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Süße Tour Ein Dorf, eine Rübe und ein süßer Tag

Die bereits neunte „Süße Tour“ hat auch in diesem Jahr wieder hunderte Besucher nach Klein Wanzleben gelockt.

Von Sabrina Trieger 19.10.2015, 01:01

Klein Wanzleben l „Süßes geht immer“, sagt Zuckerdorf-Koch Christian Trieger beim Anrühren seines Rübensaft-Parfaits. Sahne, Eigelb, Butter, Zucker und Rübensaft – nach einer Nacht im Eisschrank steht die süße Köstlichkeit zum Genießen bereit. Doch nicht nur das Dessert kommt zum Tag der süßen Tour zuckerrübensüß daher. Der 38-Jährige kreiert aus der süßen Knolle ein komplettes Menü. Als Gruß aus der Küche bekommen die Gäste eingelegte Rübchen und gebeizten Rübenschinken, sowie selbstgebackene Mini-Brötchen in Zuckerrübenform nebst Schmalz gereicht. „Die Ausstechform für die Rüben-Brötchen habe ich selbst angefertigt“, erklärt Trieger, der am Sonnabend neben knapp 300 Brötchen auch Zuckerkuchen aus dem Ofen gezogen hatte. Das süße Gebäck ließen sich die Besucher, die sich den hiesigen „Zuckerdom“, die St.-Johannis-Kirche, anschauten, schmecken.

In Vorbereitung auf den Aktionstag hatte der Küchenchef bereits fünf Tage zuvor den Kochlöffel schwingen müssen. „Solange muss der Braten in einer Beize aus Rübensaft ziehen“, erklärt der 38-Jährige, der das Rezept für die herzhafte Spezialität, die mittlerweile schon über die Zuckerdorfgrenzen hinaus Kultstatus genießt, gemeinsam mit seinem Vater Hanno vor mehr als zehn Jahren kreiert hatte.

Bereits seit 24 Jahren, und damit auch schon seit neun „süßen Tour“-Jahren servieren Hanno und Christian Trieger im Klein Wanzleber „Casino“ Gerichte rund um die Rübe. Kein Wunder. Gilt Klein Wanzleben doch als Wiege des Zuckerrübenanbaus. Bereits seit mehr 177 Jahren gilt der Ort als Hochburg der Zuckerproduktion.

Für den Tag der „Süßen Tour“, der am Sonnabend in 28 Orten 41 Angebote für Besucher bereit hielt, hatten sich auch die Klein Wanzleber wieder „eine Rübe“ gemacht. Allein im Zuckerdorf öffnen fünf Stationen ihre Pforten. So auch die Zuckerfabrik. Rund 100 Besucher schauten zu den vier angebotenen Betriebsführungen vorbei. Darunter auch die im Rahmen des Aktionstages in Magdeburg gestarteten Fahrradtour-Teilnehmer. Nach rund 40 über Bottmersdorf und Blumenberg gefahrenen Kilometern erreichen die Radler ihr Ziel – die weißen Silotürme. „Aufgrund des Regenwetters sind wir in diesem Jahr leider nur zu dritt“, erklärt Tour-Guide Klaus Schmeißer. „In den vergangenen Jahren waren wir immer um die 30 Radfahrer“, sagt er.

Seit Ende September läuft die diesjährige Rübenkampagne hier bereits Hochtouren. Das Kampagneende wird nach durchschnittlich 94 Tagen noch vor dem Jahreswechsel erwartet. Von Montag bis Sonnabend steuern täglich rund 800 Lkw die Zuckerfabrik aus allen Himmelsrichtungen an. Pro Tag erreichen so 20 000 bis 22 000 Tonnen Rüben das Betriebsgelände. „In diesem Jahr liegt der Zuckeranteil in der Rübe bei 17 Prozent“, berichtet Werksleiter Udo Harten.

„Vor rund 160 Jahren lag der noch bei acht Prozent“, weiß Dr. Wolfgang Joachim, Leiter der Klein Wanzleber Saatzuchtstation, zu berichten.

Um optimale Züchtungsergebnisse, damit jede Rübenpflanze auf dem Feld möglichst viel Zucker produziert, kümmern sich hier in Nachbarschaft zur Zuckerfabrik die 46 Mitarbeiter der Klein Wanzleber Saatzucht (KWS). 1856 im Zuckerdorf gegründet, feiert das Unternehmen, das mittlerweile in über 70 Ländern rund 5000 Mitarbeiter beschäftigt, nächstes Jahr hier sein 160-jähriges Jubiläum. „1856 hatte der Zuckerrübenzüchter Matthias Christian Rabbethge, als Gründer des Saatzuchtunternehmen KWS, in Klein Wanzleben die Aktienmehrheit erzielt“, erzählt Dr. Erhard Junghans. Dieses historische Datum ist sogar im Wanzleber Stadtarchiv nachzulesen, merkt er an. Geschichtsinteressierte besuchten am Sonnabend auch das Zuckermuseum, das sich im ehemaligen Rathaus befindet.

Einen Einblick in die KWS-Firmengeschichte gab derweil Zuchtstationsleiter Dr. Wolfgang Joachim. Er und sein Team begrüßten zum Tag der süßen Tour rund 100 Besucher. Im Gewächshaus, im Rübenlabor und in der Saataufbereitung erklärte er den Zuhörern, was für die Pflanzenzucht entscheidend ist. Einen Blick hinter die Kulissen warfen hier auch die Mitglieder der Kreissynode vom Kirchenkreis Egeln. „Wir tagen zweimal pro Jahr. Dieses Mal verbinden wir unser Treffen mit dem Besuch der süßen Tour“, zeigte sich Erik Hannen, Präses der Kreissynode, von den Angeboten im Zuckerdorf begeistert.