1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Abschussprämie für Nutria

Uferschäden Abschussprämie für Nutria

In Uchte und den Zuflüssen sorgen Nutrias für Schäden. Im Umland von Stendal wissen Experten Rat, im Stadtgebiet sind sie chancenlos.

Von Regina Urbat 25.07.2019, 01:01

Stendal l Die gute Nachricht vorweg: Nach der Berichterstattung der Volksstimme über all den Müll in der Uchte, der wegen des gesunkenen Pegels zutage kam und um dessen Entsorgung sich augenscheinlich niemand kümmerte, ist in die Angelegenheit Bewegung gekommen. Im Einverständnis mit dem zuständigen Landesbetrieb für Hochwasserschutz (LHW) erklärt sich die Stadtverwaltung bereit, die Uchte innerhalb des Stadtgebiets von Müll zu befreien.

Weiter teilt die Pressestelle des Rathauses mit, dass der LHW in Osterburg derzeit keine Kapazität für solch eine zusätzliche Beräumung hätte, weil die Saison-Aufgaben mit dem vorhandenen Personal erledigt werden müssen. Den Kontakt zum LHW suchte Stendals Oberbürgermeister Klaus Schmotz (CDU), weil sich die Verwaltung der Hansestadt unabhängig von der Zuständigkeit mit in der Verantwortung sehe.

Nun die schlechte Nachricht: Die Schäden an Uferböschungen entlang der Uchte, die von Nutrias verursacht werden, haben zugenommen. Dem zu begegnen, das ist im Stadtgebiet fast schier unmöglich. Einziger Trost, im Umland der Hansestadt besteht Hoffnung.

Nutria (Myocastor coypus) gehören längst zu den Problem-Tierarten, die durch ihre Bautätigkeit für erhebliche Schäden an Ufern und Böschungen von Gewässern erster und zweiter Ordnung sorgen. Deshalb haben die Unterhaltungsverbände altmarkweit dem Nager, der auch Biberratte genannt wird, den Kampf angesagt. Vorrangig geht es darum, die Population der ursprünglich aus Südamerika stammenden und in Mitteleuropa längst eingebürgerten Tierart einzudämmen.

Im Unterhaltungsverband Uchte, der für die Gewässer zweiter Ordnung und somit für eine Vielzahl von Gräben sowie den Oberlauf der Uchte zuständig ist, zahlt Jägern, die nachweislich einen Nutria erlegt haben, eine sogenannte Entnahmeprämie. Sie beträgt pro Tier drei Euro. „Im Vorjahr waren es 400 Tiere“, sagt Unterhaltungsverbands-Geschäftsführer Norbert Wernike auf Volksstimme-Nachfrage.

Kreisweit waren es laut Information der Unteren Jagdbehörde im Jagdjahr 2017/18 insgesamt 2.752, Nutria. Im Jagdjahr 2018/19 nur noch 2.386 Tiere. Diese Form der Reduzierung habe sich in der Prärie, wie Wernike sagt, schon bemerkbar gemacht.

Besonders betroffen von den Schäden im Verbandsgebiet sind Landwirte. Auf Feldern und Weideflächen gerade in Gewässernähe entsteht durch die Bauaktivitäten der Tiere die Gefahr, dass auf dem unterhöhlten Untergrund Traktoren versacken oder auch Weidevieh einbricht und sich schwer verletzt. „Alles schon passiert“, sagt Wernike.

Das Ziel wie in den Niederlanden, die Biberratte auszurotten, darum geht es in der Altmark nicht. Hier geht es um die Regulierung. Mit einer Prämie wird zumindest gegenüber der Jägerschaft ein Anreiz geschaffen. Denn warum soll er sonst die Nutria jagen. Das Fleisch ist längst nicht mehr wie früher auf dem Speiseplan und das Fell auch nicht mehr begehrt. „Einen gesetzlichen Zwang gibt es nicht, gejagt wird also auf freiwilliger Basis“, sagt Wernike.

Das ist jedoch im Stadtgebiet von Stendal aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Deshalb sind dem zuständigen LHW und auch dem Unterhaltungsverband Uchte die Hände gebunden. Selbst die Kreisverwaltung ist chancenlos. Die Untere Jagdbehörde sieht keine Möglichkeit für ein Sonder-Entnahmeprojekt. Im Zuge einer Gefahrenabwehr wäre die Kommune verantwortlich. Doch so ernst wird die Lage im Rathaus der Hansestadt noch nicht gesehen. Die Stadtverwaltung und die Gewässerschutzverbände appellieren deshalb eindringlich an die Bürger, die Tiere nicht zu füttern. Immer wieder werden illegal angelegte Futterplätze für Nutria entdeckt und dann entfernt.

Stendals Oberbürgermeister Schmotz erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass der Stadtrat im Mai den Beschluss gefasst hat, dass das Füttern von Wildtieren in der Stadt Stendal samt den Ortsteilen verboten ist. „Und ein Nutria gehört nur einmal zu den Wildtieren“, sagt Schmotz.

Ein Blick auf die Populatitionsentwicklung lässt nachvollziehen, warum der Abschuss der Tiere von allen Unterhaltungsverbänden in der Altmark weiter empfohlen wird und warum die Stadt Stendal das Fütterverbot konsequent umsetzen möchte.

Die Nutriabestände haben sich deutschlandweit von 2006 bis 2016 verdoppelt. Im Nachbarland Niedersachsen ist die Population zwischen 2013 und 2016 von 4.000 auf 24.000 Tiere angestiegen. Für die Altmark gibt es zwar keine exakten Zahlen, doch gehen die  Experten auch hier von einer Vervielfachung der Bestände aus. Das liegt daran, dass die mit den Meerschweinchen verwandten Tiere kaum Feinde haben. Auch kommen sie nicht mehr wie noch zu DDR-Zeiten üblich als Pelz- und Fleischlieferant infrage.

Nutrias sind fast reine Vegetarier und ernähren sich vorwiegend von Blättern, Stängeln, Wurzeln von Wasserpflanzen und Hackfrüchten. Sie leben paarweise oder in Gemeinschaften von bis zu 15 Tieren. Sie leben monogam und können sich zu jeder Jahreszeit fortpflanzen. Nach einer Tragzeit von 19 Wochen bringt das Weibchen 6 bis 8 Junge zur Welt, die nach 5 Monaten geschlechtsreif sind. Zwei bis drei Würfe pro Jahr sind möglich.