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Wahlskandal Eine frühe Info über die Wahl-Fälschung

Wer wusste im Kreistag Stendal am 3. Juli 2014 bereits, dass eine Fälschung die Briefwahl vom Mai überschattete?

08.09.2016, 23:01

Stendal l Der Oberbürgermeister wurde in dieser Woche am Montagabend im Stadtrat für seine Verhältnisse fast laut: „Das ist mit mir nicht zu machen“, rief er Fraktionschef Reiner Instenberg (SPD) zu. Dieser hatte ihn zuvor kritisiert: „Sie wussten im Juli 2014 die Namen der zwölf Bevollmächtigten, aber Sie haben nicht ein Wort im Kreistag gesagt.“

Der Sozialdemokrat bezog dies insbesondere darauf, dass sich CDU-Kreispartei- und -fraktionschef Wolfgang Kühnel unter den Bevollmächtigten befand. Dieser hatte damals im Kreistag auch das Wort ergriffen, kein Wort von seiner Rolle erwähnt, aber vehement – und erfolgreich – für die Anerkennung des Briefwahl- ergebnisses plädiert.

Schmotz war am Montag jedoch ein anderer Aspekt wichtig. So stellte er klar: „Die Kenntnis der zwölf Bevollmächtigten war noch nicht in Verbindung mit manipulierten Unterschriften zu bringen.“

Das stimmt indes nicht. Dem OB lag nach Erkenntnissen der Strafermittler bereits am Morgen der Kreistagssitzung eine E-Mail von Florian M. vor, in der dieser auf eine Fälschung bei der Wahl hingewiesen hatte.

Florian M. gehört zu den zehn Stendalern, die am Wahltag 25. Mai 2014 im Wahllokal erschienen waren und denen man sagte, sie hätten bereits per Brief gewählt. Er musste dann ins Briefwahllokal, bevor er dann abstimmen durfte.

Nachdem Stadtwahlleiter Axel Kleefeldt Ende Juni 2014 öffentlich einräumen musste, dass man im Rathaus am Ende in 189 Fällen gegen die Vierer-Regelung bei Vollmachten verstoßen hatte, meldete sich Florian M. am 1. Juli um 16.17 Uhr bei Kleefeldt.

In der Mail, die M. der Volksstimme zur Kenntnis gab, heißt es unter anderem: „Bevor ich das Briefwahllokal wieder verließ, wurde mir die Vollmacht gezeigt, mit der meine Briefwahlunterlagen abgeholt worden waren. Darunter sah ich eine Unterschrift, die meiner Unterschrift ähnlich sah, aber niemals von mir gezeichnet worden war! Abgeholt wurden meine Briefwahlunterlagen, meiner Erinnerung nach, von einem Herrn M (voller Name hier abgekürzt, d. Red.).“

„Herr M“ – das ist Wolfgang M., einer der zwölf Bevollmächtigten, deren Namen der Oberbürgermeister nach eigenen Angaben seit Ende Juni 2014 kannte. Es waren insgesamt 17 Vollmachten auf Wolfgang M. ausgestellt. Neben der von Florian M. sind 13 weitere davon nach Erkenntnissen der Ermittler vom ehemaligen CDU-Stadtrat Holger Gebhardt gefälscht worden.

Der damals in Barcelona weilende Stadtwahlleiter liest die Mail von Florian M. erst am 3. Juli, antwortet ihm aber umgehend und bittet ihn, sich direkt mit seinem Stellvertreter Rüdiger Hell in Verbindung zu setzen.

Florian M. bestätigte der Volksstimme, dass Kleefeldts Mail am 3. Juli um 9.23 Uhr bei ihm einging. Und er konnte auch sehen, wen Kleefeldt ins „cc“ gesetzt hatte: Neben Hell waren es der Büroleiter des Oberbürgermeisters, Klaus Ortmann, und Klaus Schmotz selbst.

Klaus Schmotz hatte damit einen halben Tag bevor der Kreistag tagte, eine entscheidende Information vorliegen.

Wie es weiterging? Florian M. meldet sich umgehend bei Rechtsamtsleiter Hell. Am späten Nachmittag des gleichen Tages kommt es zu einem Treffen von M. mit Hell und Ortmann im Rathaus. An dessen Ende steht eine eidesstattliche Erklärung, dass seine Unterschrift gefälscht worden ist und er nie eine Vollmacht an Wolfgang M. erteilt hat.

Der Oberbürgermeister wird darüber noch am Abend per Mail von seinem Büroleiter in Kenntnis gesetzt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kreistag wenige Minuten zuvor die Wahl für gültig erklärt.

Daher hatte Schmotz bislang stets argumentiert, vor der Abstimmung von einer Fälschung nichts gewusst zu haben. Dass er bereits in den Mailverkehr am Vormittag eingebunden war, hatten der Oberbürgermeister und der damalige Wahlleiter bei den intensiven Befragungen der Stadtpolitiker bislang verschwiegen.

Axel Kleefeldt wird an dem Abend von Rüdiger Hell ebenfalls über die eidesstattliche Versicherung informiert.

Kleefeldt liest diese Mail erst am nächsten Morgen. Um 9.05 Uhr erteilt er in seiner Antwort an Hell den Auftrag, eine Strafanzeige vorzubereiten.

Um 9.16 Uhr stellt er am gleichen Morgen den kompletten Maildialog in dieser Angelegenheit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Hardy Peter Güssau zur Verfügung und fügt an, das „ändert alles“.

Güssau sendet die brisante Fracht direkt an CDU-Kreischef Kühnel weiter. Kleefeldt schickt im Laufe des Vormittags weitere Nachrichten an Güssau. Dieser hält weiter Draht mit Wolfgang Kühnel.

Auf Kühnels iPad fanden die Ermittler schließlich den pikanten Mailverkehr.