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Theater der Altmark Beim Neuen muss nicht gleich alles neu sein

Wolf E. Rahlfs ist Schauspieler, Regisseur und ab 1. August 2018 auch Intendant - der des Theaters der Altmark in Stendal.

Von Donald Lyko 10.12.2017, 16:00

Stendal l Anfang Februar hat „Der Steppenwolf“ Premiere an der Badischen Landesbühne in Bruchsal – inszeniert von Wolf E. Rahlfs. Parallel dazu bereitet sich der 40-Jährige langfristiger auf eine weitere Premiere vor, eine berufliche in Stendal: den Intendanten-Job am Theater der Altmark. Denn ab der kommenden Spielzeit wird der gebürtige Hannoveraner die Nachfolge von Alexander Netschajew antreten. Er hatte im Bewerbungsverfahren überzeugt, der Hauptausschuss entschied sich Ende August für Wolf E. Rahlfs. Und das, obwohl der mit der Leitung eines Theaters Neuland betritt.

Regelmäßig kommt der designierte Intendant jetzt in die Altmark, um die Kollegen und das Haus an der Karlstraße kennenzulernen, aber auch die künftigen Partner in der Stadt. Dazu hat er Anfang des Monats zum Beispiel die Kulturpreis-Verleihung genutzt. Er ist vor Ort, um in die Vorbereitung der nächsten Spielzeit sowie in personelle Entscheidungen eingebunden zu sein. „Ich bin sehr angetan von den bisherigen Begegnungen“, sagt Wolf E. Rahlfs im Volksstimme-Gespräch und fügt hinzu, dass er gespannt sei auf das Kommende.

Dass er mit den Menschen hier auskommt, davon ist er überzeugt: „Die norddeutsche Art ist mir ja nicht fremd“, sagt der 40-Jährige, der in Niedersachsen aufgewachsen ist. Spätestens zum Frühsommer möchte er vom baden-württembergischen Bruchsal nach Stendal umziehen, rechtzeitig zu den Vorproben vor der Sommerpause. Und noch etwas hat er sich vorgenommen: „Im Frühjahr werde ich mich ins Auto setzen und durch die Altmark fahren, um sie besser kennenzulernen.“

Die erste Berührung liegt schon einige Jahre zurück. Im Jahr 2007 war Wolf E. Rahlfs mit seiner Inszenierung „Lila/Purple“ bei den Landesbühnen-Tagen in Stendal dabei, gezeigt wurde das Stück im Rangfoyer. „Ich hatte das Theater der Altmark seither in guter Erinnerung.“ Damals begegnete er TdA-Intendant Markus Dietze und Schauspieler Reinhard Riecke, die er später am Koblenzer Theater wiedertraf. Nur eine Station während seiner freiberuflichen Zeit als Regisseur und Schauspieler.

Als er Anfang dieses Jahres davon erfuhr, dass für das Landestheater Sachsen-Anhalt Nord ein neuer Intendant gesucht wird, „habe ich die Chance genutzt“. Eine Chance, die in die beruflichen Pläne des 40-Jährigen sehr gut passt – den Plan nämlich, nach Schauspiel und Regie nun einen weiteren Schritt zu gehen: die Leitung eines Theaters zu übernehmen.

Spontan kommt dieser Schritt nicht, vielmehr hat sich Wolf E. Rahlfs im Rahmen der Weiterbildung „Theater- und Musikmanagement“ an der Ludwig-Maximilians-Universität in München gezielt darauf vorbereitet. Berufsbegleitend beschäftigte er sich dort mit theaterspezifischen Aspekten der Betriebswirtschaft, juristischen Zusammenhängen und kulturpolitischen Fragen. 2013 hatte er den Abschluss in der Tasche, „seither bin ich mit offenen Augen durch die Theaterwelt gelaufen“.

Der Wunsch Intendanz ist für Rahlfs erst in den vergangenen Jahren gereift, „aber mein Schauspielstudium habe ich bewusst mit dem Ziel begonnen, später Regisseur zu werden“. Den Weg über die Schauspielausbildung wollte er gehen, „um genau zu wissen, wie es auf der Bühne ist“. Von 1998 bis 2001 studierte Rahlfs Schauspiel am Liverpool Institute for Performing Arts, schloss von 2001 bis 2003 ein Regiestudium an der Middlesex University in London und ein Gastsemester an der York University im kanadischen Toronto an. Seine große Affinität zur englischen Sprache und zur angelsächsischen Kultur – gefördert während eines Auslandsschuljahres in den USA – seien Gründe für ein Studium auf der Insel gewesen. „Und ein bisschen Abenteuergeist.“

„Während des Schauspielstudiums kam dann tatsächlich die Lust am Spielen“, erinnert sich Rahlfs. Und weil die Lust, selbst auf der Bühne zu agieren, ebenso groß war, wie Stücke zu inszenieren, war sein erster Job nach der Rückkehr nach Deutschland – auch dies ein bewusster Schritt in seiner künstlerisch-professionellen Biografie – ein wahrer Glücksfall. Nach einem Vorsprechen an der Badischen Landesbühne bekam er das Angebot, dort als Schauspieler und perspektivisch auch als Regisseur zu arbeiten. „Eine großartige Chance“, sagt der 40-Jährige.

