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Experte plaudert Finkengesang so schön wie klassische Musik

Am Rande des Finkenwettstreits in Benneckenstein plaudert ein Experte aus dem Nähkästchen - bei einer Tasse Kaffee.

Von Burkhard Falkner 20.05.2016, 01:01

Benneckenstein (bfa) l Es ist gar nicht so leicht, zwischen Kampfsingen, Rufzählung und Kreissingen der Finken, Zeit für eine Tasse Kaffee zu finden. Obendrein im Wald. Doch Dieter Spormann macht es möglich. Der 67-Jährige trinkt selber gern mal eine Tasse, wie er zugibt, dazu eine dicke Zigarre.

Vorausgesetzt allerdings, seine Buchfinken sind ordentlich und sicher untergebracht. Denn auf die Vögel lässt der passionierte Finkenfreund nichts kommen. Seit Jahrzehnten organisiert der aus Hohegeiß in Niedersachsen stammende Harzer Finkenwettstreite mit, gilt als einer ihrer besten Kenner.

„Buchfinken habe ich seit frühester Kindheit zuhause, zunächst unter Anleitung meines Vaters. Kindheit und Jugend waren bei mir geprägt von einer intensiven Verbindung zur Natur“, berichtet Dieter Spormann. Die Finkerei, wie die Zucht und das Setzen der Vögel bei Gesangswettstreiten auch genannt wird, wurde ihm sozusagen in die Wiege gelegt. Als Freund einer Försterfamilie und Mitbegründer einer Jugendgruppe namens „Waldjugend“ formte er sie weiter aus.

„Wir unternahmen in den Ferien Radtouren durch Deutschland und schliefen ausschließlich in Wäldern“, blickt mein Kaffeenachbar zurück und ergänzt: „Sehr früh stellte ich die Verbindung von der traditionellen Harzer Finkerei zur wissenschaftlichen Vogelkunde (Ornithologie) her, verband tradiertes Wissen mit vogelkundlichen Erkenntnissen.“ So wurde Dieter Spormann ehrenamtlicher wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Vogelforschung auf Helgoland und Hiddensee. Blieb es über 25 Jahre.

Wo Laien oft nur „Gezwitscher“ hören, weiß er nicht nur die Vogelart und bei Finken die einzelnen Rufe zu unterscheiden, sondern kennt auch deren Entstehung, Dialekte, Klangdiagramme. Nachzulesen zum Beispiel im Standardwerk „Buchfink und Mensch“, das Spormann gemeinsam mit dem Harzer Brauchtumsexperten Lutz Wille verfasst hat, samt Bildern und Hörproben von Buchfinken.

„Die Schönheitsgesänge faszinieren mich am meisten, diese Gesänge der Finken sind so schön wie klassische Musik, mit ihr durchaus vergleichbar“, ist Dieter Spormann überzeugt und sieht sich eins mit etlichen Buchautoren, die das im Laufe der Jahrhunderte ebenso empfunden und dokumentiert haben.

Einst sei die Finkenliebhaberei über Mitteleuropa verbreitet gewesen, sinniert er vor dem nächsten Schluck Kaffee. In Deutschland waren vorwiegend im mitteldeutschen Raum, im Ruhrgebiet und im Bergischen Land Finker aktiv. Doch das Brauchtum gehe seit Jahren zurück. Ungeduld, Unverständnis für die wirkliche Natur und nicht zuletzt das frühe Aufstehen – Finken singen ab etwa 5 Uhr – lassen junge Leute offenbar trotz aller verbal bekräftigten Naturliebe eher zurückschrecken.

Zwar gebe es auch erfreuliche Entwicklungen, sagt Spormann. So etwa die Einigung der Finkenfreunde aus West- und Ostharz, die nach etlichen Anfeindungen in den 1990-er Jahren übrig blieben. Die Anerkennung der Harzer Finkenmanöver als nationales immaterielles Kulturerbe im Jahr 2015 mache stolz, sie ermögliche auch erhaltende Projekte für dieses Harzer Brauchtum „Ob sie erfolgreich wären“, so Spormann zurückhaltend, „sei dahingestellt.“