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Coronavirus Harzer Fleischer kämpfen um ihren Ruf

Die Fleisch-Industrie wird zu einem Brennpunkt der Corona-Krise. Wernigeröder Familienbetriebe distanzieren sich von Groß-Schlachtbetrieben.

Von Holger Manigk 28.05.2020, 01:01

Wernigerode l „So eine Krise haben wir noch nie erlebt“, sagt Frank Leiste. Wie der Fleischermeister aus Wernigerode berichtet, habe „nicht einmal BSE“ die Branche so hart getroffen wie die Corona-Pandemie. So blieben nicht nur viele Kunden seinen Filialen im Forum und in der Westernstraße fern.

Skandale in großen Schlachthöfen sorgten für Verunsicherung bei Verbrauchern, wie Anrufe und Fragen von Käufern direkt in seinen Geschäften zeigten. Corona-Ausbrüche in mehreren Betrieben und miserable Hygienebedingungen, unter denen vornehmlich osteuropäische Arbeiter in Massenunterkuünften leben, brachten Negativ-Schlagzeilen.

„Das ist die Fleisch-Industrie, mit dieser Massenproduktion haben wir nichts zu tun“, distanziert Heinz Sallier sich und seine Kollegen von den Großbetrieben. Der Obermeister der Fleischer-Innung Wernigerode betont: „Wir stehen für kurze und nachvollziehbare Transportwege.“

Wie Leiste bezieht der 62-Jährige die Tiere, die er zu Wurst für sein Geschäft in der Georgiistraße verarbeitet, größtenteils aus dem Fleischzentrum Rettstadt im Westharz. Das gelieferte Rind- und Schweinefleisch stamme größtenteils aus dem mitteldeutschen Raum, bestätigt der Schlacht- und Zerlegebetrieb in einem Schreiben, das der Volksstimme vorliegt.

Die Mitarbeiter des Betriebs seien in privaten Wohnungen – getrennt voneinander lebend – untergebracht. „Diese Wohnungen befinden sich in dem nahe gelegenen Ort Bad Grund an einem Waldsee, der auch als heilklimatischer Kur- und Urlaubsort bekannt ist“, heißt es in einer weiteren Nachricht, adressiert an Fleischerei Leiste.

„Mit diesem Schlachthof arbeiten wir seit 20 Jahren vertrauensvoll zusammen“, sagt Heinz Sallier, der sein Geschäft in dritter Generation leitet. Schwarze Schafe gebe es zwar in jeder Branche, „doch wir stehen für sauberes Handwerk, Qualität aus der Region für die Region und Service.“

Das seien auch die Argumente, mit denen es die Kundschaft zu überzeugen gelte. „Beim Preis können wir nicht mit Supermärkten und Lebensmittel-Discountern konkurrieren – und wollen das auch gar nicht.“ Eine weit verbreitete Billig- und Wegwerf-Mentalität sei ein Grundproblem, aus dem Subunternehmer-Strukturen und katastrophale hygienische Zustände erwüchsen.

Dieser Verdrängungskampf lasse sich an Zahlen ablesen, so der Obermeister weiter. Von 36 Mitgliedsbetrieben der Fleischer-Innung Wernigerode vor dem Zweiten Weltkrieg sind heute noch ganze vier übrig: Neben den beiden Betrieben in der bunten Stadt am Harz Lutz Hasenbalg in Veckenstedt sowie Harald Müller in Elbingerode.

Die Corona-Krise habe die Probleme für die Fleischer verschärft. So sei für Sallier mit dem nahezu kompletten Stillstand des öffentlichen Lebens ein weiteres Standbein – Partyservice und Catering für Veranstaltungen – weggebrochen. Wie Leiste habe er versucht, sich während der Zeit strikter Ausgangsbeschränkungen mit einem Lieferdienst über Wasser zu halten. „Doch das Echo ist verhalten“, berichtet Frank Leiste.

Der 50-Jährige habe immerhin trotz des Umsatzrückgangs keinen seiner 16 Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken müssen. Das gleiche gilt für Salliers sieben Beschäftigte.

Sorgen über Ansteckungsgefahr in ihren Filialen können beide Fleischer zerstreuen: „Wir werden mehrmals im Jahr auf unsere Hygienestandards überprüft, unsere Mitarbeiter sind ohnehin auf Gesundheitssschutz geschult.“ Zusätzlich haben sie ihre Verkaufstresen mit Plexiglaswänden oder Plastikfolie als Schutzbarriere zum Kundenraum versehen.