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Bruterfolg Wächter, Sonnenschutz und Vorratsspeicher

Das Storchenpaar auf dem Horst hoch über der Grovesmühle in Veckenstedt im Nordharz hat Nachwuchs.

Von Jörg Niemann 31.05.2017, 01:01

Veckenstedt l Die Grovesmühle-Störche haben Nachwuchs. Das lässt sich eindeutig aus dem geänderten Verhalten der Alttiere herleiten. Bis Ende Mai hockte ein Tier fast ununterbrochen auf dem Gelege und erhob sich etwa aller Stunde, um mit dem Schnabel die bebrüteten Eier zu wenden.

Mitarbeiter des Landschulheims haben erstmals festgestellt, dass ein Alttier mehr auf dem Horst steht als liegt. Dies ist ein sicheres Zeichen, dass der erste Schlupf erfolgt ist.

Da die Eier über einen Zeitraum von mehreren Tagen gelegt werden, schlüpfen die Jungtiere ebenfalls im Abstand von mehreren Tagen. Und dann werden sie von den Alttieren gefüttert, indem vorverdaute Nahrung von Schnabel zu Schnabel transportiert wird. Auch dies ist in Ansätzen bei den Veckenstedter Störchen zu sehen.

Apropos sehen: Den Nachwuchs selbst kann man aktuell noch nicht sehen. Die Jungen sind gerade mal so groß wie eine Maus, haben flauschige graue Federn und kleine schwarze Schnäbel. Sie können noch nicht auf ihren kleinen Beinen stehen, sind dennoch nicht unbeweglich. So berichtete der Rohrsheimer Storchenexperte Georg Fiedler, dass auch die jungen Störche schon sehr reinlich sind. Ihren Kot sondern sie - genau wie die Alttiere - über den Horstrand ab. „Und wer noch nicht laufen kann, der robbt halt zum Nestrand. Nach verrichtetem Geschäft geht es wieder zurück zur Nestmitte“, sagt Fiedler. Hintergrund ist, dass das Nest von im Kot befindlichen Schadstoffen freigehalten werden muss. Und daher müssen auch die Jüngsten auf das „Freiluft-Töpfchen“.

Zu Gesicht bekommen wird man die Veckenstedter Jungstörche erst in etwa 14 Tagen. Dann recken sie ihre Hälse in die Höhe und schlagen auch schon Mal mit ihren Flügelchen. Dann kann man als Betrachter das Zählen der Jungtiere versuchen, doch die Zahl kann immer wieder differieren. Zum einen sind später geschlüpfte Küken wesentlich kleiner als die Erstgeschlüpften und dann ist die Anzahl der Jungtiere auch vom vorhandenen Futter und vielen weiteren Faktoren abhängig.

Bis zum Alter von drei Wochen bleibt tagsüber ständig ein Alttier auf dem Horst. Es erfüllt dabei wichtige Aufgaben. Da ist die Schutzfunktion zu nennen, denn Storchenküken stehen auch auf dem Speiseplan von Raubvögeln. Und diese kreisen nicht gerade selten über der Grovesmühle. Das Alttier dient aber auch als Schattenspender. Gerade bei heißem Wetter stellt sich der Altvogel so, dass der Schatten auf die Jungtiere fällt. Bei Bedarf wird auch eine Flügelschwinge als Sonnenschirm eingesetzt. Und dann dient der Altvogel auch als kulinarischer Vorratsbehälter, der das in seinem Kehlsack gesammelte und vorverdaute Futter nach und nach an die Jungtiere abgibt.

Nach etwa drei Wochen sind die Jungvögel schon so groß, dass die Gefahren überschaubar sind. Dann fliegen beide Alttiere auf Futtersuche. Und das ist bei Familie Storch Akkordarbeit.

Die Jungstörche wachsen sehr schnell, denn sie haben nur etwa zwei Monate Zeit, um vom winzigen Küken zu einem stattlichen Jungstorch zu werden, der Anfang August seine lange Reise in die Überwinterungsgebiete beginnt.

Deshalb beginnt für die Alttiere nach dem Schlupf die stressigste Zeit der Brut. Sie müssen ihren Nachwuchs aufpäppeln - und das so schnell wie möglich. Noch futtert ein winziges Storchenjunges nicht allzu viel, aber kurz vor dem endgültigen Verlassen des Horstes benötigt ein Jungstorch laut Veröffentlichungen des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) täglich 1200 bis 1600 Gramm Futter. Und das will erst einmal herangeschafft werden.

Wer mehr über die als Glückstiere bekannten Weißstörche wissen, der findet im Internet viel Wissenswertes. Interessant ist beispielsweise die private Webseite, die eine Sammlung von einigen Hundert Storchen-Webcams aus ganz Europa anbietet. Da ist dann all das zu sehen, was in Veckenstedt derzeit noch nicht möglich ist - ein Live-Blick in ein Storchennest.