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Zucht Kaninchennachwuchs wird vermessen

Stendaler Kaninchenzüchter lassen ihre Jungtiere bewerten. Im August gibt es einen kreisweiten Vergleich.

Von Nora Knappe 24.07.2017, 01:01

Stendal/Wahrburg l Für den Laien sind sie putzig, flauschig, süß... Für Züchter und Preisrichter aber geht es schlichtweg um Gewicht, Körperbau, Typ, Fell und Farbe. Sind die Krallen intakt, ist der Rücken schön gleichmäßig, sind die Geschlechtsorgane gesund? Darauf achtet der Kennerblick und -tastsinn. Nüchtern und pragmatisch, aber doch irgendwie auch liebevoll. So sieht es jedenfalls aus, als Karl-Heinz Herrmann die ihm vorgestellten Kaninchen am Sonnabend in Wahrburg unter die Lupe nimmt. Die Lupe sind in diesem Fall einfach seine Hände und seine Augen. Er erfühlt und sieht ziemlich schnell, wenn etwas nicht stimmt.

Die Jungtier-Bewertung findet jedes Jahr etwa um diese Zeit statt, dann stellen die Züchter ihren unter sechs Monate alten Kaninchennachwuchs vor. Die Mitglieder des Stendaler Rassekaninchenzuchtvereins G  257 nennen das Ganze sportlich Rallye, auch wenn es hier nicht um einen Wettlauf geht, sondern in Ruhe ein Tier nach dem anderen auf den Kistentisch gesetzt wird, wo Zollstock, Liste und Taschenrechner parat liegen. „Die Tiere entwickeln sich ja noch, aber man erkennt schon ihre Stärken und Schwächen“, erklärt Karl-Heinz Herrmann aus dem Altmarkkreis Salzwedel, der als Preisrichter nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern auch in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern unterwegs ist.

Etwa 60 Tiere begutachtet er an diesem Tag auf dem Gelände des Lehmhausvereins Wahrburg. „Es ist im Grunde eine Vorbereitung für die Ausstellungssaison“, erklärt Peter Müller, seit 2014 Vereinsvorsitzender. „Hier kriegt jeder Züchter detailliert zu erfahren, wie weit die Tiere sind, welche Fehler sie haben.“ Sein langjähriger Vorgänger Detlef Krause ergänzt: „Die Tiere mit den meisten Vorzügen nimmt man zur Weiterzucht.“

Nico Winkelmann aus Arneburg ist mit seinen fast 35 Jahren der Jüngste im Verein. Elf Deutsche Widder wildfarben hat er heute mitgebracht, ist gespannt, was der Preisrichter sagt. Und so erfährt er, dass einem seiner Rammler die Hoden fehlen, dass bei einer Häsin der „Behang“ – der Laie würde wohl Schlappohren sagen – nicht gut ausgeprägt, aber bei einer anderen „die Rundung des Rückens sehr schön“ ist. Das ein oder andere Manko wird sich noch verwachsen, aber auch mit einem Futterwechsel will es Winkelmann mal probieren. Kaninchen hat er schon länger, mit der Zucht hat er aber erst dieses Jahr angefangen. „Er ist ein Tierfreund durch und durch“, sagt ein Vereinskollege über ihn. Puten, Hühner, Flug- und Laufenten hat Winkelmann nämlich außerdem.

Nicht nur der Ehrgeiz, Preise zu gewinnen, bewegt die Züchter. Es ist eine besondere Begeisterung. Peter Müller sagt es so: „Wenn ich gestresst von der Arbeit komme und dann zu den Tieren gehe und sie streichle, dann komme ich zur Ruhe.“ Und deshalb hat er seinen Garten auch ganz auf Kaninchen eingestellt. Also, Salat und Möhren? „Ja, genau, alles zum Verfüttern.“

Wenn dann jetzt noch die Sorge, ob eines seiner Tiere mit dem derzeit grassierenden Virus RHDV-2 infiziert ist, aufgelöst wäre, könnte er sich auch wieder auf die kommenden Termine freuen: Als Nächstes steht im August die Kreisjungtierschau in Nitzow an. Da dürfte man das ein oder andere Kaninchen, das heute auf dem Tisch am Wahrburger Lehmhaus saß, wohl wiedersehen.