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Interview „Ich bin unbequem und bleibe es“

Vor 100 Tagen ist Jan Richter zum Dreileber Ortsbürgermeister gewählt worden. Im Volksstimme-Interview blickt er zurück.

Von Detlef Eicke 22.08.2016, 01:01

 

Volksstimme: Herr Richter, Sie sind seit drei Monaten Dreilebens Ortsbürgermeister. Lange Zeit gab es eine Hängepartie und die Besetzung dieses Amtes. Was hat Sie bewogen, sich als quasi Neu-Dreilebener um diese Funktion zu bewerben?

Jan Richter: Die Unentschlossenheit der Einwohner Dreilebens hat mich bewogen, mich zur Wahl zu stellen. Schon kurz, nachdem ich hergezogen war, fielen mir etliche kleine ‚Baustellen‘ im Dorf auf, die mit etwas Gemeinsinn leicht zu beheben wären. Ich kannte bis dato nur wenige Dreilebener, welche mir jedoch zutrauten, den Ort wieder auf Kurs zu bringen und für alle Einwohner zu einem lebendigen Dorf in der Region zu machen. Ich denke, dass ich durchaus Einiges bewegen kann und auch die Energie dazu habe. Politische Ambitionen stecken jedenfalls nicht dahinter.

Sie sind aus der pulsierenden Metropole Berlin in den Landkreis Börde gezogen. Was verschlägt einen Hauptstädter ins doch eher beschauliche Dreileben?

40 Jahre Rock‘n‘Roll zollen ihren Tribut. Ich war auf der Suche nach einer Immobilie, um zwischen meinen Jobs die Ruhe genießen zu können und wurde durch Zufall auf den Kindergarten in Dreileben aufmerksam. Das Angebot war gut und die Abwicklung unkompliziert. Da ich deutschlandweit arbeite, hatte der Kindergarten für mich die perfekte Lage und so wurde es Dreileben.

Lassen Sie bitte die 100-Tage-Amtszeit Revue passieren: Wenn Sie Ihre Einarbeitungszeit bewerten, wie fällt dann Ihr Fazit aus?

Ich wurde sprichwörtlich in das ‚kalte Wasser‘ geworfen. Bis hierher war ich erst einmal damit beschäftigt, das verstaubte Gemeindebüro von überflüssigen Akten aus den 1980er und 1990er Jahre zu befreien, Ordnung zu schaffen und kleinere Projekte anzuschubsen. Ohne Mitwirken der örtlichen Bevölkerung haben sich in den letzten 20 Jahren viele Abläufe verselbstständigt, von daher liegt noch ein anstrengender Weg vor uns. Aber wie ich schon vorher gesagt habe: Ich bin unbequem und bleibe es.

Ein Dorf lebt auch immer ein Stück weit von Gemeinsamkeiten. Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit zwischen Ihnen, Ortschaftsrat und Dorfgemeinschaft?

Es mag nach knapp zwei Jahren, die ich nun hier bin, vermessen klingen, aber ich konnte bisher noch kaum Gemeinsamkeiten im Dorf ausmachen. Momentan gibt es noch zu wenige, die sich aktiv engagieren, um die Lebensqualität im Ort nach der Fusion mit Wanzleben wieder zu verbessern. Leider unterliegt der Mut, anzupacken und wirklich etwas zu bewegen, noch zu oft einer sehr tief verwurzelten Resignation. Ursache dafür könnte unter anderen das mangelnde Selbstvertrauen im Ortschaftsrat sein, eigene Ideen auch gegen Widerspruch aus den eigenen Reihen zu verfechten und als gutes Vorbild voran zu gehen.

Dreileben hat vor kurzem sein 1050-jähriges Bestehen gefeiert, durchaus eine stolze Zahl. Sehen Sie anlässlich solcher Ereignisse die Chance, eine neue Qualität des Zusammenlebens zu schaffen?

