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Therapie Fibromyalgie-Selbsthilfegruppe gegen Schmerz

Nach Jahren erhält Anke Grandt die Diagnose: Fibromyalgie. Unheilbar, mit freundschaftlicher Unterstützung aber erträglich.

Von Sarah Klas 27.08.2020, 23:01

Stendal l Wer die neun Frauen in dem bunt bepflanzten Garten sieht, wird kaum auf eine Selbsthilfegruppe tippen, die einmal im Monat zusammenkommt. Sie lachen gemeinsam, lassen sich von Ergo-Therapeutin Tina Lalla die Klangschalen-Therapie erklären, keine von ihnen klagt oder sucht Mitleid. „Das sind Freundschaften. Wir sind nicht diese typische Selbsthilfegruppe, die viele bei dem Begriff vor Augen haben“, beschreibt Anke Grandt, Sprecherin der Fibromyalgie-Selbsthilfegruppe, die überwiegend aus Frauen bestehende Truppe. Sie alle vereint eine Diagnose: Fibromylagie.

Anke Grandt bekam die Diagnose vor 17 Jahren, als die jahrelangen Schmerzen, die in Schüben ihren Alltag bestimmen, so unerträglich wurden, dass sie ins Krankenhaus musste. Seitdem haben die unerklärlichen Leiden an den Gelenken einen – wenn auch unaussprechlichen – Namen.

Durch die Diagnose hatte die gelernte Bierbrauerin zwar einen Namen für ihr Leiden, dagegen tun konnte sie aber nichts. Erst Jahre später und nach endloser „Ärzte-Odyssee“, wie die 52-Jährige die Gänge zu den unterschiedlichsten Ärzten nennt, hat sie einen guten Schmerzdoktor gefunden.

Weil jeder Fibromyalgie-Patient anders auf unterschiedliche Therapien reagiert, gibt es nicht die eine Lösung, die Schmerzen zu lindern. Für Anke Grandt ist das Wärme. In den warmen Sommermonaten sind die Schmerzen erträglich, eine Infrarotkabine im Garten hilft bei zwischenzeitigen Schüben.

Es war vor neun Jahren, als Anke Grandt nach langem Zögern den Tipp ihrer Sozialpädagogin annimmt und zur Selbsthilfegruppe Fibromyalgie Stendal geht. Seit 2010 gibt es die Gruppe, Anke Grandt war eine von sechs Teilnehmerinnen. Anfangs mit mulmigen Gefühl hat sie schnell gemerkt, dass die Krankheit und das Klagen darüber nicht im Vordergrund stehen.

Viel mehr sind es die verschiedenen Aktivitäten, die die inzwischen 21-köpfige Gruppe einmal im Monat ausprobiert. Töpfern, nähen, basteln, Trampolin springen oder wie in der letzten Sitzung: Klangschalen-Therapie. Zu Beginn eines jeden Treffens sprechen die Betroffenen über ihr aktuelles Befinden, geben sich Tipps und Unterstützung.

Auch wenn die Krankheit hauptsächlich Frauen betrifft, gehören auch Männer zur bunten Truppe. So auch Thomas Grandt, der bei jedem Treffen dabei ist – auch wenn er selbst nicht an Fibromyalgie leidet.

Ihm fiel das Verständnis anfangs genau so schwer wie vielen, die von der unbekannten Krankheit hören. Das könne doch nicht so schlimm sein, sie bilde sich die Schmerzen nur ein. Die Gruppenleiterin kennt diese Vorurteile von Ärzten und Außenstehenden nur zu gut. „Ich möchte für voll genommen werden, auch von Ärzten“, wünscht sich die 52-Jährige. Denn es melden sich immer mehr Betroffene. Die wenigsten würden jedoch die Selbsthilfegruppe kennen, gibt die Rentnerin zu Bedenken. Auch deshalb solle sich das Bild einer Selbsthilfegruppe in den Köpfen vieler ändern.

Bisher gibt es fünf Gruppen in Sachsen-Anhalt, da sei noch Luft nach oben. Als Landesansprechpartnerin möchte Anke Grandt noch weitere Selbsthilfegruppen auf den Weg bringen. Die Altersspanne in Stendal reicht von 50 bis 70 Jahren. Jüngere Frauen sind herzlich willkommen, doch eine zweite, altersgerechtere Gruppe würde sich anbieten. „Es steht und fällt mit dem Miteinander“, fasst die 52-Jährige zusammen. Und genau das ist es, was Fibromyalgie zeitweise erträglich macht.