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Unfall Unter Tränen die Schuld eingeräumt

Ein tödlicher Unfall wurde vor dem Amtsgericht Stendal verhandelt. Der Angeklagte zeigte Reue.

Von Wolfgang Biermann 27.02.2020, 17:03

Stendal l Am Amtsgericht ging es unlängst für einen 24-jährigen Brief- und Paketzusteller um die strafrechtliche Verantwortung an einem Verkehrsunfall in Osterburg, in dessen Folge eine 75-jährige Radfahrerin ihren schweren Kopfverletzungen erlag.

Der Unfall ereignete sich laut Polizeimeldung am 14. Januar vorigen Jahres um 10.25 Uhr in der Lindenstraße, als der 24-Jährige mit seinem Transporter gut 20 Meter rückwärts fuhr, um zu einem Kaufhaus zu gelangen.

Nahe der Ecke Brüderstraße kollidierte er mit der aus einer Nebenstraße kommenden Radfahrerin. Die 75-Jährige stürzte zu Boden und zog sich dabei einen Bluterguss im Hirn zu. Sie wurde mit einem Rettungshubschrauber in eine Klinik nach Brandenburg geflogen, wo sie noch während der Notoperation verstarb. Die Anklage warf dem Transportfahrer mangelnde Sorgfaltspflicht vor.

Der Unfall wäre „theoretisch bei einer umfassenden Rückschau während der Fahrt vermeidbar gewesen“, sagte denn auch der Potsdamer Sachverständige für Verkehrsunfallrekonstruktion Carsten Wegner in seinem Gutachten, bescheinigte dem Fahrer zugleich aber, dass er nur Schrittgeschwindigkeit gefahren sei.

Die „Crux war, dass der Fahrer verschiedene Sichtfelder ständig hätte im Auge behalten müssen“. Am Ende des sehr emotionalen Prozesses wurde das Verfahren gegen den Angeklagten gegen Zahlung von 2000 Euro an einen Verein, der bundesweit Notrufsäulen aufstellen lässt, mit Zustimmung aller Prozessbeteiligten eingestellt.

Mit tränenerstickter Stimme hatte der 24-Jährige die Situation aus seiner Sicht geschildert und seine Schuld eingeräumt. Unmittelbar nach dem Unfall hatte er Erste Hilfe geleistet. Der damals 23-Jährige war selbst fast sechs Monate krankgeschrieben und bedurfte professioneller psychologischer Hilfe. Heute würde er in einer derartigen Situation nicht mehr rückwärts fahren, sagte er.

Der Vorsitzende Richter sagte in der Einstellungverkündung, dass es sich „um ein „tragisches Geschehen aus Fahrlässigkeit“ in einer verzwickten Konstellation gehandelt habe. Es sei „kein klassisches Augenblicksversagen“ gewesen. Vielmehr war schon die Entscheidung rückwärts zu fahren, falsch. Der Richter zitierte aus der Straßenverkehrsordnung: „Wer ein Fahrzeug führt, muss sich ... beim Rückwärtsfahren ... so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen.“

Eine „mögliche Mitschuld der Radfahrerin ist hierbei zweitrangig“. Dazu komme, dass es dem Transporterfahrer möglich gewesen wäre, geradeaus zu fahren und nach etwa 100 Metern am Kreisel Platz des Friedens zu wenden.