Formel-1-Auto in Drübeck

Drübeck l Oft sind es die kleinen Zufälle, die das ganze Leben lenken. Es ist kurz vor der Wende. Ein Schweizer bleibt mit seinem Auto in Drübeck liegen. Ralf Ackmann, ein junger, angehender Kfz-Mechaniker repariert das Fahrzeug. Der Schweizer lädt ihn zu sich nach Hause ein – falls es irgendwann möglich sein sollte. Was niemand zu diesem Zeitpunkt ahnt, wird Gewissheit: Die Mauer fällt, die DDR-Bürger dürfen reisen.

Ralf Ackmann löst das Angebot ein und fährt in die Schweiz, lernt den Nachbarn des Pannenfahrers kennen: Es ist der ehemalige Rennfahrer Jo Vonlanthen, einer der bedeutendsten Sammler historischer Formel-1-Fahrzeuge in Europa mit über 50 wertvollen Rennwagen, in denen Schumacher und andere legendäre Siege einfuhren. „Als ich in seine Halle kam, dachte ich, ich gucke nicht richtig“, erinnert sich der heute 46-Jährige im Gespräch mit der Volksstimme. „Wir kannten zwar in der DDR die Formel 1, aber wir hatten doch nie die Chance, den Rennwagen so nahe zu kommen.“

1990 zieht Ralf Ackmann in die Schweiz, arbeitet im Motorsport als Rennmechaniker bei Interrace im Tessin. Bis 1995 zieht es ihn in die Deutsche Tourenwagen Meisterschaft (DTM), wo er im Schübel-Team den Alpha 156 von Christian Danner betreut. Er arbeitet auch im Rennstall von Ralf Schumacher. In der Formel 3, der Nachwuchsserie für die Formel 1, ist er verantwortlich für den Wagen von Marco Werner. Nebenbei ist der Mechaniker mit den goldenen Händen immer noch bei Jo Vonlanthen fest involviert. Er betreut die Fahrzeuge des Schweizer Formel 1 Teams Sauber, sowie die Formel 1 -Ausstellungsfahrzeuge. 1994 macht er sich schließlich in seiner Heimat selbstständig. „Vorher habe ich zuhause in der Doppelgarage meiner Eltern geschraubt“, sagt er.

Doch sein Schweizer Mentor hat das Talent des jungen Mechanikers erkannt, will ihn fördern. „Jo hat mich beim Kauf des Grundstücks in Drübeck und beim Bau meiner Halle unterstützt. Er sagte, ich soll es ihm zurückzahlen, wenn ich kann.“ Im Alter von 23 Jahren wird Ralf Ackmann 1994 der jüngste Kfz-Meister Sachsen-Anhalts. 1996 legt er den Grundstein für seine Geschäftsräume. Das Geld ist lange wieder zurückgezahlt. Der Harzer hat seinen Mentor nicht enttäuscht. Bis heute sind die beiden eng befreundet, sehen sich regelmäßig bei Events im Motorsport.

Von Beginn an ist Ackmanns Hauptgeschäft die klassische Autoreparatur. Über die Jahre kamen immer mehr Mitarbeiter hinzu. Mittlerweile sind es 13 Frauen und Männer. Über den gesamten Zeitraum bleibt er dem Motorsport treu, anfangs noch als Rennmechaniker, mittlerweile als Instructor. Meist ist er an den Wochenenden unterwegs, um an Rennstrecken sogenannten Gentlemen-Drivern die richtige Fahrtechnik zu erläutern, anhand von Kurven ihr Bremsverhalten zu analysieren und mit ihnen der Ideallinie nachzuspüren, die meist hochpreisigen Autos an ihre Grenzen zu führen.

Noch eine Besonderheit kann Ralf Ackmann vorweisen: „Einen nicht ganz unerheblichen Anteil unserer Arbeit macht der Sonderfahrzeugbau aus“, berichtet der Drübecker. Als eines von wenigen zertifizierten Unternehmen darf er seit 15 Jahren Mannschaftstransportwagen der Feuerwehr, Feuerwehrlogistikfahrzeuge und Rettungswagen aufbauen.

Mit eigenem Karosseriebau und einer eigenen Lackierei hat er alle wichtigen Gewerke unter einem Hallendach. So bestückt er Wagen mit einem Kasten, stattet sie mit Elektronik, entsprechender Lichttechnik aus und im Nu entsteht aus einem normalen Wagen ein Rettungswagen.

Die Handwerkskunst seiner Mechaniker hat Ralf Ackmann auch für ein Herzensprojekt genutzt: Ein Wagen aus seinem Geburtsjahr – von 1971 – baute er zur einer modernen Kaffeebar im Retrostil um. Der Opel Blitz im leuchtenden Rot firmiert unter dem Titel „Red Cafebar“ und stand unter anderem schon im Wernigeröder Luftfahrtmuseum zur Bewirtung der Gäste bereit.