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Bauen Widerstand gegen Bauhaus-Quartier

Am Eisenberg in Wernigerode formiert sich Widerstand gegen die Bebauung des Areals der Sennhütte.

Von Julia Bruns 18.04.2016, 01:01

Wernigerode l „Eine Stadt definiert sich nicht über das Aufeinanderstapeln von Häusern“, sagt Michael Garm. Er wohnt am Eisenberg. Es ist eine der schönsten Wohnlagen Wernigerodes: herrlicher Blick zum Schloss und auf die Stadt, Südhang – eine Idylle. Wäre da nicht ein Bebauungsplan, der Garm und anderen Anwohnern übel aufstößt. Es geht um das Areal rund um die einstige Sennhütte.

Auf 19 500 Quadratmetern sollen 13 zwei- und dreigeschossige Gebäude im Bauhaus-Stil sowie eine Designpension und ein Restaurant entstehen. Der Wernigeröder Investor, Sven Oels, hatte im Bauausschuss und Stadtrat viel Zuspruch erhalten. Nahezu einstimmig wurden das Konzept bestätigt und der nächste Schritt ermöglicht: das Aufstellen eines Bebauungplanes, kurz: B-Plan.

Seit der Stadtrat im Mai 2009 den aktuellen Flächennutzungsplan beschloss, ist das Areal als Wohngebiet ausgewiesen und darf bebaut werden. „Der Stadtrat hat sich damals zu einem Wohngebiet auf dieser Fläche bekannt“, bestätigt Baudezernent Burkhard Rudo auf Nachfrage.

„Die Bebauung bringt mehr Komplexität in das Quartier“, sagt Sven Oels im Volksstimme-Gespräch. „Wenn alle ehrlich sind, haben wir eine extrem ruhige und sanfte Lösung erarbeitet.“ Ein Vielfaches an Häusern hätte auf dem Areal Platz finden können, sagt er. „Wir haben zwei Jahre ein Konzept erarbeitet, das allen Belangen gerecht wird.“ „Wir“ – das sind der Ingenieur Oels und der Immobilienmakler Sven Morenz, der die Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen vermarkten möchte.

„Wir sind die richtig Lieben“, sagt Sven Oels. „Wir lassen den Wald stehen: 1300 Quadratmeter, die wir durch Anträge hätten in Bauland umwandeln lassen können. Wir haben aber Interesse an einer umweltfreundlichen, grünen Lösung.“ Der Wald sei auf Anregung des von ihm beauftragten Planungsbüros ausgeklammert worden, sagt der Investor. Die Fläche für den B-Plan verringerte sich auf 19 500 Quadratmeter – knapp unter der Obergrenze von 20 000 Quadratmetern, sodass ein beschleunigtes Verfahren möglich ist – ohne frühzeitige Bürgerbeteiligung und extra Umweltbericht. Für größere Areale ist das Standardverfahren verpflichtend.

Die Kritik der Anwohner am Eisenberg richtet sich in erster Linie gegen das Schnellverfahren. Noch knapp zwei Wochen läuft die vierwöchige Phase der Bürgerbeteiligung. „Das ist zu wenig. Der Investor hatte zwei Jahre Zeit, das Projekt gründlich vorzubereiten“, kritisiert Nils Clausen. „Uns bleibt nur vom 29. März bis 29. April.“

„Wenn ich einen Einspruch habe, kann ich ihn kurz und bündig formulieren und einreichen“, entgegnet Oels. „Es ist genügend Zeit.“ Umwelt und Tierwelt habe er begutachten lassen. So liegt eine Artenschutzbeurteilung vor. Darin werden keine gefährdeten Arten festgestellt. Anwohnerin Angela Koch zufolge leben auf dem Gelände jedoch geschützte Tierarten, darunter seltene Käfer und Salamander.

ven Oels versteht den Aufschrei nicht. „Das Planungsbüro hat sich an die Gesetze zu halten. Wir leben Gott sei dank in einem Rechtsstaat und nicht bei ‚Wünsch Dir was‘“, sagt Oels. „Wenn ich mir was wünschen könnte, dann würden sich die Kritiker mit mir an einen Tisch setzen.“ Gesprächs-angebote an die Anwohner seien bislang ignoriert worden.

„Was sollte das auch bringen?“, sagt Michael Garm. „Es wird immer wieder suggeriert, dass in Wernigerode dringend Wohnraum gebraucht wird. Es geht nur um Profit. Was kommt als nächstes? Der Lustgarten?“

Mit der Kritik konfrontiert, versichert Sven Oels, er habe alles dafür getan, ein Projekt zu ermöglichen, das Wohnraum schafft, eine Verbindung zwischen alter und neuer Architektur herstellt und den Denkmalschutz berücksichtigt. Geldgierig sei er nicht. „Jeder Mensch, der zur Arbeit geht, ist ertragsorientiert.“

Ginge es um die Mettewiese, wäre er ebenso engagiert, sagt Nils Clausen. „Ich finde es nicht gut, dass in Zeiten sinkender Bevölkerungszahlen überhaupt noch Grünflächen versiegelt werden. Die Bebauung ist irreversibel.“ Sven Oels hingegen sieht durchaus Bedarf an Wohnraum. „Ich halte es für eine vage These, dass die Einwohnerzahl sinkt. Die Geburtenrate ist wieder auf DDR-Niveau.“ Er finde es pikant, dass unter den Kritikern Leute seien, die selbst vor wenigen Jahren gebaut haben. „Die stellen sich jetzt hin und sagen: Es gibt Häuser noch und nöcher. Ich würde gerne wissen, wo?“

Nicht nur, dass ein Park verschwinde, auch die Bauhaus-Architektur passe stilistisch nicht zu Wernigerode, sagt Angela Koch. „Die Sennhütte ist ein markanter Orientierungspunkt in der Sichtachse vom Schloss“, gibt die Ärztin zu Bedenken. Sven Oels ist fasziniert von der Raumnutzung und Wohnkultur, die mit dem Bauhaus-Stil einhergeht – das heißt kubische Formen, große Fenster, weiße Fassaden und Flachdächer. Eine Skizze wolle er der Öffentlichkeit erst präsentieren, wenn der B-Plan beschlossen ist.

"Das gesamte Grundstück samt Mauer, Zaun und Einfahrt steht unter Denkmalschutz“, sagt Angela Koch. Dem widerspricht Oels: „Lediglich die historischen Gebäude sind denkmalgeschützt. Und diese werden saniert.“

Laut Burkhard Rudo prüfen verschiedene Behörden aktuell den B-Plan. „Wenn die untere Denkmalschutzbehörde fordert, dass Belange berücksichtigt werden, dann werden diese Belange auch berücksichtigt“, sagt er.