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DDR-Museum Ostalgie-Kabinett sucht neue Bleibe

Das "Ostagie-Kabinett" Langenweddingen sucht eine Bleibe. Das Haus, in dem das DDR-Museum untergebracht ist, weicht einem Kita-Neubau.

Von Sebastian Pötzsch 25.01.2018, 17:03

Langenweddingen l Am Mittwochvormittag noch herrschte in der Langen Straße 35 in Langenweddingen Superstimmung. Sachsen-Anhalts Finanzminister André Schröder war angereist, um einen Fördermittelbescheid in Höhe von 2,17 Millionen Euro zu übergeben. Mit diesem Geld und einem zinslosen Darlehen der Investitionsbank soll in den kommenden Jahren die Kita „Spatzennest“ einen Ersatzneubau erhalten.

Um Platz zu schaffen, müssen die alten Gebäude auf dem Grundstück abgerissen werden. In einem der gemeindeeigenen Häuser ist seit Jahren das weit über die Region hinaus bekannte „Ostalgie-Kabinett“ untergebracht. Hier sind sie alle vereint: das „Action“-Haarspray, die Wisent-Jeanshose, „Essengeldturnschuhe“, der Fernseher „Colormat“ und all die anderen Alltagsgegenstände, die das Leben in der DDR begleiteten - nur echt mit EVP-Schild, also dem „Einheitlichen Verkaufspreis“.

Doch damit ist es bald vorbei – zumindest am alten Standort in der Langen Straße. „Der Bürgermeister hat mich vor einer Woche zu sich eingeladen und mir die Umstände erklärt. Dass wir raus müssen, hat mich natürlich völlig überrascht“, erinnert sich Dirk Grüner. Seit 2003 sammelten er und seine Eltern Erika und Bernd DDR-Alltagsgegenstände sowie typische Ost-Produkte und machten sie seit 2004 auf drei Etagen und mehr als 300 Quadratmetern der Öffentlichkeit zugänglich. Rund 30.000 Exponate sind bisher zusammengekommen. Für ihr Engagement zur Dokumentation von Geschichte erhielten sie im Jahr 2010 sogar die „Ehrennadel des Landes Sachsen-Anhalt“.

„Da es über zehn Jahre nach der Wende noch kein DDR-Museum in unserer Nähe gab, dachten wir uns, dieses ins Leben zu rufen“, erzählt Dirk Grüner. Dass aus dieser Idee – gepaart mit viel Akribie, zeitlicher Hingabe und Enthusiasmus – später ein derart ausfüllendes Hobby und damit das einmalige Museum entstehen würde, hätten sich die Grüners nicht träumen lassen. In der Anfangszeit hatte die Familie ihre Fühler ausgestreckt und Kollegen, Bekannte und Familienmitglieder aufgerufen, in Kisten, Kellern und auf Böden nach alten Relikten zu suchen, um das Projekt mit DDR-Exponaten zu füllen. Von den etlichen Einzelstücken hätten Vater, Mutter und Sohn mehr als 50 Prozent teils auf Trödelmärkten und teils über Internet-Auktionshäuser gekauft oder ersteigert.

Auch in die Immobilie, für das Museum von der Gemeinde kostenfrei zur Verfügung gestellt, haben die Grüners einiges investiert. So wurden beispielsweise zwei neue Treppen aus Buchenholz installiert sowie der Dachboden ausgebaut. „Wieviel Geld wir insgesamt ausgegeben haben, wissen wir nicht. Wir führen kein Buch, sondern machen das Ganze ja aus einem Hobby heraus“, betont der Museumsbetreiber.

„Nun will man uns hier unser Herz herausreißen“, sagt Dirk Grüner weiter. Nicht, dass er und seine Eltern etwas gegen den Kita-Neubau hätten. „Im Gegenteil, Kinder liegen uns sehr am Herzen. Trotzdem tut das schon weh.“ Seiner Meinung nach hätte der Bürgermeister schon viel früher informieren müssen. „Ich finde es mehr als bedauerlich, dass sämtliche Entscheidungsträger, die teils in unserer Nachbarschaft wohnen, sich nicht einfach bei uns gemeldet haben, um zu erklären, das Gebäude könnte wegen des Kita-Neubaus abgerissen werden. Das hat uns völlig vor den Kopf gestoßen“, sagt Dirk Grüner. Überhaupt finde er es schade, dass ein völlig intaktes Haus nun weichen muss.

„Wie es jetzt weitergehen soll, wissen wir im Grunde noch nicht“, erzählt der „Ostalgie“-Chef. Mehrere Optionen stünden zur Debatte. Für alle fehlten jedoch bisher die geeigneten Räumlichkeiten. „Zunächst benötigen wir zumindest Unterstellmöglichkeiten, in denen wir als Übergang unsere Exponate lagern können. Zweitens würden wir das Museum gerne weiterbetreiben. Doch auch hierfür fehlen uns die Räumlichkeiten“, zählt Grüner auf und hofft, dass sich ein Interessent meldet und helfen kann. Auch könnte er sich einen neuen Standort vorstellen, vielleicht das Museum sogar in Magdeburg neu eröffnen. „Ich hoffe, dass sich jemand findet, der darauf richtig Lust hat“, so der Langenweddinger.

Der Verkauf der vielen tausend Exponate sei für ihn und seine Eltern die letzte Option. „Ich kann mir vorstellen, dass es sehr schwer sein wird, einen Preis zu ermitteln und diesen dann auch zu bekommen – von den ideellen Werten ganz zu schweigen“, meint Grüner. Einzelne Stücke würden im Internet vierstellig gehandelt, so beispielsweise bestimmte Uhren der Marke Glashütte.

Sülzetals Bürgermeister Jörg Methner (SPD) bezeichnete die aktuelle Lage der „Ostalgie“-Betreiber selbst „sehr bedauerlich“. „Leider konnten wir den Grüners vorher nicht Bescheid geben, weil wir doch bis zum Schluss nicht wussten, ob der Fördermittelantrag für den Kita-Ersatzneubau überhaupt bewilligt werden wird“, erklärt der Rathauschef auf Volksstimme-Nachfrage. Im Vorfeld die Pferde scheu zu machen, habe er als nicht richtig empfunden. Allerdings hätten die Betreiber bis Ende des Jahres Zeit, sich eine neue Bleibe zu suchen und den Betrieb während der Sommersaison laufen zu lassen. „Erst dann sollen die Bauarbeiten für den Kita-Ersatzneubau beginnen“, berichtet Methner, der den Grüners seine Unterstützung anbietet.

Auch Ortsbürgermeisterin Jutta Spurek (Die Linke) hat der Familie Beistand zugesagt. „Ich hoffe, dass ich den Grüners bei der Suche nach einem geeigneten Objekt behilflich sein kann“, sagte die Ortsvorsteherin.

Obwohl der Abriss des Museumsgebäudes erst für Ende des Jahres vorgesehen ist, wollen die Grüners das „Ostalgie-Kabinett“ nicht die gesamte Sommersaison öffnen. „Wir nutzen die Osterfeiertage, den 1. Mai sowie die Pfingstfeiertage, an denen unsere Türen für Besucher offen stehen. Danach werden wir schließen“, plant der Betreiber. Er rechnet mit mehr als 400 Umzugskisten, die für die abertausenden Ausstellungsstücke benötigt werden. „Das Räumen des Gebäudes in nur wenigen Wochen wäre einfach nicht zu schaffen“, meint Museumsbetreiber Dirk Grüner.