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US-Zeitung Tangerhütte in der Washington Post

Tangerhüttes Netzsituation hat es in die amerikanischen Medien geschafft. Reporter der Washington Post waren zu Gast in der Kleinstadt.

Von Thomas Pusch 30.04.2019, 01:01

Tangerhütte l Kein Skandal, sondern die mäßige Versorgung mit schneller Internet- und Handyverbindung in der Altmark hat Tangerhütte und seinen parteilosen Bürgermeister Andreas Brohm in eine der bekanntesten Zeitungen der Vereinigten Staaten, die Washington Post, gebracht. „Es war wohl eine Pressemitteilung, die wir 2017 herausgebracht hatten, die die Zeitung auf uns aufmerksam gemacht hatte“, sagte Brohm im Gespräch mit der Volksstimme. Die komplizierte Regierungsbildung in Deutschland hatte die Post dann wohl auf einen anderen Fokus in Deutschland setzen lassen.

Vor vier Wochen aber kam es dann doch zu dem Gespräch. „Wir haben uns zwei Stunden unterhalten, das Interview war auf Englisch und das war auch sehr interessant“, schilderte Brohm. Zwei Reporter der Washington Post und ein Fotograf hatten sich auf in die Stadt aufgemacht, die in dem Artikel als „ausgehöhlte ostdeutsche Stadt, in der die Fabriken längst geschlossen sind und die Bevölkerung mit jedem Todesfall schwindet“, beschrieben wird.

Die Titelzeile heißt „When hunger for fast Internet collides with U.S, concerns about Chinese spyings“, was soviel heißt wie „Wenn der Hunger nach schnellem Internet mit den Sorgen der USA über chinesische Spionage kollidiert“. Doch Brohm sieht in dem Gespräch mit Europa-Chef Griff Witte und Redakteurin Luisa Beck nicht die Weltpolitik, sondern seine Region und eine Chance.

„Ich habe erst einmal erklärt, dass wir kein Dorf irgendwo sind, sondern eine Stadt mit 32 Ortschaften, was zu einer Größe von Frankfurt am Main führt“, sagte er. Ja, die beiden Journalisten seien interessiert an der „deutschen Pampa“ gewesen.

In Amerika gebe es ähnliche Regionen. „Da ist man aber dem Irrtum unterlegen, dass in Deutschland alles hervorragend geregelt ist und man sich die Lösungen zum Vorbild nehmen kann“, sagte Brohm. Die Vernetzung von Land und Städten sei wichtig.

Da könne man fragen, wozu man denn schnelle Verbindungen brauche, wenn die Menschen ohnehin nicht mehr da seien. „Es ist aber genau die richtige Investition, so kann man Menschen in die Region holen“, betonte er gegenüber der Volksstimme. So könne der Berliner am Bahnhof Spandau überlegen, ob er nicht die Mieten eine halbe Stunde weiter westlich eher bezahlen könne, als eine halbe Stunde östlich von Spandau.

„In deutschen Städten wie Tangerhütte hat die Notwendigkeit eines zuverlässigen digitalen Zugangs die Warnungen der USA vor dem chinesischen Technologieunternehmen Huawei verdrängt“, steigt die Zeitung in den Artikel ein. Brohm wird mit vielen Ideen zitiert, Tangerhütte könnte eine Drehscheibe für die Windenergie sein, ein Zentrum für Serverfarmen, ein Magnet für junge Fachleute wie ihn, die sich nach weitläufigen Freiräumen sehnen, um ihre Kinder großzuziehen, weit weg von den Kosten und dem Wahnsinn des Lebens in der Großstadt.

Wenn nur die Bewohner ein anständiges Handysignal bekommen könnten. „Als Bürgermeister dieser Stadt brauche ich Kommunikation. Ich brauche 5G“, sagte Brohm. Den Interviewort beschreibt die Post als „jahrhundertealtes, rotes Backstein-Rathaus der Stadt, wo die Internetverbindungen unregelmäßig sind“. Was die Technologie angeht, stellt Brohm klar: „Es ist mir egal, wer sie liefert.“

Aber die Trump-Adminis­tration kümmert sich darum. Aus Sorge um das Potenzial für Cyberspionage oder gar Sabotage haben die Vereinigten Staaten im vergangenen Monat den außerordentlichen Schritt unternommen, der deutschen Regierung zu sagen, dass sie die chinesische Firma Huawei nicht in ihre Pläne zur Einführung der nächsten Generation von Internet-Technologie einbeziehen soll. Wenn Deutschland den Rat ignoriert, haben Beamte gewarnt, könnte der US-Geheimdienst auf dem Spiel stehen.

Laut Post ist Deutschland im digitalen Sinne ein Spätzünder. Eine schnelle und umfassende Einführung von 5G werde von Experten als die beste Hoffnung des Landes angesehen, zu seinen Konkurrenten aufzuschließen und dazu beizutragen, das wachsende Wohlstandsgefälle zwischen städtischen und ländlichen Gebieten zu schließen.

Bei der Versteigerung der Frequenzen sind alle deutschen Telekommunikationsanbieter dabei. Aber sie warnen davor, dass sie das neue Netzwerk nicht ohne Hilfe von Huawei einsetzen können. Der Ausschluss des Unternehmens wäre „enorm störend“ und würde Kosten und Verzögerungen mit sich bringen, die das Projekt um Jahre zurückwerfen könnten, sagte Vodafone-Chef Nick Read vor dem Mobile World Congress im Februar.

„Es benachteiligt Europa strukturell“, sagte er. Die Huawei-Technologie ist bereits tief in die europäischen Kommunikationsnetze eingebettet, die von tragbaren Geräten bis hin zu Sendemasten reichen.

Wie Trump auf die Bemerkung Brohms, es sei ihm egal, wer die Technologie liefert, reagiert hat, ist nicht bekannt. Dem Vernehmen nach liest der US-Präsident die Zeitung gar nicht, die als der Vorreiter des investigativen Journalismus gilt, nachdem ihre Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein die Watergate-Affäre aufgedeckt haben.

Dargestellt im Film „Die Unbestechlichen“ von Dustin Hoffman und Robert Redford, haben die beiden herausbekommen, dass Einbrecher offenbar im Auftrag der Republikanischen Partei versuchten, in der Zentrale der Demokraten in Washington DC Wanzen zu installieren. Der republikanische Präsident Nixon musste in der Folge 1974 zurücktreten.