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Schulbeginn In der Stadt der Frühaufsteher

In Wernigerode beginnt die Schule oft vor 7.30 Uhr. Forscher kritisieren solche Anfangszeiten.

Von Jörn Wegner 23.03.2016, 00:01

Wernigerode l „Eine Verschiebung der Schulanfangszeiten geht einher mit signifikanten Verbesserungen in der Aufmerksamkeit, Stimmung und Gesundheit der Heranwachsenden.“ – So lautet das Fazit einer Studie an einer High School im US-Bundesstaat Rhode Island. Bei der Untersuchung wurde die Schulanfangszeit von 8 auf 8.30 Uhr verschoben. Auf die Studie aus dem Jahr 2010 folgten zahlreiche weitere. Der Grundtenor der Wissenschaft: Der Schulbeginn um 8 Uhr ist zu früh, Schüler sind schlecht konzentriert und können ihre Leistungsfähigkeit nicht abrufen. Vor allem Jugendliche würden zudem unter Schlafmangel leiden.

Ein Großteil der Schüler in Wernigerode dürfte sich über einen Schulbeginn um 8 Uhr freuen. Die Volksstimme hat sämtliche Schulen der Stadt nach ihren Schulanfangszeiten gefragt, etwa die Hälfte hat geantwortet. So beginnt die erste Stunde an den drei Gymnasien um 7.30 Uhr, genauso wie an der Burgbreite-Ganztagsschule. Grundschüler müssen teilweise schon 7.25 Uhr im Klassenzimmer sein.

Einzige Ausnahme ist die Freie Grundschule im Harzblick, hier beginnt die Schule erst um 8 Uhr. „Wenn es nach mir ginge, sollte man um 10 Uhr anfangen“, sagt Schulleiter Reno Scherbaum. „Um 7 ist Mord.“ Tatsächlich seien der Grund für den späteren Beginn die teilweise langen Anfahrtswege manche Schüler. „Wir haben Kinder, die zum Teil aus Braunlage kommen“, sagt Scherbaum. Die Leistungsfähigkeit seiner Schüler hänge aber stärker mit dem Wochentag als mit der Uhrzeit zusammen, wobei der Montag der schwächste Tag der Woche sei.

Besonders stark sollen die frühen Zeiten laut Forschung die älteren Schüler treffen. Trotzdem beginnen sämtliche Gymnasien in Wernigerode um 7.30 Uhr mit dem Unterricht. Stefan Pasderski, stellvertretender Schulleiter des Gerhart-Hauptmann-Gymnasiums, begründet die frühen Zeiten mit den vielen Wochenstunden, die die Gymnasiasten absolvieren müssen. Eine spätere Anfangszeit wäre daher nicht möglich. „Die Schüler würden sonst regelmäßig um 17 bis 18 aus der Schule kommen“, sagt Pasderski. Mindestens 34 Stunden müssen Schüler der Abiturstufe wöchentlich absolvieren. Hinzu kommen Vorbereitungszeiten und Hausaufgaben. „Ich würde es gut finden, wenn es insgesamt weniger Stunden wären“, sagt Pasderski. Erst dann kann man das Problem der frühen Schulanfangszeiten lösen. Die von den Forschern prognostizierten Folgen kann der stellvertretende Schulleiter bei seinen Schülern beobachten. Tatsächlich seien viele am Morgen sehr müde. „Aber ich kriege die schon wach, das ist nur manchmal sehr schwierig“, sagt Pasderski.

Für Eltern kann die frühe Schulanfangszeit Fluch oder Segen sein: Die einen müssen selbst früh am Arbeitsplatz sein, für andere wiederum ist der frühe Morgen eine Qual. „Das ist ein brisantes Thema und wird immer mal wieder diskutiert“, sagt Rico Wiecker vom Wernigeröder Stadtelternrat. Das Gremium könne und werde sich allerdings in der Debatte nicht positionieren, so Wiecker. „Weil wir die Eltern vertreten. Einige sind dafür, andere dagegen. Eine Mehrheit ist nicht zu erkennen.“

Eine logistische Herausforderung sind die Schulanfangszeiten für die Harzer Verkehrsbetriebe (HVB). Da alle Schulen zur selben Zeit öffnen, müssen in dieser Zeit besonders viele Busse fahren. „Wir haben da Spitzen. Die federn wir mit privaten Unternehmen ab“, sagt Gerald Hahne von den HVB.

Vor Jahren gab es bereits eine Studie, die die Auswirkungen von gestaffelten Schulanfangszeiten auf den Busverkehr untersucht hat, berichtet Margit Kaufmann von der Schulverwaltung des Landkreises. „Das war illusorisch. Zwei Busse hätten eingespart werden können.“ Der Nachteil habe allerdings überwogen, so Kaufmann. Schulen, die am Beginn einer Route liegen, hätten besonders früh mit dem Unterricht beginnen müssen, die am Ende gelegenen besonders spät, mit der Folge, dass die Kinder bis in den späten Nachmittag in der Schule hätten bleiben müssen. Eine weitere Besonderheit der Wernigeröder Schulen sei es zudem, dass ohnehin viele Schüler den Linienbus nutzen während Schulbusse die Ausnahme sind, so Kaufmann.