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Schloss-Schätze Ovale Kostbarkeit mit Harzidylle

10.000 Objekte gehören zum Bestand des Schlosses Wernigerode. Die Volksstimme stellt Schätze des Schlosses und ihre Geschichte vor.

Von Katrin Schröder 22.01.2017, 00:01

Wernigerode l Christian Juranek öffnet das unscheinbare Holzkästchen. Vorsichtig wickelt der Geschäftsführer der Schloß Wernigerode GmbH die Lagen von Papier ab, die den Gegenstand in dem Behältnis geschützt haben. Zum Vorschein kommt eine Rarität aus den Beständen des Wernigeröder Schlosses: Ein Ei aus Porzellan, das Ansichten idyllischer Harzlandschaften zeigt.

Drei Bilder haben die Porzellanmaler auf dem Oval verewigt. Sie zeigen Impressionen aus dem Selketal, von Alexisbad und der Victorshöhe bei Friedrichsbrunn. Die Bilder werden von vergoldeten Ahornranken umrahmt. „Harzansichten auf einem Osterei gibt es nicht alle Tage“, sagt Juranek. Damit ist es für die regionale Kulturgeschichte von Interesse – und weil es überdies aus dem 19. Jahrhundert datiert, ist es gleich in zweifacher Hinsicht für die Sammlung des Schlosses prädestiniert. Gesammelt werden außerdem Objekte und Schriften, die direkt mit dem Schloss und der Familie Stolberg-Wernigerode in Zusammenhang stehen.

Die Herkunft des Kunstwerks lässt sich relativ leicht bestimmen. „Es gab nur zwei Manufakturen, die solche Eier hergestellt haben“, erklärt Juranek. Die Porzellanmanufaktur im russischen St. Petersburg scheidet als Produktionsstätte aus – und das nicht nur, weil die Käufer im Zarenreich vom Harz womöglich noch nie gehört hatten. Die Königliche Porzellan-Manufaktur (KPM) in Berlin, in der zu dieser Zeit ebenfalls Porzellaneier gefertigt worden sind, gab ihren Produkten eine ganz bestimmte Form. „Die Eier aus Berlin stehen immer auf der Spitze“, sagt Christian Juranek. Bei den russischen Porzellanovalen verhält es sich umgekehrt.

Sicher ist, dass es im Zeitraum ab den 1820er-Jahren hergestellt worden ist. Die Geschichte des Berliner Porzellanproduzenten ist gut erforscht. „Man kann nachsehen, wann welche Formen genutzt worden sind“, so Juranek.

Typisch ist zudem die Motivwahl. „Es war eine Berliner Tradition, Porzellaneier mit Landschaftsbildern zu versehen“, sagt der Schlosschef. Die Herstellung war sehr aufwendig. Eine betuchte Käuferschaft aus dem gebildeten Bürgertum und dem Adel erwarb die kleinen Kunstwerke als Geschenk.

Ihrer Verbreitung leistete der im 19. Jahrhundert aufstrebende Fremdenverkehr gute Dienste. Die Schwerpunkte waren damals allerdings andere als heute. „Als interessierter Tourist war es üblich, die Porzellan-Manufaktur zu besuchen und die Produktion zu besichtigen“, erklärt der Historiker. Auch andere Industriebetriebe waren das Ziel von Reisenden – nicht Erholung, sondern Bildung stand für sie im Fokus.

Juranek ist froh, das Stück in seiner Sammlung zu wissen. „Solche Eier sind höchst selten.“ Die größte derartige Sammlung dürfte sich im Märkischen Museum in Berlin befinden, über einige Exemplare verfügt das Kunstgewerbe-Museum in der Hauptstadt.

Durch Zufall ist der Schlosschef im Jahr 2001 zu dem Ei gekommen. „Eine Antiquitätenhändlerin, die nebenbei eine der wichtigsten Porzellanexpertinnen Deutschlands ist, hat mich darauf aufmerksam gemacht“, berichtet Christian Juranek, der ursprünglich eine gusseiserne Plakette von Graf Christian Friedrich zu Stolberg-Wernigerode kaufen wollte. Weil er ständig nach neuen Exponaten für die Schlosssammlung Ausschau hält, hat er über Jahre ein Netzwerk aufgebaut, aus dem er Hinweise erhält, sobald interessante Stücke zu erwerben sind.

Bisher lagert das kostbare Einzelstück im Depot. Das muss nicht so bleiben. „Wir haben bereits mehrfach darüber nachgedacht, das Ei auszustellen, weil es so interessant ist“, so Juranek. Gescheitert ist es bisher an der Art der Präsentation. „Da haben wir noch keine befriedigende Lösung.“