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Junge Flüchtlinge Ein neues Zuhause in Wanzleben

Im ehemaligen Bildungshaus des evangelischen Kirchenkreises in Wanzleben werden minderjährige Flüchtlinge betreut. Acht sind es derzeit.

Von Sabrina Trieger 19.03.2016, 00:01

Wanzleben l „Die Wogen, die anfangs gegen die Wohnstätte für minderjährige Flüchtlinge in Wanzleben seitens einiger Bürger doch recht hochgeschlagen sind, haben sich mittlerweile geglättet“, erklärt Pfarrer Raimund Müller-Busse gleich zu Beginn des Pressegesprächs vor Ort sichtlich erleichtert.

Gemeinsam mit Wanzlebens Pfarrerin Dorothee Sparfeldt und Pfarrerin Annett Lazay vom Diakonieverein Heimverbund Burghof, der das hinter der evangelischen Kita „Regenbogen“ gelegene Fachwerkhaus vom evangelischen Kirchenkreis für die nächsten drei Jahre angemietet hat, möchte er die Wohnstätte vorstellen. „Wir wollen informieren und die Normalität zeigen. Denn die Jugendlichen, die hier wohnen, kommen nur aus einer anderen Ecke der Welt“, stellt Pfarrerin Annett Lazay klar.

Das Diakonie-Burghof-Team um Daniel Schulz betreut hier derzeit acht Jugendliche. Und zwar rund um die Uhr. „Von den fünf pädagogischen Fachkräften ist immer jemand vor Ort“, merkt Schulz als Leiter der Wohnstätte an. „Seine“ 15- bis 17-Jährigen kommen aus Afghanistan, Mali, Tunesien und Albanien. „Jeder von ihnen hat ein anderes Schicksal. Eines aber haben sie alle gemeinsam: Sie sind allein ohne Eltern nach Deutschland gekommen. Bei uns sollen sie erst einmal an- und zur Ruhe kommen. Ein Zuhause finden.“

Den ersten Jugendlichen hatte er hier in Wanzleben am 10. Februar in Empfang genommen. „Den zweiten am Tag darauf. Den letzten Neuzugang hatten wir erst in dieser Woche“, zählt Daniel Schulz auf, der bereits seit Jahren in der Jugendhilfe tätig ist.

Maximal 15 Plätze bietet das einst vom Kirchenkreis als Bildungshaus genutzte Objekt. „Die Möglichkeit, dass das Haus als Wohnstätte genutzt werden kann und wir so als Kirche Hilfe leisten können, finde ich gut“, erklärt Pfarrerin Dorothee Sparfeldt, die wie Pfarrer Müller-Busse keinen Hehl daraus macht, darüber erschrocken gewesen zu sein, welche Vorbehalte und Ängste in Vorbereitung auf die Flüchtlingsunterkunft öffentlich geäußert worden waren. „Mittlerweile ist wieder Normalität eingezogen“, sagt sie.

„Wichtig ist uns zu kommunizieren, dass wir keine Gemeinschaftsunterkunft sind. Bei uns sollen die Jugendlichen zur Ruhe kommen, sich sicher fühlen und Vertrauen gewinnen“, erklärt Pädagogin Marlen Sachs, die sich mit den Jungen größtenteils auf Englisch verständigt. „Von Tag zu Tag lernen sie aber mehr und mehr Deutsch. Sie sind alle sehr bemüht, unsere Sprache zu erlernen.

Darauf liegt derzeit auch unser Fokus, damit sie bald eine Schule besuchen können.“ Den Deutschunterricht gibt es täglich im Haus. „Und zwar nach dem gemeinsamen Frühstück, für das die Jungs jeden Morgen ab 9 Uhr selbst verantwortlich sind“, erzählt Daniel Schulz. „Bei uns gibt es eine klare Tagesstruktur. Nach dem Deutschkurs bereiten wir das Mittagessen vor. Häufig gehen wir hierfür gemeinsam einkaufen. Ab 14 Uhr stehen dann Projekte oder Unternehmungen, wie beispielsweise der Besuch des DRK-Kinder- und Jugendzentrums ,Tenne‘ in Wanzleben an.“

Bis spätestens zum Abendessen 19 Uhr. Nachtruhe herrscht im Haus, das neben Aufenthaltsräumen und einer Gemeinschaftsküche insgesamt acht Schlafzimmer mit Bad bietet, ab 22.30 Uhr.

Gestern ging es für die Gruppe zum Shoppen nach Magdeburg. „Das ist wie mit und bei eigenen Kindern“, beschreibt Daniel Schulz den Ausflug. Für die Grundausstattung bekommt der Diakonieverein, der seinen Sitz in Schönebeck hat, für jeden Jugendlichen Bekleidungsgeld vom Jugendamt. „Was uns für die Jugendlichen allerdings fehlt sind Fahrräder“, erklärt der Einrichtungsleiter. „Sollte jemand einen Tischfußballkicker übrig haben, kann derjenige sich gern bei uns melden.“

In der Unterkunft können die minderjährigen Flüchtlinge bis zum 18. Lebensjahr dauerhaft wohnen. „Wir nehmen hier Jungen ab dem 14. Lebensjahr auf“, erklärt Pfarrerin Annett Lazay.

Um sich und ihr Heim vorzustellen, planen die Jugendlichen gemeinsam mit ihren Betreuern bereits ein Nachbarschaftsfest. „Auf einen Termin haben wir uns aber noch nicht verständigt. Die Jugendlichen sind ja auch erst seit kurzem da. Sie entscheiden, wann gefeiert wird. Sie geben das Tempo vor“, fügt sie hinzu. Zunächst wollen die Jugendlichen aus vier verschiedenen Ländern gemeinsam das persische Neujahrsfest begehen. „Es ist interessant, welche Parallelen es zu unserem Osterfest gibt“, erklärt Schulz, der den 15- bis 17-Jährigen wiederum seine Kultur näher bringt. „Ich persönlich erlebe es als Bereicherung, wenn die Jugendlichen hier mit mir ihre landestypischen Gerichte kochen.“

In der Einheitsgemeinde wohnen laut Auskunft von Bürgermeisterin Petra Hort übrigens derzeit 269 Flüchtlinge.