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Restauration Rettung für vergessenes Schmuckstück

Der Fachwerk-Kiosk ist ein Stück Wernigeröder Stadtgeschichte. Doch der Zahn der Zeit hat an ihm genagt. Nun wird er restauriert.

Von Ivonne Sielaff 12.03.2017, 06:17

Wernigerode l Behutsam streicht Christoph Felchow über den Balken. Das Holz ist rissig, die Farbe verblichen. Das Fachwerk-Häuschen ist winzig, nicht größer als ein Garten-Pavillon, geradezu unscheinbar. Und doch ist es etwas Besonders. Einst stand es als Verkaufskiosk auf dem Nicolaiplatz.

Jetzt wird es von Christoph Felchow aufgearbeitet. Der Wernigeröder Restaurator ist eigentlich auf alte Stühle, Tische und Schränke spezialisiert. Der Kiosk ist das bisher größte Objekt, das er restauriert. Dass das Häuschen nun eine Schönheitskur unter den geübten Händen des Tischlermeisters erfährt, ist dem Zufall zu verdanken. Denn lange Zeit galt es als verschollen.

„Es handelt sich um eine schöne und aufwändig gestaltete Fachwerkkonstruktion im Stile des Historismus“, schätzt Baudezernent Burkhard Rudo auf Volksstimme-Nachfrage ein. „Vermutlich wurde es um 1900 erbaut.“ In jener Zeit habe es vier ähnliche Kioske an unterschiedlichen Standorten in Wernigerode gegeben: am Nico, am Ölberg an der Stadtecke, am Westerntor und am Holfelder Platz. „Damit war das Imbiss- und Andenkenangebot an drei für Ausflügler wichtigen Stadtzugängen im Osten, Westen und Süden sowie im Stadtzentrum abgesichert“, so Rudo. Über den Verbleib des Häuschens am Ölberg kann der Bauexperte nichts sagen. „Der Kiosk am Westerntor wurde 1909 abgerissen und von Stadtbaurat Deistel durch den noch heute existierenden Kiosk mit Toilette ersetzt.“ Der Verkaufsstand am Holfelder Platz dagegen sei dort noch im Original zu bewundern.

Und der Kiosk vom Nico? Auf dem Platz stand ursprünglich die namensgebende und um 1200 erbaute Nicolaikirche. Sie sei 1873 wegen akuter Einsturzgefahr abgerissen worden, so Rudo. Nach dem Abriss wurde das Gelände umgestaltet. Die Mitte des Platzes zierte damals ein neugotisches Denkmal zur Erinnerung an die Gefallenen des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71. 1936 verschwand es wieder – wie wohl auch das Verkaufshäuschen. „In dem Jahr wurde der Nico zum Parkplatz mit Tankstelle ausgebaut“, so der Baudezernent. „Auf den Fotos dieser Zeit ist der Kiosk schon nicht mehr zu erkennen.“

Die letzten Jahre stand er auf einem Grundstück an der Heinrich-Heine-Straße und wurde als Abstellraum für Gartengeräte genutzt. Wie und wann er dorthin gelangt ist, weiß niemand – nicht einmal der Besitzer, der den Kiosk nun Christoph Felchow überlassen hat.

Der Möbelrestaurator habe zuerst mit sich gerungen. „Ich habe ihn mir angesehen, war nicht sicher, ob da noch was zu retten ist. Das Häuschen war stark beschädigt. “ Als sich aber kein anderer dafür fand, habe er sich ein Herz gefasst. „Das war wohl Schicksal“, sagt Felchow schmunzelnd.

Inzwischen ist er Feuer und Flamme für sein „Schmuckstück“. „Schließlich ist es ein Stück Stadtgeschichte und viel zu schade, um als Brennholz zu enden.“ Das Holz will er in seiner Originalfarbe streichen. „Ich habe alte Farbreste entdeckt. Das Holz war früher hellgrün.“ Einige Balken habe er herausschneiden und erneuern müssen. Sie waren verfault. „Ich versuche, so viel wie möglich zu erhalten“, sagt Felchow, der den Kiosk später als Gartenhäuschen nutzen will. Dass so wenig über seine Geschichte bekannt ist, bedauert er. Nicht einmal Fotos würden existieren. „Aber vielleicht“, so hofft er, „wissen die Volksstimme-Leser ja mehr.“

Wer Infos oder alte Fotos vom Nico hat, kann sich unter Tel. (0 39 43) 92 14 20 und per E-Mail redaktion.wernigerode@volksstimme.de melden