Mir persönlich war es für eine 1050 Jahrfeier zu wenig. Es war zwar durchaus der Wille zu erkennen, mal wieder ein Gemeinschaftsprojekt auf die Beine zu stellen, allerdings fehlte weiterhin die Bereitschaft, sich aktiv zu engagieren. Dies führte dazu, dass die Planung der Festivitäten dem eigensinnigen Handeln einzelner Personen unter dem Deckmantel der Vereinsarbeit überlassen blieb. Ich sehe also durchaus eine Chance, durch die Planung solcher Aktivitäten das Zusammenleben zu verbessern. Allerdings funktioniert dies nur, wenn eigene Interessen in den Hintergrund gerückt werden und Alle an einem Strang ziehen. Fazit hierzu ist: Es wird eine 1051-Jahrfeier geben, zu deren Planung ich mein Bestmögliches beitragen werde.

Das Dorf ist an manchen Orten in die Jahre gekommen. Welchen baulichen oder werterhaltenden Maßnahmen wollen Sie Priorität verleihen?

Aufgrund der Passivität meiner Vorgänger in der Debatte um die Verteilung der Sanierungsfördermittel in der Gemeinde Wanzleben steht mir im Moment wenig Spielraum für die Planung von baulichen oder werterhaltenden Maßnahmen zur Verfügung. Aufgrund der Passivität meiner Vorgänger in der Debatte um die Verteilung der Sanierungsfördermittel in der Gemeinde Wanzleben steht mir im Moment wenig Spielraum für die Planung von baulichen oder werterhaltenden Maßnahmen zur Verfügung. Hauptbedingung der Förderung war eine Vollendung der Sanierungsmaßnahmen bis zum Jahre 2018, allerdings liegt bis heute kein vollständiges Sanierungs- und Nutzungskonzept vor. Der Plan ist, gemeinsam mit den Vereinen aus Dreileben, dem Ort Dreileben und Wanzleben dieses Projekt zu stemmen, jedoch fehlt dazu auch hier die nötige Eigeninitiative. Das zweite Projekt auf meiner Agenda ist die Teichmauer des Dorfteichs. Sie ist eine Gefahr für Leib und Leben, aber ich befürchte, es muss erst ein Unglück geschehen, bevor etwas passiert. Von Straßen, Abwasser und Beleuchtung ganz zu schweigen.

Wo sehen Sie erste Erfolge?

Es hat sich eine freie Arbeitsgemeinschaft gegründet, welche sich der Verschönerung und Instandsetzung des Dorfbildes angenommen hat. Und es ist schön mit anzusehen, wie sich nach und nach Bürger mit einbringen, um den Worten auch Taten folgen zu lassen. Jedes gelungene neue Projekt ist ein kleiner Erfolg.

Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

In der Zusammenarbeit von Vereinen, Gruppen, Ortschaftsrat und Einzelpersonen, generell aller Bürger Dreilebens, mit der klaren Einstellung, dass es um Dreileben geht und nicht um persönliche Empfindlichkeiten.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit der Verwaltung der Stadt und Ihren Amtskollegen?

Über die Verwaltung kann ich nicht klagen. Sicherlich gibt es immer Möglichkeiten, etwas zu verbessern, zumal es aufgrund der schwierigen Haushaltslage hin und wieder zu Meinungsverschiedenheiten kommt, allerdings ist der Informationsaustausch gut. Mit den Amtskollegen hatte ich noch nicht so die Möglichkeit mich auszutauschen, weiß allerdings auch über die Brisanz meiner Erscheinung als Neuling auf dem Terrain.

Welche Botschaft möchten Sie den Dreilebern mit auf den Weg geben?

Nutzt die Gunst der Stunde für Euch und unseren Ort! Kommt zu den Ortsratssitzungen, geht zur Bürgermeistersprechstunde, macht Euch Luft und Platz für Neues und lasst uns gemeinsam alles versuchen und dafür tun, damit Dreileben wieder eine Zukunft hat!