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Wahl Vorwurf des Amtsmissbrauchs gegen Landrat

Ein Schreiben von Landrat Patrick Puhlmann (SPD) sorgt im Vorfeld der Wahl seiner Stellvertreter im Landkreis Stendal für mächtig Wirbel.

Von Donald Lyko 02.04.2020, 03:00

Stendal l Wie immer die Wahl am Donnerstag, 2. April, ausgehen wird, eines steht schon fest: Einer oder eine der beiden Stellvertreter (Beigeordnete) des Landrates wird auf jeden Fall neu im dreiköpfigen Team der Verwaltungsspitze sein. Denn der 1. Beigeordnete Denis Gruber steht nicht mehr auf der Bewerberliste. Mit einem knappen „Ja“ bestätigte der Tangerhütter,  am Mittwoch, 1. April, die Rücknahme seiner Bewerbung, zu den Gründen wollte er sich nicht äußern. Er hatte im Dezember 2019 nach 21 Jahren Mitgliedschaft die SPD verlassen. Nach Volksstimme-Informationen soll er einen neuen Job in einer Behörde außerhalb des Landkreises Stendal haben.

Eine große Auswahl gibt es dennoch. Für den Posten des 1. Beigeordneten liegen elf Bewerbungen vor. Für die Stelle des 2. Beigeordneter stehen ebenfalls elf Bewerber zur Auswahl. Wegen der Corona-Krise hatte der Kreistag entschieden, auf eine persönlichen Vorstellung der Bewerber zu verzichten. Die Kreistagsmitglieder konnten die Bewerbungsunterlagen einsehen. Die Beigeordneten werden für sieben Jahre gewählt.

Unter den Bewerbern ist der derzeitige 2. Beigeordnete Sebastian Stoll (CDU). Er hatte sich mit einem Schreiben vom 25. März an die Kreistagsmitglieder gewandt, um einige Eckpunkte seiner bisherigen Beigeordneten-Tätigkeit aufzulisten, darunter die Qualifizierung des Katastrophenschutzes, die Flüchtlingskrise 2015 sowie die Leitung des Amtes für Wirtschaftsförderung und Projektmanagement. Seinen Brief beendet Stoll mit der Bitte, ihm weiterhin das Vertrauen auszusprechen.

Das scheint es zwischen Patrick Puhlmann und seinem 2. Beigeordneten allerdings nicht zu geben. Anfang der Woche haben alle Kreistagsmitglieder einen Brief vom Landrat bekommen. Damit reagiere er auf Signale einiger Mitglieder, „dass Sie den derzeitigen 2. Beigeordneten Stoll zum 1. Beigeordneten wählen wollen. Das ist natürlich Ihr gutes Recht als Kreistagsmitglied und auch ich gestehe Herrn Stoll Kompetenzen in bestimmten Bereichen zu.“ Weiter schreibt Puhlmann: „Und dennoch: Aus den Erfahrungen der letzten Monate stelle ich leider fest, dass es keine solide Vertrauensbasis für eine konstruktive Zusammenarbeit gibt.“ Der Landrat führt als Beispiel an, dass er keinerlei Unterstützung erhalten habe, als er schon vor seinem Amtsantritt um eine Einbindung ins Corona-Krisenmanagement gebeten hatte. Puhlmann: „Kurzum: Es fehlt schlicht die Basis für eine solide und vertrauensvolle Zusammenarbeit, bei der alle an einem Strang ziehen. Das ist weder in der Kürze der Zeit, noch auf einen erkennbaren Zeitraum hin zu reparieren.“

In dem Brief sehen viele Kreistagsmitglieder den Versuch einer indirekten Einflussnahme auf die Beigeordneten-Wahl. Die AfD-Fraktion spricht von „Amtsmissbrauch“. Sie sieht in Puhlmanns Vorgehen „die ersten Anzeichen der durch SPD-Vertreter gewohnten Mauscheleien. Zweifelsohne soll hier der Weg für neue Beigeordnete frei gemacht werden, die ein rotes oder grünes Parteibuch besitzen... Derartige Spielchen von Herrn Puhlmann können und werden wir nicht unterstützen. Alle Kandidaten sollten die gleichen Voraussetzungen haben – ohne vorher vom Landrat denunziert zu werden“, sagte der Fraktionsvorsitzende Dietrich Gehlhar.

Grundsätzlich stehe es dem Landrat frei, sich zu seinen Wunschkandidaten zu äußern, sagte der „Pro Altmark“-Fraktionsvorsitzende Nico Schulz. Er habe aber großes Unverständnis, wenn nicht auf „bewährte Sachkenntnis“ gesetzt wird und nicht darauf, dass jemand „eingespielt“ ist. Damit sei seinerseits keine Wahlempfehlung verbunden, stellte Schulz klar. Die Mitglieder seiner Fraktion werden entsprechend der Qualifikation der Bewerber entscheiden.

Das Schreiben Puhlmanns hält der CDU-Fraktionsvorsitzende Thomas Staudt persönlich für „nicht förderlich für den Vertrauensaufbau“. Der Landrat müsse akzeptieren, dass er die Beigeordneten bekommt, die der Kreistag wählt. Vor allem in einer Krisenzeit wie jetzt jemanden „so zu degradieren, der sieben Jahre lang sehr gute Arbeit geleistet hat, ist ein Stück weit sehr realitätsfern“, kommentierte Staudt den Umgang mit Sebastian Stoll.

Die Linke-Fraktionsvorsitzende Katrin Kunert findet es „legitim“, dass der Landrat auf bestehende Probleme bei der Zusammenarbeit „hinweisen darf. Mit welcher Deutlichkeit, ist seine Angelegenheit.“ Auch sie möchte nicht, dass den Kreistagsmitgliedern vorgeschrieben wird, wer gewählt werden soll oder nicht. Aussagen im Vorfeld, wie die künftige Zusammenarbeit an der Verwaltungsspitze funktionieren soll, seien nachvollziehbar.

Auch wenn sie rechtlich richtig seien, findet Ralf Berlin, Vorsitzender der Fraktion FDP/Bündnisgrüne/Landwirte der Region, solche Äußerungen vor der Wahl „nicht so gut“. Im Arbeitsleben könne man sich auch nicht jeden aussuchen, mit dem man zusammenarbeiten möchte. Darum müsse der Landrat akzeptieren, welche Entscheidungen die Kreistagsmitglieder in der politischen und geheimen Wahl treffen.

Den Vorwurf, dass er seine Neutralitätspflicht als Landrat verletzt hat, wies Puhlmann in einem Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden zurück. Er wiederholte seinen Hinweis auf das Kommunalverfassungsgesetz, in dem es heißt: „Die Beigeordneten werden im Benehmen mit dem Hauptverwaltungsbeamten von der Vertretung gewählt“ – also vom Kreistag im Vernehmen mit dem Landrat. Er fügte einen Auszug aus einem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Sachsen-Anhalt von 2017 an: „Da der Landrat künftig mit dem zu wählenden Beigeordneten eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten muss, soll sein Votum ausdrücklich Gehör bei den Mitgliedern der Vertretung finden und als ein (Wahl-)Kriterium Eingang in die Wahlentscheidung finden.“

Damit entspreche sein Schreiben „exakt diesen Ausführungen und ist somit nicht nur rechtlich gedeckt, sondern ich komme darin meiner Verpflichtung im Zusammenhang mit der Wahl der Beigeordneten nach“. In diesem Schreiben benennt er seine Favoriten für die Beigeordneten-Wahl.