1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wernigerode
  6. >
  7. Zog aus, um Französisch zu lernen

Hochschule Harz Zog aus, um Französisch zu lernen

Katrin Dziergwa blickt mit 36 Jahren auf eine beeindruckende internationale Karriere zurück. Ihr Werdegang begann in Wernigerode.

Von Vanessa Kastner 14.11.2016, 18:06

Wernigerode l Dass auch eine Erfolgsgeschichte Umwege kennt, beweist die Biografie von Katrin Dziergwa. „Neben Fachkenntnissen, internationalen Erfahrungen und Soft Skills habe ich insbesondere Flexibilität aus meinem Studium an der Hochschule Harz mitgenommen“, sagt die 36-Jährige. Eigentlich hatte sie sich im Jahr 2000 in Wernigerode eingeschrieben, um die Vertiefung Logistik zu wählen und Französisch zu lernen. Ein Französisch-Kurs kam jedoch nicht zustande und so schwenkte die Studentin der International Business Studies auf Japanisch um. „Während alle anderen Kursteilnehmer Manga-Fans waren, mochte ich noch nicht mal Sushi“, erinnert sich die gebürtige Berlinerin schmunzelnd. „Ich sagte mir, wenn ich das schon lerne, dann mache ich wenigstens auch ein Praktikum in Japan.“ So kam es auch: ihre ersten Auslandserfahrungen sammelte sie im vierten Semester bei Bosch in Yokohama.

Nach ihrem Abschluss an der Hochschule Harz absolvierte sie während ihres MBA-Studiums ein Praktikum bei Lehman Brothers in Tokio, die Investmentbank sollte traurige Bekanntheit erlangen. Davon war jedoch noch nichts zu erahnen, als sie ihren Chef um einen Arbeitsplatz bat. Eine Position im „Risk Control/Product Control“ war frei – allerdings in Hongkong. „Tokio war im Vergleich zu Hongkong komplizierter und teurer. Man konnte sich in Hongkong gut auf Englisch verständigen und es gab sehr günstiges Essen“, beschreibt die Finanzexpertin das Leben in der Metropolen.

Im Jahr 2008 kam die Finanzkrise und damit das Ende des US-amerikanischen Unternehmens. Es war eine turbulente Zeit: „Am Mittwoch gab es eine Telefonkonferenz, weil sich die Pleite bereits abzeichnete. Am Wochenende versuchten wir über das Internet weitere Informationen zu erhalten und zu Wochenbeginn war klar: die Bank ist bankrott“, erinnert sich Katrin Dziergwa. Es ging jedoch glimpflich aus: eine rasche Übernahme durch die Nomura Holding sicherte den Arbeitsplatz der Wirtschaftswissenschaftlerin und es änderte sich nicht viel: ein neues Schild, ein anderes Stockwerk im selben Gebäude und mehr Kollegen.

Im Jahr 2010 schlug Katrin Dziergwa einen neuen Weg ein. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Kompetenzzentrum FACT an der Hochschule Neu-Ulm kehrte sie nach Deutschland zurück. Fünf Jahre später erlangte sie nach einer kooperativen Promotion mit der spanischen Universidad Rey Juan Carlos den Doktortitel mit Auszeichnung. Kurz darauf folgte die Ernennung zur Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Hochschule Wildau. „Auch wenn ich Hongkong vermisse, war der Job nicht für die Ewigkeit.

Jetzt habe ich wieder mehr Zeit für Freunde und lebe in der Nähe meiner Familie“, betont die Alumna. „Meine Vorstellung von Entfernung hat sich relativiert. Meine Eltern leben 50 km entfernt, das kommt mir vor als wären wir Nachbarn.“ Nach der internationalen Karriere im Finanzsektor ist sie in der Hochschullandschaft angekommen. Die junge Professorin hat gelernt, alle Optionen zu betrachten und keine sofort auszuschließen. „Wichtig ist, gut anzukommen, auch wenn man nicht dort landet, wo man eigentlich hinwollte“, betont Katrin Dziergwa. „Und Französisch kann ich noch immer nicht“, fügt sie lachend hinzu.