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Volksbegehren Stendaler fordern Änderung des Schulgesetzes

Gerade Lehrer trauen sich nicht offen am Volksbegehren teilzunehmen. Aber Schüler, Eltern und Gewerkschaft geben noch einmal richtig Gas.

Von Donald Lyko 23.06.2020, 07:00

Stendal l Für Kenny-Lee Richter geht in wenigen Wochen das zweite Ausbildungsjahr an der Fachschule Sozialpädagogik am Stendaler Berufschulzentrum zu Ende. Ein Jahr, das coronabedingt mit vielen Wi­drigkeiten auskommen musste – aber nicht nur. „Im kompletten Ausbildungsjahr ist das Fach Psychologie ausgefallen, das am Ende geprüft wird und im Allgemeinen wichtig für meinen späteren Beruf ist“, sagt der junge Mann, der gern Lehrer werden möchte und gerade seine Erzieherausbildung absolviert. Er ziehe den Hut vor den Lehrern, die fachfremd unterrichten, um die Lücke zu schließen, doch bei der Qualität müssten dann immer Abstriche hingenommen werden. „Es braucht mehr Lehrer, um die Vielfalt des Unterrichts zu gewährleisten. Ein Lehrer für vieles, ist für beide Seiten problematisch.“ Denn seine Erfahrung ist: „Die Überforderung von Lehrern schlägt sich auf die Schüler nieder. Sie sind ebenso gestresst, und eine optimale Unterrichtsversorgung ist nicht gewährleistet.“

Eine Erfahrung, die Kenny-Lee Richter selbst nicht länger machen und anderen Schülern ersparen möchte. Darum gehört der Fachschüler, der Mitglied im Kreis- und im Landesschülerrat ist, zu den Mitunterzeichnern eines gemeinsamen Aufrufes von Kreisschülerrat, Kreiselternrat und GEW-Kreisverband Stendal.

Sie alle unterstützen das Volksbegehren „Den Mangel beenden! Unseren Kindern Zukunft geben!“, das auf eine Änderung des Schulgesetzes abzielt. Eine Kernforderung ist, dass im Gesetz feste Personalschlüssel für die verschiedenen Schulformen festgeschrieben werden, damit massiver Unterrichtsausfall wie jetzt kein Thema mehr ist. Gefordert werden eine verlässliche Planung, wann wie viele Lehrer benötigt werden, und die Schaffung der notwendigen Studienplätze dafür. Zudem sollen den Schulen ausreichend pädagogische Mitarbeiter und Schulsozialarbeiter zur Verfügung stehen.

Am 8. Januar war die Unterschriftensammlung gestartet worden, geplantes Ende der 7. Juli. Wegen Corona wurde die Frist bis zum 18. August verlängert. Schüler, Eltern und GEW im Landkreis Stendal wollen nun noch einmal richtig Gas geben und in den kommenden zwei Wochen Unterschriften sammeln. Dabei wollen sie selbst mit den Listen unterwegs sein, hoffen aber auch darauf, dass möglichst viele Unterstützter selbst Listen anfordern (siehe Infokasten).

Unterschriften können in Familien, in Vereinen, im Freundeskreis, in Ausbildungsbetrieben oder in großen Firmen, unter Studenten oder Mitschülern gesammelt werden. „Denn von Bildung sind alle betroffen. Gute Bildung ist der Grundstein für ein erfolgreiches Erwerbsleben. Alle haben mit den Folgen zu kämpfen, wenn es in der Bildung nicht klappt“, sagt der GEW-Kreisvorsitzende Sven Oeberst und fügt hinzu: „Wenn gute Bildung per Gesetz verankert ist, kann gute Bildung auch stattfinden.“

Die Kreiselternvertretung hatte geplant, bei Volksfesten, Osterfeuern oder Maifeiern mit den Listen präsent zu sein. Dieser Weg konnte nicht beschritten werden. Darum wollen die Elternvertreter die Fristverlängerung nun nutzen, um verstärkt zu werben. „Die Umsetzung liegt aber letztendlich bei den Bürgern unseres Bundeslandes. Und wir in der Altmark sollten ein großes Interesse daran haben, unsere Strukturen, die noch da sind, zu erhalten“, sagt Dorothee Schulz, Vorsitzende des Kreiselternrates und Mitglied im Landeselternrat. Sie hofft, dass möglichst viele Verantwortung übernehmen möchten, um dem „Bildungsminister das Signal zu senden, dass wir die Entwicklung der letzten Jahren nicht mehr hinnehmen“.

Gleich zu Beginn des Volksbegehrens waren die Schulelternräte angeschrieben worden, um sie ins Boot zu holen. Stichprobenartig nachgefragt, gab es für die Kreiselternvertreter eine Ernüchterung: „In zwei Dritteln kamen die Briefe nicht bei den Eltern an“, sagt Dorothee Schulz. Ein Brief des Landesschulamtes an die Schulleitungen, die Unterschriftensammlungen für das Volksbegehren in den Schulen zu unterlassen, habe seine Wirkung dagegen nicht verfehlt. Dorothee Schulz: „Von den Schulen gab es keine Unterstützung, man hat uns regelrecht die Tür vor der Nase zugeknallt.“ Aus Gesprächen weiß Kenny-Lee Richter, in welchem Zwiespalt sich viele Lehrer befinden: „Sie sind unsicher, weil sie nicht wissen, welche Konsequenzen es hat, wenn sie unser Anlieger offen unterstützen“.

Die Unterzeichner des Aufrufes wünschen sich, dass sich möglichst viele die Listen besorgen und sammeln oder eine der Möglichkeiten nutzen, zu unterschreiben. Unter anderem ist das an zwei Tagen im GEW-Büro in Stendal möglich, dort liegen Listen aus. Da es die Listen in verschiedenen Größen gibt, kann auch in kleinen Gruppen gesammelt werden. Wichtig ist nur: Jede Liste muss einer konkreten Meldebehörde zugeordnet werden. Heißt zum Beispiel: Ein Bismarker kann nicht mit einem Stendaler auf der selben Listen unterschreiben. In dem Fall müssten zwei Listen angelegt werden.

Momentan sei die Bildungslandschaft in Sachsen-Anhalt „ein Flickenteppich“, sagt Dorothee Schulz. Die verlässlichen und konstanten Strukturen, die es brauche, sollen mit einem geänderten Schulgesetz aufgebaut werden. „Wir möchten uns auch auf eine einheitliche Schulbildung in unserem ländlichen Raum verlassen können“, fordert die Vorsitzende des Kreiselternrates.