1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wanzleben
  6. >
  7. Post in die Zukunft eingemauert

Gedenktafel Post in die Zukunft eingemauert

In Domersleben hat die Heimatstube die Gedenktafel an das verheerende Hochwasser vor 100 Jahren erneuern lassen.

Von Mathias Müller 22.06.2018, 01:01

Domersleben l Großer Auflauf im sonst vormittags eher beschaulichen Domersleben. Vor der alten Dorfbäckerei in der Friedensstraße 36c haben es sich auf der Straßenseite gegenüber im Schatten einige ältere Einwohner bequem gemacht. Sie warten geduldig auf eine Schulklasse, die einem besonderen Augenblick beiwohnen will. Dem Einbau einer neuen Sandsteinplatte, die an das schlimme Hochwasser in Domersleben am 29. April 1918 erinnert.

Dann biegen die Mädchen und Jungen der Klasse vier der Grundschule „Martin Selber“ Domersleben mit ihrer Lehrerin um die Ecke. Sie platzieren sich vor der Giebelwand der alten Dorfbäckerei. Dort klafft im Mauerwerk, in dem der alte Ton zu sehen ist, ein Loch. Dort markiert einhundert Jahre lang eine Sandsteintafel die Höhe des Hochwassers, das das Dorf und seine Einwohner heimsuchte.

„Viele Domersleber haben damals ihr Hab und Gut verloren“, sagt Uwe Mattick von der Heimatstube, die dem Förderverein Domersleben angeschlossen ist, zu den Schulkindern. Der Nachwuchs beschäftigt sich im Sachkundeunterricht mit dem historischen Ereignis und den Auswirkungen auf die Menschen. Zusammen mit der Steinmetz- und Steinbildhauermeisterin Cathrin Bothmann aus Groß Rodensleben bereitet Mattick den neuen Sandstein für das Einsetzen ins Mauerwerk vor. Die Restauratorin schmiert Mörtel hinter und an die Seitenkanten des Steins.

Zusammen mit Mattick hievt die Meisterin den etwa 50 Kilogramm schweren Stein in das Loch in der Mauer und bringt ihn per Augenmaß, Wasserwaage und Zollstock in die richtige Position. Kleine Keile aus Holz halten den Stein in seiner Position, so dass ihn Cathrin Bothmann in aller Ruhe und Sorgfalt mit dem restlichen Mörtel verschmieren kann. Wie sie sagt, handelt es sich dabei um Oberkirchner Sandstein aus einem Bruch in der Nähe von Hannover. Das sei ein sehr festes, witterungsbeständiges Material mit einer hohen Dichte und einem Anteil von 99 Prozent Quarz. „Der Stein überlebt uns alle“, sagt die Handwerkerin. Die alte Gedenktafel aus Sandstein, die 100 Jahre überdauert hat, findet ihren Platz in der Heimatstube.

Mit dem Einsetzen der neuen Sandsteintafel mit der Inschrift „Höhe des Wasserstandes bei der Überschwemmung am 29. April 1918“ hat die Heimatstube auch eine Zeitkapsel aus V4A-Stahl installieren lassen. Wie Mattick sagt, befinden sich darin zwei elektronische Speichermedien mit digitalisierten historischen Unterlagen des Dorfes wie Chronik, Fotos von Häusern und Einwohnern, Karten bis hin zu aktuellen Aktivitäten der Heimatstube. Darauf können die Nachfahren der heutigen Domersleber in ferner Zukunft auch nachlesen, wie es zu der Erneuerung der Gedenktafel im Juni 2018 kam.

Uwe Mattick hatte einen Tag vor dem Gedenken an das Hochwasser vor 100 Jahren am 28. April 2018 einen Beitrag in der Wanzleber Volksstimme veröffentlicht und an das verheerende Ereignis erinnert. Darin eingebettet war ein Spendenaufruf, um die Anschaffung einer neuen Gedenktafel finanzieren zu können. Die Namen der fast 20 Spender, darunter zwei Firmen, Privatleute, die Stadt Wanzleben und die Heimatstube, sind in den Dokumenten in der Zeitkapsel nachzulesen.

„Wir bedanken uns bei allen und wünschen uns, dass diese Zeitkapsel gefunden wird und in der Zukunft auch noch Mitbürger für die Geschichte unseres Dorfes aktiv sind und diese pflegen“, heißt es in dem Brief an die Domersleber der Zukunft. Wie Mattick sagt, soll die Zeitkapsel frühestens im Jahr 2056 geöffnet werden. Dann feiert Domersleben seinen 1000. Geburtstag. Sie sei quasi „eine Post in die Zukunft“.

Als zusätzliches Dankeschön bedenkt die Heimatstube alle Spender mit einem Druckwerk, das als Postkarte „Grüße aus Domersleben“ versendet werden kann. Dankbar sind die Heimatfreunde ebenso der Domersleberin Daniela Schulze. Ihr gehört jetzt die alte Dorfbäckerei und sie hat es ermöglicht, dass die neue Sandsteintafel ins Mauerwerk eingelassen werden durfte. Ebenso dankt der Heimatverein Frank Sobirey für die fachliche Beratung und der Restaurtorin Cathrin Bothmann für die exzellente Ausführung der Arbeiten.