erinnert er sich. Doch bereits in den Folgemonaten nahm der Spaß an diesem Sport zu. Den Winter 1971/1972 trainierte der Tangermünder zusammen mit anderen Jungen, darunter auch seinem Bruder, im Keller des Bootshauses. Es besaß ein Ruderbecken. „Ich habe die Grundlagen des Ruderns in einem Breiten-Vierer gelernt“, erzählt der Tangermünder. Anders als auf einem Ergometer, auf dem heute trainiert wird, „lernt man in einem Ruderbecken gleich von Anfang an den richtigen Bewegungsablauf“, erklärt der Sportler und Trainer. Im Boot befindet sich ein Rollsitz. Die Arme bewegen sich wie später auf dem Wasser, da es auch Skulls gibt.

1971/1972, als Karsten Eggert die Grundlagen für seine Leidenschaften legte, war Dieter Funk noch Trainer am Hafen der Stadt, aber zeitgleich auch Leiter des neu gebildeten Trainingszentrums des Sportclubs Magdeburg. Vor allem ihm habe Karsten Eggert zu verdanken, dass der Rudersport für ihn zu dieser Leidenschaft wurde, die auch nach fast fünf Jahrzehnten keinen Ruderschlag weniger geworden ist.

„Bis 1974/1975 bin ich Wettkämpfe gefahren“, erzählt der Sportler. Während sein Bruder und einige in dessen Alter zum Sportclub wechselten, blieb Karsten Eggert in Tangermünde. „Ich war zu klein“, begründet er diese Tatsache. Wer voraussichtlich 1,90 Meter groß werden würde, der hatte die Chance, in diesem Sport weiter nach oben zu kommen.

Doch das war für den Elbestädter kein Grund, die Skulls ins Wasser zu werfen. „Als 16-/17-Jähriger habe ich bereits angefangen, Dieter Funk beim Training zu unterstützen“, erinnert er sich. In jener Zeit gehörte unter anderem Ulrich Rebling zu den Schützlingen des Tangermünder Ruderclubs. Etwa zehn Jahre später, 1988, war er Teil des Achters der DDR-Nationalmannschaft, die bei den Juniorenweltmeisterschaften in Mailand Sieger wurde.

1977 begann die berufliche Ausbildung für Karsten Eggert. „Da hatte ich nur noch Zeit, am Wochenende zu trainieren.“ Und trotzdem war Karsten Eggert 1979 noch fit genug, um die Regatta auf der Elbe für sich zu entscheiden, einen Sieg einzufahren.

1979 kehrte der Tangermünder nach der Lehrzeit in seine Heimat zurück. 1980 sollte die zehnte Tangermünder Regatta stattfinden. „Damals war die Elbe der Austragungsort. Im Hafen war dafür überhaupt kein Platz“, berichtet er. Doch 1980 war, wie schon so oft, das Wetter viel zu neblig, um die Regatta starten zu können. Vereine, die angereist waren, mussten unverrichteter Dinge wieder heimkehren. „Das war wohl ein Grund, weshalb die Regatta bei uns irgendwann eingeschlafen ist“, vermutet er.

Doch nicht für immer. Mitte der 90er Jahre ließ der TRC diese alte Tradition wieder aufleben. „Im nächsten Jahr werden wir die 20. Regatta ausrichten“, blickt der TRC-Chef voraus. Und das nicht ganz ohne Stolz. Denn das sportliche Ereignis, das heute im Hafen der Kaiser- und Hansestadt ausgerichtet wird, lockte in diesem August mehr als 200 Sportler aus mehr als 20 Vereinen in den kleinen Ort.

In diesem Zusammenhang sagt Karsten Eggert: „Ein großes Ziel, ein Traum wäre es, wenn bei uns im Hafen die Ruder-Bundesliga im Achter stattfinden würde.“ Jahr für Jahr werde diese mit 20 bis 30 Mannschaften an fünf verschiedenen Stationen in Deutschland ausgetragen. „Es ist eine faszinierende Veranstaltung“, schwärmt der Ruder-Trainer. Lediglich über eine Distanz von 350 Metern gingen diese großen Boote ins Rennen. Das Ziel: Den Menschen vor Ort solle damit diese Sportart nähergebracht werden.