Inszeniert hat er zu Beginn im Kinder- und Jugendtheater. „Vom dicken Schwein, das dünn werden wollte“ war seine erste Regiearbeit in Bruchsal. „Seither habe ich eine zweigleisige Laufbahn, in den vergangenen Jahren aber mit dem Schwerpunkt Regie. In zirka 25 Inszenierungen habe ich vom Klassiker über das Musical bis zur zeitgenössischen Dramatik alles gemacht.“ An verschiedenen Bühnen wurden seine Inszenierungen aufgeführt, auch am Deutschen Staatstheater Temeswar in Rumänien und am Soho Theatre London.

Dann kam Wolf E. Rahlfs – das E im Namen ist eine Hommage an seinen Großvater mütterlicherseits, der Erich hieß – an den Punkt, „ab dem ich mich auch dafür interessiert habe, wie man ein Haus inhaltlich, programmatisch und ästhetisch aufstellen“, wie man das Dreieck Kunst – Betrieb – Finanzen optimal gestalten kann. Das möchte er ab der kommenden Spielzeit am Theater der Altmark.

Hier findet er ein Haus von „der Größe vor, die für mich greifbar ist.“ Außerdem habe er aus den Vorstellungsrunden die wichtige Erkenntnis gewonnen, dass Stadtverwaltung und Stadtrat ein großes Interesse an einem lebendigen Stendaler Theater haben.

Jetzt ist er schon aktiv in die Vorbereitung der Spielzeit 2018/19 eingebunden. Für diese „Übergangsspielzeit“, die aufgrund des langfristigen Planungshorizontes im Landestheaterbetrieb noch von der amtierenden Leitung programmiert worden ist, „sind noch diverse Entscheidungen zu treffen, beispielsweise das Engagement von Regisseuren betreffend“, erklärt Rahlfs. Sein Blick geht jedoch schon weiter: „Spätestens um Weihnachten herum setze ich mich hin und plane die dann folgende Spielzeit 2019/20.“ Dabei gehe es zum Beispiel um ein mögliches Thema oder Motto ebenso wie um die Frage: Was kann für Stendal, für die Altmark relevant sein?

Auf seiner Agenda steht zudem, was er selbst einen „Realitätscheck“ nennt, um die Umsetzbarkeit seiner Vorstellungen mit den tatsächlichen Gegebenheiten abzugleichen, unter anderem die Idee, den einzelnen Spielstätten des TdA ein jeweils individuelles Profil zu verleihen. „Eine spannende Möglichkeit, unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen. Mal sehen, ob das sinnvoll ist“, sagt Rahlfs. Das Große Haus werde natürlich weiterhin für „bildstarkes Erzähltheater“ und musikalische Produktionen stehen, „im Kleinen Haus und im Rangfoyer sehe ich zeitgenössische Dramatik und vornehmlich junge Regiehandschriften“. Dabei, so Rahlfs, dürfen auch künstlerische Wagnisse eingegangen werden.

Für ihn gehört das für ein kommunales Theater – Stichwort: Kulturauftrag – einfach dazu. Rahlfs: „Wir haben die Aufgabe, eine vielfältige Bandbreite an theatralem Ausdruck zu präsentieren. Das macht für mich den Reiz der öffentlichen Theater aus.“ Wie schon jetzt kommt dabei dem jungen Publikum ein besonderes Augenmerk zu. Rahlfs möchte dabei nicht allein vom „Publikum von morgen“ sprechen, für ihn sind Kinder und Jugendliche „das Publikum von heute“, ein Publikum, „das mit jeder Aufführung neu erreicht werden will“. Gerade das Kinder- und Jugendtheater, aber auch die Bürgerbühne gebe „Theatermachern die Chance, eigene Herangehensweisen zu hinterfragen und sich kontinuierlich neu zu erfinden“, sagt der künftige Intendant. Die Bürgerbühne „finde ich wichtig und gut, sie wird es weiterhin geben“.

Zu dem, worauf er sich in seiner ersten Spielzeit in Stendal besonders freut, gehört das Open-Air-Spektakel „Ritter Roland“. Das könnte 2019 erstmals auf dem Stendaler Marktplatz aufgeführt werden, schlägt zumindest die Stadtverwaltung vor. „Es gibt keine deutlichere Verbindung von Stadt und Theater, als auf dem zentralen Platz der Stadt ein Stück mit regionalem Bezug zu spielen. Das ist für beide Seiten eine Riesenchance.“

Dass er als Intendant auf viele bewährte Kräfte des Hauses zurückgreift, sieht Rahlfs nicht als Nachteil, sondern als Chance, denn das Team kenne das Haus. „Ich bin niemand, bei dem alles gleich neu oder ganz anders sein muss. Ich schaue lieber erst einmal genau hin und justiere dann Schritt für Schritt nach“, sagt der 40-Jährige. Die Mitarbeiter „haben einen riesigen Schatz an Erfahrung. Damit möchte ich arbeiten.“ Als Intendant möchte Wolf E. Rahlfs in Stendal auch inszenieren. „Dazu habe ich mich entschlossen, weil ich den direkten Draht zur Kunst brauche.“ Das Haus „ausschließlich zu managen, dafür bin ich nicht der Richtige. Ich brauche die künstlerische Auseinandersetzung“. Er denkt dabei an ein bis zwei Inszenierungen pro Spielzeit.