GeschichteVom KZ zur Gedenkstätte

Der Braunschweiger Historiker Mark Homann erforscht die Geschichte der Wernigeröder Mahn- und Gedenkstätte.

Von Katrin Schröder 19.01.2016, 00:01

Wernigerode l Die Mahn- und Gedenkstätte am Veckenstedter Weg in Wernigerode wird Gegenstand der Forschung. Der Braunschweiger Historiker Mark Homann widmet der Einrichtung, die Mitte der 1970er-Jahre eröffnet wurde, seine Doktorarbeit. „Konzentrationslager – Altenheim – Gedenkstätte. Die Mahn- und Gedenkstätte des antifaschistischen Widerstandskampfes in Wernigerode“ lautet der Titel des Projekts, an dem er seit Ende 2013 arbeitet. Gefördert wird es von der Bundesstiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur.

„Ich bin durch Zufall auf das Thema gestoßen“, sagt der 36-Jährige. Beim Praktikum in der Einrichtung erfuhr Homann von Leiter Matthias Meißner, dass die Geschichte der Mahn- und Gedenkstätte weitgehend unerforscht ist. „Da bin ich hellhörig geworden.“ Den gebürtigen Niedersachsen interessiert die Art und Weise, wie die Geschichte des nationalsozialistischen Lagers in der DDR dargestellt und konstruiert wurde. „Da verschränken sich NS- und DDR-Geschichte.“ Auffällig sei, dass weniger die NS-Zeit als vielmehr die Geschichte der Arbeiterbewegung im Fokus gestanden habe.

Diese Geschichte sollte ihr Publikum finden. Die Mahn- und Gedenkstätte zählte zu den größten ihrer Art in der DDR. Rund 8000 Menschen haben Jahr für Jahr an den Kundgebungen zum Tag der Opfer des Faschismus teilgenommen. Zahlreiche Schulklassen haben die Ausstellung in den früheren Häftlingsbaracken besichtigt. „Es gab sicherlich keine kleinere Gedenkstätte, die gestalterisch so gut ausgestattet war“, sagt Homann. Für den Ausbau zum Gedenkzentrum spielte einerseits der Zustand des historischen Ortes eine Rolle. „Es war das letzte, komplett erhaltene Konzentrationslager auf dem Gebiet der DDR.“ Andererseits war in den Baracken bis 1969 ein Altenheim untergebracht – bis Hugo Launicke, ehemaliger Häftling und Leiter der illegalen kommunistischen Parteiorganisation im Lager, an die SED-Bezirksleitung schrieb und das Fehlen eines würdigen Gedenkens beklagte.

Launicke, Mitglied der Geschichtskommission des Bezirks Magdeburg, nutzte die Gelegenheit, seine eigene Geschichte in bestem Licht darzustellen. „Er wurde zu einer Widerstandsikone aufgebaut“, sagt Mark Homann. Dabei ist die Weste des früheren Kämpfers nicht blütenweiß. Aus den Akten weiß Homann, dass Launicke und andere sogenannte Funktionshäftlinge Gewalt gegen Mitgefangene ausübten und nachweislich mit der SS zusammenarbeiteten.

Die Vorwürfe waren in der SED bekannt. Es gab Ermittlungen gegen Launicke, die aber nur halbherzig verfolgt und kurz darauf eingestellt wurden. Problematisch sei, dass sich bis 1989 die Darstellung der Lagergeschichte nur auf die Berichte kommunistischer Häftlinge gestützt habe, so Homann. Aussagen „Die frühere Darstellung der NS-Geschichte muss in großen Teilen wahrscheinlich korrigiert werden.“