Hatte sich im Tangermünder Ruderclub, der am gestrigen Sonnabend übrigens im Bootshaus im Rahmen einer Festveranstaltung seinen 111. Geburtstag feierte, in den 1930er Jahren eine Ruder-Elite gebildet, so sind die Erfolge immer abhängig von den Sportlern, die gerade die Skulls in den Händen halten.

Zur Zeit weiß Karsten Eggert eine in diesem Jahr „komplett ungeschlagene“ Vierer-Mannschaft in seinen Reihen. Malwin Grosser, Wanja Mitsch, Victoria Roloff und Mona Urbahn fuhren mit Steuermann Moritz Wilberg bei allen Wettbewerben in diesem Jahr auf Platz 1 und sind damit ungeschlagener Deutscher Meister.

Doch längst nicht jeder Jahrgang kann, wie bei diesen 13-Jährigen, mit eigenen Sportlern komplett als Vierer antreten. Dafür fehlen einfach ausreichend Ruderer. Das entmutigt Karsten Eggert allerdings nicht, seinen Trainerjob fortzusetzen. Denn wenn nicht aus den eigenen Reihen, dann bilden Sportler aus verschiedenen sachsen-anhaltischen Vereinen bei bundesweiten Wettbewerben ein Team.

Wer das Rudern erlernen möchte, muss eigentlich nichts weiter mitbringen als den Willen, auf dem Wasser vorwärtskommen zu wollen. In den Gründungsjahren wie auch heute steht das Trainingsmaterial im Bootshaus zur Verfügung. Das älteste Boot ist ein Vierer aus dem Jahre 1961, der auch noch heute bei Wanderfahrten zum Einsatz kommt. Insgesamt lagern etwa 60 Einer, Zweier und Vierer im Bauch des modernen Trainingsdomizils. Neue Boote sind teuer. Deshalb wird das Material gehegt und gepflegt.

Wurden die Rennboote für den Nachwuchs zu DDR-Zeiten vom Staat finanziert, so muss der Verein heute selbst aktiv werden, um Geld oder Sponsoren für seine Arbeit zu gewinnen. Auch der Titel „Landesleistungsstützpunkt“ und die Einstufung in die Förder-Kategorie I im Land Sachsen-Anhalt bringen den Verein finanziell nicht wirklich voran. Gerade im Bereich der Nachwuchsförderung läuft in Deutschland vieles nicht mehr optimal. Ein Thema, in das sich Karsten Eggert gern hineinsteigert, weil es ihn zu sehr ärgert, wenn Talente nicht erkannt, sie zu wenig unterstützt werden oder neben dem Sport noch lernen, arbeiten oder studieren müssen, weil ihnen sonst keine Zukunft in der Gesellschaft geboten wird.

Als Trainer mit Leib und Seele gibt es für den 57-Jährigen im Jahr nur wenige Wochenenden, an denen er mal nicht unterwegs ist. Zehn bis zwölf Wettbewerbe stehen pro Saison an. Außerdem sind in allen Ferien, bis auf den Sommer, Trainingslager geplant. Im Winter geht es in ein Skilager. Woche pro Woche gibt es im Bootshaus drei Trainingstage für den Nachwuchs.

Etwa 15 sind es derzeit, die regelmäßig im Boot sitzen und trainiert werden wollen. „Das ist auch genug, mehr kann ich allein nicht stemmen“, gesteht Eggert. Einen Trainer an seiner Seite hat er nicht. „Es fehlt an Nachfolgern. Bis zum 75. Lebensjahr möchte ich das nicht machen“, gibt er zu verstehen, auch wenn er derzeit noch mit großer Hingabe dabei ist. Selbst den TRC-Vorsitz „mache ich im Moment noch sehr gern“.

Rückblickend vermutet er, bisher mehr als sein halbes Leben im Bootshaus, mit dem Rudern verbracht zu haben. „Er hat sein Bett hier stehen“, scherzt Heike Bruckert, die ihn im Verein seit einigen Jahren tatkräftig unterstützt.