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Kleingärtner Nesseltal birgt viel Zündstoff

Klartext von der Stadt fordern die Kleingartenpächter im Nesseltal schon seit Jahren. Nun hat das Rathaus zum Gespräch gebeten.

Von Theo Weisenburger 29.08.2015, 01:01

Wernigerode l Theoretisch könnte am 3. Oktober das Rathaus den Pächtern im Nesseltal den Stuhl vor die Tür setzen. Dann läuft eine Schutzfrist für Kleingärten aus, die im Einigungsvertrag festgeschrieben wurde. Der Eigentümer des Pachtlands - in diesem Fall die Stadt Wernigerode - darf ohne Angaben von Gründen kündigen.

Dass sie das zumindest zum 3. Oktober nicht tun wird, das hat Kerstin Brüning, die Leiterin des städtischen Liegenschafts­amtes, der Volksstimme bereits im vergangenen Jahr bestätigt. Doch das ist nicht die vordringliche Sorge von Hans-Günther Fiolka und seinen 65 Mit-Pächtern. Sie werden immer weniger. Vor Jahren gab es noch 76 Pächter. Doch zehn haben mittlerweile aufgegeben, neue Pachtverträge vergibt die Stadt derzeit nicht. Zunächst einmal müsse Klarheit über die Zukunft des Geländes bestehen, so Brüning.

Das Erholungsgebiet – die Anlage ist keine Gartensparte, sondern eine Freizeitanlage – gilt in der Stadtplanung als „weißer Fleck“. Es existiert kein Flächennutzungsplan, der für alle verbindlich regelt, was dort gebaut werden darf und was nicht.

Interesse an einer Nutzung der Parzellen jenseits von Gemüseanbau und Planschbecken für Kinder gibt es indes genug. In Wernigerode herrscht akuter Mangel an Bauland, das Nesseltal ist bei potenziellen Häuslebauern begehrt. Auch der Hasseröder Ferienpark hat ein Auge auf das attraktive Gelände geworfen.

Diese Interessen müssen nun unter einen Hut gebracht werden. Genau das soll am 14.  September und in den Monaten darauf geschehen, sagt Stadtsprecher Andreas Meling. An der Runde nehmen Vertreter der Verwaltung teil, aber auch Sprecher der Kleingartenpächter und der Hasse­röder Bürgerinitiative. Auch die Geschäftsführer von Ferienpark und Hotel seien eingeladen, so Meling. „Wir wollen versuchen, einen Kompromiss zu finden.“

Dies würde das weitere Verfahren in der Tat erleichtern. Erarbeitet wird der Flächennutzungsplan vom Rathaus, diskutiert und beschlossen von den Ausschüssen und dem Stadtrat, genehmigt vom Landesverwaltungsamt. Betroffene Bürger haben Mitspracherecht, können ihre Bedenken und Anregungen einbringen.

Dass sie das tun werden, daran lässt Fiolka keinen Zweifel. „Wir wollen nicht weg“, sagt er. Keiner der Pächter wolle das Gelände verlassen. Allzu viel Optimismus, dass sie dauerhaft im Nesseltal bleiben können, versprühen die Kleingärtner allerdings nicht mehr. „50 zu 50“, antwortet Fiolka auf die Frage, wie er die Chancen einschätze. Das bringt ihn und seine Mitstreiter zur nächsten Forderung an die Stadt. Falls sie das Gelände nicht weiter nutzen können, bleibt die Frage, zu welchen Konditionen sie es räumen müssen. Wer entschädigt sie für die Investionen in Gelände und Bungalow? Wer kommt für Abriss und Entsorgung auf? Und: Gibt es Alternativstandorte, auf die sie ausweichen können?

Fragen, auf die sich Fiolka und seine Mitstreiter im September Antworten erhoffen. Schließlich begann die Diskussion um die Zukunft des Geländes vor sechs Jahren, als schon einmal ein Flächennutzungsplan beschlossen werden sollte, dann aber vertagt wurde. „Wir wollen jetzt konkret wissen, was in den kommenden Jahren dort geplant ist“, so Fiolka. Länger hinhalten lassen wollen sich die Kleingärtner nicht. „Wenn wir wieder nichts erfahren, stehen wir mit Plakaten auf dem Markt.“

Verständnis für ihre Situation haben sie in der Linken-Fraktion des Stadtrats gefunden. Evelyn Edler und Fraktionskollege Christian Härtel, gleichzeitig Vorsitzender des Bau- und Umweltausschusses, haben sich vor kurzem von Fiolka durch die Anlage führen lassen. Dass die Pächter eine klare Aussage erwarten, könne sie verstehen, so Edler. Schließlich müsse klar sein, inwiefern sich weitere Investitionen in die Datschen oder in neues Saatgut lohnen.

Härtel sicherte zu, dass er das Thema Flächennutzungsplan im Nesseltal in einer der kommenden Sitzungen des Bauausschusses behandeln werde. Eine transparente und zeitnahe Beteiligung der Öffentlichkeit sei der geeignete Weg, Konfliktpotenziale zu minimieren. Allerdings ist auch den Linken-Politikern bewusst, dass gerade die attraktive Lage der Gärten am Schmiedeberg einiges an Zündstoff birgt. „Die Wünsche in der Bürgerschaft reichen bekanntlich vom Erhalt der Gärten bis hin zur Nutzung für Wohnbebauung oder touristisch genutzter Bebauung.“