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Prozess gegen querulanten Angeklagten gestern mit großem Aufwand am Amtsgericht Zwölf Beamte sichern Gerichtssaal 102

Von Wolfgang Biermann 17.01.2013, 01:16

Weil er seinen Pflichtverteidiger tätlich angegriffen hatte, ist ein 41-jähriger Mann aus dem Bördekreis gestern am Amtsgericht zu acht Monaten Gefängnis verurteilt worden. Der Prozess musste aufwendig gesichert werden, im Saal kam es zu turbulenten Szenen.

Stendal l Ein Großaufgebot von zwölf Justiz- und Polizeibeamten sicherte gestern vor und im Amtsgericht den Prozess gegen einen vielfach vorbestraften Mann aus dem Bördekreis. Der 41-Jährige war angeklagt, seinen Verteidiger im Landgericht Stendal beleidigt, genötigt und körperlich angegangen zu haben.

Am Ende des nicht alltäglichen, ja zeitweise turbulenten Prozesstages verkündete Richterin Petra Ludwig, die resolut und souverän das Feld beherrschte, das Urteil: acht Monate Gefängnis ohne Bewährung. Sie sah es als erwiesen an, dass der gebürtige Staßfurter Christian S. Rechtsanwalt Wolfgang P. aus Klötze am 24. August 2012 im Anwaltszimmer des Landgerichts Stendal mit "Verpiss dich" beleidigt und zu Fall gebracht hat.

Christian S. ist im Landgericht in einem langwierigen Verfahren, das noch nicht beendet ist, des versuchten betrügerischen Verkaufs von ihm nicht gehörendem Stahl angeklagt. P. war ihm als "ungeliebter" Pflichtverteidiger beigeordnet worden, nach dem S. schon mehrere Anwälte geschasst hatte (Volksstimme berichtete). Wie gestern bekannt wurde, soll S. noch eine weitere Anwältin beschimpft und bedroht haben.

Prozess-Chronologie:

8.25 Uhr: S. gibt noch vor der Eröffnung der Verhandlung einen Befangenheitsantrag gegen Richterin Ludwig ab.

10.05 Uhr: S. gibt einen zweiten Befangenheitsantrag gegen den über den ersten Antrag befindenden Richter ab.

11.04 Uhr: Richter Thomas Schulz erklärt, dass die Befangenheitsanträge gegen Richterin Ludwig und gegen ihn selbst abgelehnt beziehungsweise unzulässig seien, weil sie offenbar nur der Prozessverschleppung dienen sollten.

11.15 Uhr: Der Prozess beginnt. Verteidiger Andreas Tinkl bittet das Gericht um Bestellung als Pflichtverteidiger und um Aussetzung des Prozesses. Er könne S. nicht verteidigen, weil er zu kurzfristig beauftragt worden sei.

11.25 Uhr: Richterin Ludwig lehnt Tinkls Anträge allesamt ab: "Das ist kein Fall notwendiger Verteidigung."

11.32 Uhr: Tinkl verlässt nach der Ankündigung "ich packe jetzt meine Koffer" den Saal. Kurz darauf stürzen die Anwälte Heiko Schönfelder und Sascha Lübbersmann herein und übernehmen den Part des querulanten Konfliktverteidigers. Sie stellen dieselben Anträge wie Vorgänger Kinkl und bekommen dieselben Bescheide: "abgelehnt!"

11.40 Uhr: Die Vernehmung des Opfers Wolfgang P. als Zeuge beginnt. Er bestätigt, was in der Anklage steht. Die Verteidiger versuchen, ihn durch Fragen zu verunsichern. Auch stellen sie unentwegt weitere Anträge und fordern mehrfach Pausen, bekommen sie aber nicht. Ludwig: "Ich lasse mir die Verhandlungsführung nicht aus der Hand nehmen."

13.15 Uhr: Richter Gundolf Rüge vom Landgericht sagt aus, dass ihn Anwalt P. am Tattag vom Geschehen informierte und er ihn daraufhin vom Mandat entbunden hat.

14.07 Uhr: Staatsanwalt Bernd Blasczyk beginnt mit seinem Plädoyer, nach dem die Beweisaufnahme geschlossen ist. Er feuert in Richtung Verteidiger: Ich habe den Eindruck, dass hier die "Strafprozessordnung zur Hure gemacht werden soll" und fordert zehn Monate Gefängnis für S. Die Verteidiger reagieren mit dem Ablassen markiger Worte und plädieren für Freispruch.

14.40 Uhr: Richterin Petra Ludwig verurteilt S., ebenfalls mit markigen Worten in Richtung Verteidiger unterlegt, zu acht Monaten Gefängnis.