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Verurteilt 1200 Euro für 1,56 Promille auf dem Rad

Für einen gerichtsbekannten Stendaler wurde die Berufung teuer. Er muss 1200 Euro statt der per Strafbefehl geforderten 390 Euro zahlen.

Von Wolfgang Biermann 31.10.2019, 02:00

Stendal l Unlängst befand das Amtsgericht mal wieder über einen stark alkoholisierten Radfahrer. Der gerichtsbekannte 41-jährige Stendaler war gegen einen schriftlichen Strafbefehl über eine Geldstrafe von 390 Euro zu Felde gezogen. Er zeigte sich sehr uneinsichtig, degradierte Polizeibeamte in markigen Worten zu Laien und wurde schließlich zu einer weitaus höheren Geldstrafe verurteilt, nämlich zu 1200 Euro.

Hätte er seinen Einspruch gegen den Strafbefehl zurückgezogen, wäre es bei 30 Tagessätzen zu je 13 Euro geblieben, weil Staatsanwaltschaft und Gericht beim Strafbefehl von Hartz IV ausgegangen waren. Tatsächlich ist er aber in Arbeit und verdient über 1400 Euro netto, so dass ein weitaus höherer Tagessatz anzusetzen war: 40 Euro. So ergaben sich bei der selben Anzahl an Tagessätzen (30) im Urteil 1200 Euro als Geldstrafe.

„Ich finde es lächerlich, was hier verhandelt wird“, gab der Delinquent von sich. Dass er das Urteil akzeptiert ist wohl unwahrscheinlich, denn er verließ den Gerichtssaal offensichtlich aufgebracht. „Der war ja alles andere als einsichtig“, kommentierte Richter Thomas Schulz den Auftritt.

Ein Streifenwagen hatten den 41-Jährigen am 10. Dezember vorigen Jahres um 0.40 Uhr in der Lüderitzer Straße festgestellt. „Schlangenlinien fahrend und auf der entgegengesetzten Fahrbahnseite“, so hieß es im Polizeiprotokoll. Die Beamten nahmen sich seiner an und ließen ihn pusten. 1,98 Promille ergab der Atemalkoholtest. Er wurde zum Revier gebracht, wo ihm eine Blutprobe abgenommen wurde. Und die ergab eine halbe Stunde nach Tatfeststellung immerhin 1,56 Promille.

Dazu muss man wissen, dass sich die Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit für Radfahrer bei 1,6 Promille befindet. Und genau da lag der Knackpunkt für den Angeklagten. Er sei keine „Schlangenlinien gefahren“, meinte er, sondern hätte nur die „Schlaglöcher auf dem maroden Radweg umfahren“. Er sprach von einer „laienhaften Darstellung der Polizisten“. Immerhin hätte der Blut abnehmende Arzt ihm „keine Ausfallerscheinungen“ bescheinigt. Außerdem hätte er nach dem Stopp durch die Polizisten noch Bier getrunken.

Das aber wies einer der Beamten als Zeuge vehement zurück: „100-prozentig nicht“. In solchen Fällen werde den Beschuldigten vor der Blutabnahme immer untersagt, etwas zu konsumieren. Kein Bonbon, kein Kaugummi – „und schon gar kein Alkohol“. Selbst rauchen sei nicht gestattet, so der 57-jährige Beamte.

Außerdem sei davon auszugehen, so Richter Schulz, dass der Angeklagte zur Tatzeit einen Blutalkoholwert von mehr als 1,6 Promille hatte. Demnach baue der Körper 0,05 bis 0,1 Promille Alkohol pro Stunde ab.