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Argenta-Gelände Ex-Chef hilft mit Insiderwissen

Mit Freude beobachtet der ehemalige Argenta-Chef die Bauarbeiten an der alten Schokoladenfabrik in Wernigerode, obwohl das, was er aufbaute, nun abgerissen wird.

Von Regina Urbat 15.12.2015, 00:01

Wernigerode l Die beiden Männer gehen vertrauensvoll miteinander um. Und das, obwohl der eine abreißt, was der andere aufgebaut hat. Bei dieser Feststellung lächeln Hartmut Strecker und Werner Carl. „Ich freue mich sogar darüber“, sagt Carl, der 34 Jahre in der Schokoladenfabrik „Argenta“ tätig war und von 1973 bis 1999 den Betrieb leitete.

Während das Duo beobachtet, wie ein Langarmbagger mit einer hydraulische Zange den 1991 errichteten Produktionsanbau stückchenweise zerbeißt, sagt der Wernigeröder Rentner: „Die Hasseröder werden sich freuen, dass hier eine schöne moderne Wohnanlage entsteht und das Historische erhalten wird.“

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg, bei dem Werner Carl mit seinem Insiderwissen den Bauleiter Hartmut Strecker unterstützt. Die Immobiliengesellschaft Beck & Strecker aus Altenweddingen hat die große, heruntergekommene Industriebrache im August bei einer Zwangsversteigerung für 315 000 Euro erworben und will sie in eine barrierefreie und altengerechte Wohnsiedlung umwandeln. „Wenn alles nach Plan läuft, fangen wir im nächsten Jahr an zu bauen“, sagt Hartmut Strecker und lädt zum Rundgang über die Baustelle ein.

Die Entkernung und das Aufräumen auf dem Gelände sind abgeschlossen. Nun laufen die Abrissarbeiten auf Hochtouren. Dennoch herrscht Sorgfalt. Altes Dämmmaterial wird extra gelagert und später entsorgt wie auch Schrott und Teerpappe. Dafür ist, so der Bauleiter, die Fachfirma Wesseler aus Melle mit Niederlassung in Kroppenstedt mit im Boot. „Das sind Profis“, lobt der 57-Jährige. Der Anbau wird bis zur Kellerdecke abgerissen. „Darunter entsteht eine Tiefgarage“, sagt Strecker.

Im Keller des Anbaus, der noch zu DDR-Zeit entstand, ist an einer Fliesenwand die Zahl 1977 eingearbeitet. „Ja, sie hat uns immer an die Einweihung einer neuen Anlage erinnert“, sagt Werner Carl und fügt schmunzelnd hinzu: „Hier wurden Mokkabohnen und Schokolinsen produziert.“ Hartmut Strecker entgegnet, ebenfalls schmunzelnd: „Bald parken hier die Autos. Und mit dem Fahrstuhl geht’s ab in die Wohnetagen.“

Die Wohnungen sollen in dem unter Denkmalschutz stehenden Produktionsgebäude entstehen. Zumindest in den oberen Etagen. Darunter könnte betreutes Wohnen einziehen. Im Erdgeschoss, das zurzeit einer großen Halle gleicht, können sich die Investoren Arztpraxen, Physiotherapie, eine Apotheke und ähnliches gut vorstellen. Auch eine gastronomische Einrichtung hätte Platz, von der aus das alte Pumpenhaus betreut wird. „Es bleibt stehen und soll als Café oder Teehaus genutzt werden.“

Saniert werden soll auch das ehemalige Verwaltungsgebäude, das ebenfalls unter Denkmalschutz steht. „Hier werden Wohnungen entstehen, im Verbindungsgang zum Produktionsgebäude soll eine Ausstellung zur Geschichte der Argenta ihren Platz finden“, sagt der Bauleiter und beginnt aufzuzählen, was bis zum nächsten Frühjahr dem Erdboden gleich gemacht wird: die Heizhäuser, die alte Schlosserei, die Lagerschuppen und die Brandruine, ein ehemaliges Wohnhaus. So wird der hintere Bereich zur Holtemme frei und soll begrünt werden.

„Die damals abgerissene Fußgängerbrücke aus Holz wollen wir wieder aufbauen“, sagt Hartmut Strecker entschlossen. Werner Carl vertraut ihm und sagt: „Es ist enorm, mit wie viel Liebe zum Detail hier geplant wird.“ Selbst der alte Tunnel, der das historische Produktionsgebäude mit dem alten Kraftwerk verbindet, wird wieder aktiviert. „Wir wollen ihn für die Erschließung der Neubauten nutzen.“

In der Mitte des Straßenrings sollen drei Mehrfamilienhäuser gebaut werden. Zwei weitere sind in den Außenbereichen geplant. Zur Gleistrasse der Harzer Schmalspurbahnen sind auf dem jetzigen Planentwurf kleine eingeschossige Reihenhäuser eingezeichnet, ebenso weitere Tiefgaragen und Parkdecks. „Den konkreten Bebauungsplan stellen wir im Januar dem Stadtrat vor“, sagt Hartmut Strecker, der die Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen im Wernigeröder Rathaus lobt.

Das alte Kraftwerk ist übrigens nicht mehr Eigentum der Beck & Strecker Immobiliengesellschaft. Das denkmalgeschützte Bauwerk hat mit einem Grundstückstausch den Besitzer gewechselt. „Wir haben dafür die alte Lkw-Halle bekommen, reißen sie ab und können so besser unser Vorhaben durchziehen“, sagt Hartmut Strecker.

Und weil Weihnachtszeit ist, hat er auch noch ein Geschenk. Tausende Formen für Schokoladeneier, Osterhasen und andere Figuren aus Schokolade sind bei den Aufräumarbeiten gefunden worden. „Die 40 Paletten mit all den Kartons bringen wir zur ,Argenta‘ nach Weißenfels. Die Firma hat dafür Verwendung“, sagt der Bauleiter. Werner Carl fügt augenzwinkernd hinzu: „Aber nur, wenn ihr den Namen Argenta für eurer Wohnprojekt verwenden dürft.“