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Winckelmann Antike-Forscher für moderne Leser

Über den Stendaler Antike-Forscher Winckelmann gibt es Biografisches und Belletristisches zu lesen. Eine Buchhändlerin blättert mal rein.

Von Nora Knappe 25.03.2017, 00:01

Stendal l Eine Straße, ein Platz, ein Museum, ein Gymnasium, eine Buchhandlung, ein Café und eine Apotheke tragen in Stendal seinen Namen – doch obwohl Johann Joachim Winckelmann in seiner Geburtsstadt sehr präsent ist, weiß nicht unbedingt jeder Stendaler etwas mit ihm anzufangen. Und mal ehrlich, auch beim größten Interesse an dem Altertumsforscher und Begründer der klassischen Archäologie: Will man deshalb gleich seine Schriften und wissenschaftlichen Abhandlungen lesen?

Will man womöglich nicht. Was einen aber nicht daran hindern sollte, doch ein bisschen was über den berühmten Stendaler, über sein Leben und sein Wirken zu erfahren – zumal im Jubiläumsjahr 2017 zum 300. Geburtstag Winckelmanns. Und das geht eben auch in belletristischer Form.

Die Winckelmann-Buchhandlung als Anlaufpunkt liegt da natürlich nahe. Wenngleich Inhaberin Annette Mäcker nicht automatisch eine Winckelmann-Expertin ist, hat sie, wenn sie schon in der so benannten Buchhandlung arbeitet, auch einiges über ihn gelesen. Oder weiß zumindest, was es so gibt.

Explizit für junge Leser, aber sicher auch für Winckelmann-Einsteiger gut geeignet ist „Flammendes Leben“ von Jutta Hecker. „Es ist eher leichte Kost, wie ein Roman geschrieben, schildert seinen Werdegang sehr bildhaft und ist schön illustriert“, fasst Annette Mäcker zusammen.

Ihre Lieblingsbiografie ist seit knapp drei Jahren auf dem Markt und wurde von Klaus-Werner Haupt verfasst. Auch wenn sie ihm nicht verzeiht, dass der Titel „Johann Winckelmann“ den Namen unnötigerweise verstümmelt, ist das Buch aus ihrer Sicht „gründlich recherchiert, der Autor hat Originalschauplätze aus Winckelmanns Leben aufgesucht, man erfährt wirklich alles und es ist angenehm zu lesen“.

Ähnlich wissensreich und umfänglich ist die Biografie „Winckelmann – Ein Leben für Apoll“ von Wolfgang Leppmann. Bis vor wenigen Tagen glaubte Annette Mäcker das Buch noch antiquarisch, bis sie diese Woche auf die ganz frische Neuauflage als Taschenbuch aufmerksam wurde. „Die Herangehensweise ist eine andere als bei Haupt. Und man sollte wissen, dass es nur Text ist, ohne Illustrationen. Aber auch sehr gut lesbar.“

Als „eine sehr anspruchsvolle Biografie“ schätzt Mäcker „Der verworfene Stein“ von Wolfgang von Wangenheim ein. Vielleicht auch nicht jedermanns Sache, legt der Autor doch einen Schwerpunkt auf Winckelmanns Homosexualität und deren Rolle in seiner Betrachtung der griechischen Antike, ihren Einfluss auf sein Werk.

Dieser vermeintliche Nebenaspekt – der ja auch bei seinem Tod durchaus von Bedeutung war, denn zu seinem Mörder soll eine erotische Liaison bestanden haben – wird in der Biografie Winckelmanns auf der Homepage der Winckelmann-Gesellschaft erstaunlicherweise gar nicht erwähnt.

Abgesehen von den schriftlich-literarischen Werken über Johann Joachim Winckelmann wurde sein Leben oder vielmehr sein Tod auch mehrfach als Hörspiel verarbeitet. „Präfekt mit Stichwunden. Sentimentale Dokumentation zur Ermordung Winckelmanns“ wurde 1975 von Radio Bremen gesendet; aus neuerer Zeit stammen „Die Affäre Winckelmann“, eine Produktion von MDR und ORF von 2009, sowie „Schöne Welt wo bist du? Wege zu Johann Joachim Winckelmann“, eine Autorenproduktion im Auftrag des Deutschlandfunks 2011.

Wenn Annette Mäcker an diesem Wochenende auf der Leipziger Buchmesse zu Besuch ist, will sie auch Ausschau halten, ob sie die zwei avisierten Neuerscheinungen zu Winckelmann entdeckt. Gleich im April erscheint „Winckelmann – Moderne Antike“, ein nach Verlagsangaben „reich bebildertes Grundlagenwerk“ von Wolfgang Holler. Und für Juni ist das „Winckelmann-Handbuch“ von Martin Disselkamp angekündigt, in dessen Mittelpunkt die Schriften Winckelmanns stehen sowie die Rezeption in Literatur, Kunst und Wissenschaft.

Wenngleich Literatur über Johann Joachim Winckelmann kein Renner ist, würde sie in ihrer Buchhandlung doch oft nachgefragt, sagt Mäcker: „Vor allem Touristen und Kunstliebhaber, die im Winckelmann-Museum waren, wollen gern eine Biografie mitnehmen.“

Ihr persönliches Interesse an Winckelmann und seinem Leben sei dadurch gewachsen, dass sie 1986 in der Winckelmann-Buchhandlung anfing. „Ich bewundere ihn im Allgemeinen, er hat enormes Wissen gehabt, und seine Formel ‚Edle Einfalt und stille Größe‘ finde ich sehr schön.“ Um eine Biografie zu lesen, müsse man natürlich den Kopf frei haben, räumt die Buchhändlerin ein. „Aber wenn man dann einmal angefangen hat, kriegt man gleich Lust, auf seinen Spuren zu wandeln.“