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Wahlskandal 2014 Schmotz: Es gab kein Treffen mit Gebhardt

Der Stendaler Oberbürgermeister bestreitet die Tatsache, dass er Dienstgeheimnisse an den Wahlfälscher weitergab.

Von Bernd-Volker Brahms 07.11.2018, 09:06

Stendal l Eigentlich sollte es nur um eine Formalie gehen, als der Stadtrat am Montag zu einer Sondersitzung zusammenkam. Die Hauptsatzung sollte mit einigen Änderungen verabschiedet werden. Dennoch kochten die Emotionen hoch.

Joachim Röxe von der Fraktion Linke/Grüne hatte die Zusammenkunft der Stadträte dazu genutzt, die Aussagen von Wahlfälscher Holger Gebhardt im Oktober vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages auszuwerten.

Die Aussagen von Gebhardt, über die die Volksstimme ausführlich berichtet hatte, sollte die Stadträte „zumindest zum Nachdenken anregen“, sagte Röxe. Gebhardt hatte unter anderem gesagt, dass er sich am 3. Juli 2014 mit dem Oberbürgermeister zum Mittagessen getroffen habe. Dieser habe ihm darüber berichtet, dass es mit Florian M. einen Wähler gegeben habe, bei dem die Stimmen manipuliert worden seien. Florian M. bestätigte dies an jenem 3. Juli 2014 mit einer eidesstattlichen Versicherung im Rathaus. Noch am selben Tag bekam er Besuch von zwei Frauen, die ihn davon wieder abbringen wollten. Interne Informationen waren damit ganz offensichtlich aus dem Rathaus hinaus gelangt.

Wenn es stimme, was Gebhardt geäußert habe, so Röxe, dann sei das monatelange Rätselraten gelöst, wer Dienstgeheimnisse und Wahlgeheimnisse an unbefugte Dritte weitergegeben habe.

Oberbürgermeister Schmotz hatte bereits in der Einwohnerfragestunde auf eine entsprechende Einlassung von Steffen Roske geantwortet, dass er sich an jenem Tag nicht mit Holger Gebhardt getroffen habe. Aus der Dichte seines Terminkalenders sei ersichtlich, dass er sich nur schwerlich habe mit Gebhardt treffen können. Er bleibe auch dabei, dass er bei der abendlichen Kreistagssitzung an eben diesem 3. Juli, bei der es um die Feststellung der Rechtmäßigkeit der Wahl ging, erst nach der Sitzung die Information erhalten habe, dass es eine offensichtliche Fälschung bei der Kommunalwahl gegeben habe.

Am Montag legte Schmotz im Stadtrat ein erstaunliches Bekenntnis ab, nachdem die Wogen dort hochschlugen und es gegenseitige Vorwürfe gab, das Klima der Zusammenarbeit unnötig zu vergiften. Unter anderem hatte Reiner Instenberg (SPD) gesagt, dass von der Staatsanwaltschaft zu prüfen sei, wann der Oberbürgermeister von der Manipulation gewusst habe und ob er sein Amt durch Schweigen missbraucht habe.

Er wolle die Vorwürfe nicht unwidersprochen stehen lassen, sagte Schmotz, der zunächst vorgehabt hatte, sich nicht weiter detailliert zu äußern. Er gab dann aber doch eine persönliche Einschätzung ab. Wenn es sich um Dienstgeheimnisse gehandelt haben soll, dann müsse man dies auch in Bezug auf die Kreistagssitzung gelten lassen. Selbst wenn ihn zu der Sitzung an diesem Abend die Information rechtzeitig erreicht hätte, dann hätte er trotzdem nichts gesagt, sagte Schmotz. Er habe die Information von seinem damaligen Stadtsprecher Klaus Ortmann allerdings erst gelesen, als die Sitzung zu Ende war.

Er hätte im Kreistag nichts gesagt, erstens, weil es sich eben um ein Dienstgeheimnis gehandelt hatte, und zweitens die Gültigkeit der gesamten Wahl nicht an einem einzigen Fall festgemacht werden könne. „Wir müssen ja auch feststellen, dass Florian M. seine Stimmen am Wahltag noch korrekt abgeben konnte, seine Briefwahlstimmen wurden ja aussortiert.“ Er lasse sich von niemandem vorschreiben, was er zu welchem Zeitpunkt gewusst habe, sagte Schmotz. Reiner Instenberg hatte zuvor gesagt: „Das Sie im Kreistag nichts wussten, ist doch ein Märchen hoch zehn.“

Für die Fraktion CDU/Landgemeinden war Henning Richter-Mendau für den abwesenden Fraktionsvorsitzenden Hardy Peter Güssau ans Rednerpult geschritten, nachdem Joachim Röxe eine restlose juristische Aufklärung gefordert hatte, auch vor dem Hintergrund, dass der Oberbürgermeister im kommenden Jahr bei der Kommunalwahl als Wahlleiter fungieren werde.

„Ich musste den Schock erst einmal verdauen, was Sie hier so unverblümt geäußert haben“, sagte Richter-Mendau an Joachim Röxe gewandt. Man solle sich im Stadtrat doch auf die Sacharbeit konzentrieren, die in den vergangenen Monaten gut geklappt habe. Mit der vorgezogenen Wahlpropaganda würde das Klima vergiftet werden. Sie seien alle empört und entrüstet darüber gewesen, was durch Gebhardt über den Stadtrat hereingebrochen sei. Ohnehin habe er gehofft, dass die Berichterstattung nach dem Abgang von Volksstimme-Redakteur Marc Rath endlich aufhöre, aber dass sei offensichtlich nicht der Fall, sagte Richter-Mendau.

Den Seitenhieb auf die Presse wollten einige SPD-Stadträte nicht gelten lassen. „Sie sind ein richtiger Trump-Typ, wie Sie hier über die Presse schimpfen“, sagte Reiner Instenberg. „Ich bin dankbar, dass ich in einem Land lebe, wo die Presse frei berichten kann“, sagte Wilfried Wollenberg.

Was die Sache mit dem Verrat des Dienstgeheimnisses betrifft, so ist eines klar: Die Informationen über Florian M. haben noch am selben Tag das Rathaus verlassen. Wenn nicht der Oberbürgermeister geplaudert hat, dann einer von wenigen anderen Personen. Bisher ist bekannt, dass inklusive Oberbürgermeister vier Mitarbeiter Bescheid wussten.

Alle Informationen rund um die Wahlfälschung in Stendal und deren Aufarbeitung gibt es in einem Dossier.