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Tagung Führen Horte ein Stiefkinddasein?

Sind Horte Bildungsorte oder Stiefkinder der Kindertageseinrichtungen? Damit beschäftigte sich eine Tagung am Freitag in Stendal.

Von Volker Langner 11.03.2017, 00:01

Stendal l Sieben von zehn Kindern in Sachsen-Anhalt im relevanten Alter werden in Horten betreut und damit mehr als in den Kindertagesstätten. Doch spielen diese Bildungseinrichtungen in öffentlichen Debatten eher eine untergeordnete Rolle. Schlimmer: Die Mitarbeiter fühlen sich oft in den Bildungsplänen und -strukturen vergessen.

Die Tagung in Stendal, gemeinsam veranstaltet vom Fachbereich Angewandte Humanwissenschaften der Hochschule Magdeburg-Stendal und vom Kompetenzzentrum „Frühe Bildung“, wollte darauf aufmerksam machen, aber vor allem Impulse für die praktische Arbeit geben.

„Die Kollegen in den Horten fühlen sich häufig zwischen Schule, Eltern und Kindern aufgerieben“, machte Frauke Mingerzahn klar. Und die Professorin für Pädagogik der Frühen Kindheit an der Hochschule Magdeburg-Stendal, merkte an: „Hortkinder sind keine Kleinkinder. Für sie wird ein eigenes Konzept benötigt.“

Ines Kahrstedt pflichtete ihr bei. „Wir können nicht nur über Hausaufgaben definiert werden“, sagte die Leiterin des Stendaler Hortes „Am Stadtsee“. Die Schulen erwarteten vom Hort die Fortführung der Bildungsarbeit, die Eltern die Förderung der Kinder und erledigte Hausaufgaben. Da frage sie sich: Wo bleiben die Kinder? „Wir sind eine Bildungsanstalt, nicht nur Lehrer, sondern auch Betreuer.“ Bei einem Betreuungsschlüssel von einem Betreuer für 26 Kinder sei es jedoch schwer, individuell auf die Mädchen und Jungen einzugehen, sie zu fördern.

Immerhin gelte es, „den Kinder den Rücken zu stärken, in die Welt zu gehen“, erklärte Diplom-Psychologin Oggi Enderlein vom Verein „Initiative für Große Kinder“. Nach ihrer Meinung kommt der Bildungsanstalt Hort dabei mehr Bedeutung zu als in der Vergangenheit. „Es gibt heutzutage keine Straßenkindheit mehr“, stellte sie fest. Umso wichtiger sei der Hort als Kindergemeinschaft, in der sich soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit und Kindergemeinschaft entwickeln.

Dazu müssten Hort, aber auch Ganztagsgrundschule teilweise neu erfunden werden, schätzte Michaela Rißmann, Professorin für Erziehungswissenschaften an der Fachhochschule Erfurt, ein. Die Bedürfnisse der Mädchen und Jungen müssten Richtschnur sein. Zu sehr werde ihre Freizeit noch verplant. Stattdessen sollten Freiräume geschaffen werden, um ihre Selbstständigkeit zu entwickeln.

Die Kinder sollten ihre Freizeit mehr selbst gestalten, schlug Ines Kahrstedt in die selbe Kerbe. Natürlich müsse der Hort Bildungsangebote unterbreiten, aber den Kindern auch die Chance geben, sich nach Lust und Laune zu betätigen, sich mit Freunden zu treffen oder nach dem Unterricht einfach mal zu gammeln.

Wie solche Ansprüche umgesetzt werden können, war während der Tagung nicht allein Thema bei Vorträgen, sondern wurde auch in Workshops ausgelotet. Da ging es unter anderem um das sozialpädagogische Selbstverständnis des Hortes, um die Zusammenarbeit von Hort und Grundschule, die Erwartung von Eltern an den Hort, auch um Erfahrungen der Hortarbeit in Stendal.

Frauke Mingerzahn sieht in der gestrigen Veranstaltung erst den Anfang einer Diskussion, einer Entwicklung. „Die Tagung ist auch eine Aufforderung an die Bildungspolitik, etwas zu tun“, sagte sie und schloss dabei weitere Arbeitsberatungen nicht aus. Ziel sei letztlich eine Entwicklung der pädagogischen Arbeit im Hort, aber auch ihre größere Wertschätzung.