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Wahlfälschung Was trieb Holger Gebhardt an?

Im Untersuchungsausschuss berichtete der 45-Jährige Stendaler darüber, in was für einem Beziehungsgeflecht der CDU er agierte.

Von Bernd-Volker Brahms 25.10.2018, 01:01

Stendal l Es sei ihm vorrangig um ein berufliches Vorankommen gegangen, als er im Frühjahr 2014 hunderte Briefwahlstimmen zur Kommunalwahl fälschte, so Holger Gebhardt.

Schon einige Jahre war der heute 45-Jährige in Stendaler CDU-Kreisen aktiv. Hardy Peter Güssau habe er noch Ende der 1980er Jahre an der Schule kennengelernt. Güssau war Lehrer, Gebhardt Schüler. Anfang der 1990er Jahre habe Güssau ihn dann mal angesprochen, ob er sich nicht auch politisch engagieren wolle. 2004 kandidierte er erstmals für den Stadtrat, 2009 wurde er gewählt – auch da schon mit hohem Briefwahlanteil. In CDU-Kreisen hieß es bei der Wahl 2014, dass Holger Gebhardt sich ja besonders um die Briefwähler kümmere. Bei der Wahl 2004 hatte er erfolglos kandidiert.

Im Vorfeld der Wahl, die am 25. Mai 2014, stattfand, habe er im November 2013 ein entscheidendes Gespräch mit dem damaligen CDU-Kreisvorsitzenden Wolfgang Kühnel geführt, sagte Gebhardt in der vergangenen Woche im Untersuchungsausschuss des Landtags. Kühnel habe ihn gefragt, was er denn für einen Stimmenanteil bei der Wahl mit einbringen könne. Er habe lediglich auf seine Stimmen von 2009 verweisen können. Der Anteil war nicht besonders hoch.

Kühnel habe ihm in dieser Situation einen Ordner mit Namen, Adressen und Unterschriften gezeigt und ihm diesen im März 2014 ausgehändigt. Kühnel habe ihm nicht ausdrücklich gesagt, was er damit tun solle. Aber: „Ich war lang genug dabei, um zu wissen, was ich tun sollte“, sagte Gebhardt. Er habe darauf verwiesen, dass das nicht legal sei. Als Antwort habe er bekommen, dass er sich keine Sorgen machen solle. Man habe genug gute Erfahrungen damit gemacht.

„Es war ein alter Ordner mit alten Blättern“, sagte Gebhardt. Man habe sehen können, dass die Unterlagen vorher schon in Gebrauch gewesen seien. Er habe daraus am Computer eine Liste erstellt, sagte Gebhardt. „Ich hätte das nicht tun müssen“, sagte er. Allerdings habe er Machtinteressen und vor allem auch ein berufliches Fortkommen vor Augen gehabt. Sein Ansinnen sei es ursprünglich gewesen, dass er in die Kernverwaltung des Landkreises einsteigt.

Da dies seinerzeit nicht möglich war, sei er froh gewesen, dass er über die Stadt Stendal eine Stelle beim Jobcenter bekam. Parallel wurde auch seine Lebensgefährtin bei der Stadt angestellt. „Wir hatten beide befristete Verträge“, sagte Gebhardt. Er habe es als Hilfe der CDU empfunden, dass der Oberbürgermeister ihn eingestellt habe. Bei seiner Freundin kam hinzu, dass diese eine Stelle bekam, die ursprünglich mit einem sogenannten „K.W.“-Vermerk im Stellenplan versehen war. Also „kann wegfallen“.

Dass Gebhardt durchaus für den Dienst in der Verwaltung vorgesehen war, zeigt die Tatsache, dass er 2014 den sogenannten Verwaltungslehrgang II besuchte. Für seine Arbeit beim Job-Center wäre dies nicht erforderlich gewesen.

„Ich hatte keine politischen Ambitionen“, sagte Gebhardt. Er habe vorgehabt, sein Stadtratsmandat nach der Wahl 2014 zurückzugeben, sobald er in die Kernverwaltung der Stadt gewechselt wäre. Eine gleichzeitige Arbeit bei der Verwaltung und Tätigkeit im Stadtrat sind rechtlich nicht zulässig.

Dies ist nach seinen Angaben die Situation, als er im November 2013 mit Wolfgang Kühnel zusammensitzt. Zum Abhängigkeitsverhältnis muss gesagt werden, dass Kühnel der Bürochef war und Gebhardt auf Stundenbasis nach Feierabend die Arbeiten als Sekretär der CDU-Kreistagsfraktion erledigte. Eine Kandidatur für den Kreistag habe ihm Kühnel ausgeredet, da er sonst den Sekretär-Posten hätte nicht mehr ausführen können. Während Gebhardt mit Kühnel ein geschäftliches Verhältnis pflegte, war er sehr gut mit dem Landtagsabgeordneten Hardy Peter Güssau befreundet. Seine Freundin arbeitete zudem für diesen und erledigte Pressearbeit. Mit Güssau habe er nie über das November-Gespräch mit Kühnel gesprochen, sagte Gebhardt im Ausschuss. „Ich hatte ja selbst Bauchschmerzen damit.“

Das Verhältnis von Gebhardt mit der CDU und seinen Stendaler Protagonisten nahm am 6. November 2014 ein jähes Ende, als am selben Tag das Parteibüro von der Polizei durchsucht worden war. Er sei an jenem Tag in die Privatwohnung von Peter Güssau, dem Vater von Hardy Peter Güssau, geladen worden. Beide empfingen ihn dort.

Nach eindringlichen Worten von Güssau senior, die er nicht im Untersuchungsausschuss wiederholen wollte, wurden ihm drei Schriftstücke zur Unterschrift vorgelegt: Niederlegung des Stadtratsmandates, Austritt aus der CDU und Kündigung des Jobs als Fraktionssekretär. Er unterschrieb.

Alle Informationen rund um die Wahlfälschung in Stendal und deren Aufarbeitung gibt es in einem Dossier.