EinsturzgefahrNazi-Stollen dicht

Der Galgenberg in Wernigerode: Unterhalb befinden sich Stollen aus dem Zweiten Weltkrieg. Wegen Einsturzgefahr werden sie mit Beton gefüllt.

Von Ivonne Sielaff 02.12.2015, 00:01

Wernigerode l Auf der Freifläche unterhalb des Galgenbergs stehen mehrere Baumaschinen und Betonmischer. Durch dicke Schläuche wird Beton gepumpt und in unterirdische Hohlräume gespritzt.

Was viele jüngere Wernigeröder nicht wissen: Unterhalb des Galgenbergs, einer kleinen Erhebung nördlich der Innenstadt, befindet sich ein Stollensystem. Zwangsarbeiter errichteten die Anlage während des Zweiten Weltkrieges – als Luftschutzbunker für die Bevölkerung sowie als unterirdische Produktionsstätte für die Rautalwerke, einem wichtigen Zulieferer der Rüstungsindustrie.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Galgenberg zum Wohngebiet für Wernigeröder entwickelt. Reihenhäuser wechseln sich dort mit Einfamilienhäusern und unbebauten Grundstücken ab. Sogar ein Kindergarten wurde am Fuße des Hügels eröffnet.

Doch der Zahn der Zeit nagt an der Stollenanlage. Bereits Ende der 1990er Jahre musste ein Teilstück mit Beton gefüllt werden. Mehrere Eingänge wurden verschlossen. Baumwurzeln waren durch die Stollendecke gewachsen. Es bestand Einsturzgefahr.

So wie jetzt wieder. Bei einer Kontrollbefahrung sind „Gefahren für Leben und Gesundheit“ festgestellt worden, informiert Thorsten Grützner von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben auf Nachfrage. Die Institution mit Sitz in Bonn wird tätig, sobald Menschen durch ehemalige Luftschutzanlagen aus dem Weltkrieg gefährdet sind.

Die durch Quergänge verzweigten Stollen liegen zwischen zwei und 30 Meter tief im Berg. Die Stollenanlage ist rund 730 Meter lang, die Gänge sind zwischen 2,50 und 6,80 Meter breit und zwischen 2,50 und 4 Meter hoch. Das Stollensystem sei inzwischen verwittert, ein Teil der Hohlräume mit Wasser gefüllt, so Grützner. Zudem befürchte der beauftragte Sachverständige sogenannte Tagesbrüche. Das heißt, ein Teil des Stollens bricht ein, und der Bruch dehnt sich bis zur Erdoberfläche aus. Oben entsteht dann ein Riss oder ein Einsturztrichter.

„Der Sachverständige hat empfohlen, diese Risiken durch eine Verfüllung der Anlage zu beseitigen“, so der Sprecher der Bundesanstalt.

Die betroffenen Grundstückseigentümer in Wernigerode seien über die Risiken und die geplante Gefahrenbeseitigung informiert worden. Sie hätten der Verfüllung zugestimmt, informiert Thorsten Grützner. Insgesamt gut 7500 Kubikmeter Beton sollen in den Stollen gepumpt werden.

Keine leichte Aufgabe für die Bauleute. Im Stollen herrscht Sauerstoffmangel, es ist dunkel, das Gestein ist lose. Die Arbeiten, die von der Landesbauverwaltung überwacht werden, sollen Anfang 2016 abgeschlossen werden. Danach soll auch der letzte noch zugängliche Stolleneingang in Wernigerode für immer verschlossen werden.