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Kita-Gebühren Eltern fordern neue Befragung

Wirbel um geplante Kita-Gebühren-Erhöhung in Wernigerode. Viele Eltern fühlen sich vor dem Votum im Stadtrat übergangen.

Von Ivonne Sielaff 05.12.2016, 00:01

Wernigerode l Im Wernigeröder Stadtrat steht am Donnerstag die Abstimmung über die Erhöhung der Kita-Gebühren an. Im Vorfeld dieser wichtigen Entscheidung hat es jedoch einige Pannen im Zusammenhang mit der Elternbefragung in den Kindereinrichtungen gegeben. Zwölf für die Erhöhung, sechs dagegen, von vier Einrichtungen fehlt die Auswertung noch – dieses Ergebnis hatte Sozialamtschefin Petra Fietz in der Sitzung des Sozialausschusses präsentiert und noch am gleichen Abend in elf Ja-Stimmen korrigiert. Aber auch diese Zahl stimmt nicht.

„Wie wir jetzt wissen, haben neun Kindereinrichtungen dafür gestimmt und neun dagegen“, sagt Petra Fietz nun gegenüber der Volksstimme. Vier Abstimmungsergebnisse stehen noch aus. Es seien Zahlen verwechselt worden, zudem seien Stimmen hinzu gekommen, begründet Petra Fietz das fehlerhafte Ergebnis.

Die Beteiligung an der Befragung habe zu wünschen übrig gelassen. In einigen der größeren Kitas gaben gerade einmal 20 Prozent der Eltern ihre Stimme ab. Laut Petra Fietz lag die Beteiligung insgesamt bei 30 Prozent.

Der Rückschluss der Verwaltung, wer nicht abgestimmt habe, sei wohl für die Beitragsanhebung, hat etliche Wernigeröder auf die Palme gebracht. „Wer nichts sagt, hat eben zugestimmt. Eine verblüffende Logik“, schreibt beispielsweise Hannes Hahn auf dem Facebook-Portal der Harzer Volksstimme. „Ich würde sagen, in unserer Kita sind 90 Prozent der Eltern gegen höhere Beiträge“, schreibt eine Mutti an die Redaktion. Von denen habe sich ein Großteil allerdings nicht an der Befragung beteiligt.

Als Grund für die geringe Wahlbeteiligung sehen viele Eltern die Organisation der Befragung. Jede Kita habe „ihr eigenes Süppchen“ gekocht. In einigen Einrichtungen seien die Abstimmzettel samt Informationen ins Fach der Kinder gelegt worden. In anderen standen die Elternvertreter an der Tür, um Stimmen einzusammeln. Einige Eltern berichten, ihnen sei gar keine Möglichkeit gegeben worden, mit ja oder nein zu stimmen, dass nur per Aushang über die anstehende Gebührenerhöhung unterrichtet wurde, dass viele die Aushänge schlichtweg übersehen hätten. In anderen Einrichtungen sei überhaupt nicht informiert worden.

Petra Fietz sieht die Gemeindeelternvertreter in der Verantwortung, die die Befragung organisiert hatten. „Wir haben sie und Ende Oktober zu einem Gespräch eingeladen.“ Dort sei ausführlich über die Gründe der Gebührenerhöhung und die neu berechneten Beiträge informiert worden, so Fietz. Die Elternvertreter sollten die Informationen in die Einrichtungen tragen.

Das Problem sei, dass es in Wernigerode kein standardisiertes Verfahren für eine Elternbefragung gebe, sagt Peter Kußmann, Sprecher der Elternvertreter, auf Volksstimme-Nachfrage. „Sicherlich hätte im Vorfeld des Votings ein Verfahren festgelegt werden können.“ Dafür sei aber die Zeit zwischen der Vorstellung des Gebührenvorschlags und der Abfrage der Abstimmung zu knapp gewesen. „Der Aufwand für ein nachvollziehbares Voting inclusive Elterninformation, Klärung offener Fragen, Durchführung und Auswertung übersteigt ganz klar die ehrenamtliche Leistungsfähigkeit einer Gemeindeelternvertretung“, so Kußmann, der wiederum die hauptamtlichen Mitarbeiter der Verwaltung in der Pflicht sieht.

Wie schätzt der Elternvertreter nun das Meinungsbild in den Kindergärten, Krippen und Horten ein? „Niemand zahlt gerne Gebühren, ohne Mehrwert schon gar nicht“, so Kußmann. Einige Eltern würden die Gebühren sowie die geplanten Erhöhungen grundsätzlich ablehnen. Ein großer Teil zeige aber Verständnis für eine moderate Anhebung der Beiträge. Kußmann ist es wichtig, festzuhalten, dass die Erzieher, „jeden Tag eine sehr gute Arbeit“ leisten bei der „Betreuung unserer Kinder“. Kritisch sieht Kußmann, dass die Elternvertreter nicht schon im Vorfeld in die Diskussion einbezogen, dass ihnen keine alternativen Gebührenmodelle präsentiert wurden, dass ihnen lediglich ein vorgefertigter Vorschlag zur Abstimmung übergeben wurde. „Für die Zukunft wünschen wir uns da mehr Einbeziehung und Mitspracherecht im Vorfeld“, so Kußmann.

Entscheiden werden bei der Stadtratssitzung am Donnerstag (17.30 Uhr, Rathaus) aber weder die Mitarbeiter der Verwaltung noch die Eltern selbst, sondern die gewählten Stadtpolitiker, die in dem Gremium sitzen.

Während einige Eltern inzwischen eine Vertagung der Entscheidung und eine erneute qualifizierte Elternbefragung fordern, bemüht sich Sozialamtsleiterin Petra Fietz um Schadensbegrenzung. Mütter und Väter könnten den Elternvertretern weiter Rückmeldung geben oder diese direkt ans Sozialamt senden. Sie würden noch in das Ergebnis der jeweiligen Kita einfließen.

„Uns sind die Meinungen und Vorschläge der Eltern sehr wichtig – auch in Hinblick auf kommende Beitragssatzungen“, versichert Petra Fietz. Das Votum der Eltern sei ein wichtiges Zeichen und eine Entscheidungshilfe für die Stadträte, die für die Bürger der Stadt entscheiden würden.

Hintergrund: Die Stadtverwaltung will die Elternbeiträge anheben, um die Mehrkosten bei der Kinderbetreuung aufzufangen. Die Ausgaben für die Betreuung der gut 2000 Kinder in Wernigerode und den Ortsteilen haben sich drastisch erhöht. Gründe hierfür sind längere Betreuungszeiten, mehr Personal durch den höheren Betreuungsschlüssel und Tarifsteigerungen. Lagen die Ausgaben 2013 noch bei rund zehn Millionen Euro, schlagen sie für das kommende Jahr mit 14,5 Millionen Euro zu Buche. Das Land beteiligt sich mit einer Pauschale von 6,2 Millionen Euro im Jahr. Der große Rest ist von der Stadt und den Eltern zu tragen.

Die 2014 festgelegten Elternbeiträge entsprachen 36 Prozent des damaligen Defizits. Weil die Beitragssätze seitdem gleich geblieben sind, und die Zuschüsse vom Land die Steigerung der Gesamtkosten nur bedingt auffangen konnten, blieb die Stadt auf den Mehrkosten sitzen. Das soll sich mit der Beitragsanhebung ändern. Laut Gesetz darf die Kommune die Eltern mit bis zu 50 Prozent des Defizits belangen. Die Beiträge sollen so angepasst werden, dass der Anteil der Eltern wieder bei 36 Prozent liegt. Den größeren Teil trägt weiter die Stadt. Die Geschwisterermäßigung bei Mehrkindfamilien bleibt bestehen.